Bundespräsident Gauck kondoliert zum Tod von Günter Schabowski

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

1. November 2015


Bundespräsident Joachim Gauck hat heute Irina Schabowski, der Witwe des früheren Mitglieds des SED-Politbüros Günter Schabowski, kondoliert. Der Bundespräsident schreibt unter anderem:

Meine Erinnerungen an Günter Schabowski sind, wie Sie wissen, zwiespältig. Lange Jahrzehnte war er eine Führungsfigur im Kreis meiner Unterdrücker.

Ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit geriet er 1989 mit seiner berühmten Erklärung, die den Fall der Mauer einleitete.

Später lernte ich einen Mann kennen, der über Fehler, Abgründe und – wie er selbst sagte – ‚Verblendungszusammenhänge‘ nachdachte und schrieb. Dabei schonte er sich selbst nicht.

Er hatte sich auf den Weg einer zwar späten, aber ungeheuer intensiven Aufarbeitung auch der eigenen Rolle in einem menschenverachtenden Zwangsbeglückungssystem begeben.

Sein aufklärerisches Engagement hat ihn von vielen seiner ehemaligen Genossen entfremdet. Er war wohl das einzige Mitglied des SED-Führungszirkels, das zu radikaler Umkehr und auch zur Anerkennung eigener Schuld bereit und fähig war. So konnte er zu einem Ermutiger für diejenigen werden, denen es schwer fiel, politische Irrtümer zu revidieren, sich geistig zu befreien und die Demokratie zu bejahen.

Mit Respekt und Dankbarkeit denke ich daran, wie für ihn der Akt der Selbstbefreiung verbunden war mit der Verpflichtung aufzuklären, die Mythen von einst zu dekonstruieren und ein deutliches Ja zur offenen, freiheitlichen Gesellschaft zu formulieren.

So ist er mir und vielen Zeitgenossen ein wichtiger Gesprächspartner und Mahner gewesen.