Mittagessen zu Ehren von Hans Maier anlässlich seines 80. Geburtstages

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 29. Juni 2011

Mittagessen zu Ehren von Hans Maier anlässlich seines 80. Geburtstages in Schloss Bellevue - Bundespräsident Christian Wulff begrüßt Hans Maier, seine Frau Adelheid und die Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan (links)

Ich freue mich, dass wir so, in dieser illustren Runde, zusammengekommen sind, um Sie, lieber Herr Professor Maier, hochleben zu lassen. Vor wenigen Tagen haben Sie das 80. Lebensjahr vollendet – und das ist, selbst in der heutigen Zeit mit ihrer höher gewordenen Lebenserwartung, eine stattliche Zahl. Für Sie sicher ein Grund der Rückschau und der Bilanz; in Ihren Memoiren haben Sie das ausführlich, weise und spannend getan. Für uns aber ein Grund und ein Anlass zum Dank an Sie, zur Ehrung und zum feierlichen Zusammensein.

Wie beim Eiskunstlaufen, so gibt es auch im Amt des Bundespräsidenten Termine, die die Pflicht diktiert und andere, die sind die Kür, die kann ich mir selber aussuchen und die machen mir besonders große Freude. Und dann gibt es noch ein drittes, das gibt es im Sport nicht: Nämlich ganz wenige, ganz besondere Anlässe, in denen beides zusammenfällt.

So ein Anlass ist heute. Es ist mir eine Ehrenpflicht, die mir gleichzeitig große Freude macht, einen Mann zu ehren, im Kreise von Freunden und Weggefährten, der in unserem Land seinesgleichen sucht – und wahrscheinlich nicht findet. Diese Republik, verehrter Hans Maier, hat in Ihnen, spätestens seit Ihrer Autobiografie, nicht nur einen Zeugen ihrer politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Geschichte. Sie hat in Ihnen über Jahrzehnte und bis auf den heutigen Tag vor allem einen Akteur, dem sie vieles zu verdanken hat, ohne den sie ärmer wäre:

Einen Wissenschaftler von hohen Graden, der als akademischer Lehrer, als Autor und Herausgeber politische Geschichte, Theorie und Praxis wie kaum jemand analysieren und darstellen kann, einen Politiker, der mit 16 Amtsjahren wohl den Rekord im Amt des Kultusministers noch lange behalten wird, einen Christen, der als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, aber auch ohne amtliche Funktion, Gesicht und Stimme der deutschen katholischen Kirche in ihrem nicht-klerikalen, also weit größerem Teil war, einen Musiker, der in seiner künstlerischen Leidenschaft fast professionelle Fähigkeiten entwickelt hat.

Kurz, um mit Kleist zu sprechen – wir sind ja im Kleistjahr: „So einen Kerl habe ich Zeit meines Lebens nicht gesehen.“

Um einmal einen Begriff zu gebrauchen, der den Bildungspolitikern unter uns, liebe Annette Schavan, in letzter Zeit ausgesprochen geläufig geworden ist: Hans Maier ist sozusagen der leibhaftige Exzellenzcluster – wobei noch sehr die Frage ist, ob in den Konglomeraten, die heute mit diesem Begriff bezeichnet werden, so vielseitige Leute wie Hans Maier eine Chance hätten.

Hans Maier ist ein Mann mit Überzeugungen. Das ist vielleicht – und zumal heute – das Wichtigste. Es sind wirkliche Überzeugungen, keine Vorurteile, Meinungen oder Ansichten, von denen man heute diese und morgen jene haben kann.

Hans Maiers Überzeugungen sind zum Ersten von seinem Glauben geprägt: Von dem Glauben, der Seele und Geist tief imprägniert hat, der so selbstverständlich und darum so tragend ist, dass er weltoffen und tolerant sein kann, gesprächsfähig mit jedermann. Eine feste Orientierung, jedem blinden oder gar blindwütigem Fundamentalismus abhold. Konfliktfähig und konfliktfreudig, was nicht nur Kardinäle und Bischöfe gelegentlich erfahren konnten.

Hans Maiers Überzeugungen sind zum Zweiten reflektiert, sie sind intellektuell und wissenschaftlich geprüft und immer wieder kollegialen und akademischen Diskussionen ausgesetzt gewesen. Er ist kein Mann des intellektuellen Basta, sondern er vertraut, ganz im Sinne des Kollegen Habermas, auf die Kraft des besseren Arguments, auf die Macht des kritisch überprüften Wissens, und auf den Sinn der gesunden Skepsis, die den wahren Konservativen kennzeichnet.

Und Hans Maiers Überzeugungen sind zum Dritten in der politischen Praxis ausprobiert – und das heißt sicher oft genug: auf eine harte Probe gestellt worden. Das erleben Politikwissenschaftler nur äußerst selten am eigenen Leib. Die theoretischen Einsichten und Überzeugungen sind sozusagen durch die Feuerprobe des echten Lebens gegangen, sei es die der schwierigen Entscheidungen, der Krisen und des harten politischen Kampfes, sei es auch durch die der Routine, der endlosen Sitzungen, der langweiligen Vorlagen, der ermüdenden Bedenken.

Repräsentative Demokratie ist harte Arbeit, in 16 langen Jahren als Kultusminister hat der intellektuelle Überflieger Hans Maier diese Mühen der Ebene am eigenen Leib erfahren. Aber er ist erfolgreich gewesen, er hat bleibende Spuren hinterlassen – und er hat ganz nebenbei auch ein absolutes politisches Alphatier wie Franz Josef Strauß zu nehmen gewusst.

Überhaupt: Eigene Größe zeigt sich auch daran, wie man mit anderen umgeht, gerade auch mit anderen Größen. Ob zu unterwürfig, das eigene Licht unter den Scheffel stellend, oder zu arrogant, keinen anderen neben sich selber gelten lassend: Beides sind Versuchungen gerade schöngeistiger, gebildeter Menschen. Und beiden ist Hans Maier nicht erlegen. Er hat das richtige Maß gefunden, mit seiner Mischung aus badischem Eigensinn und Bodenständigkeit, aus gläubiger Demut und innerer Souveränität, aus umfassender Bildung und Sensibilität für den anderen.

Hans Küng, der mich neulich besucht hat, schreibt im zweiten Band seiner Autobiografie, dass nun, zu Beginn seines neunten Lebensjahrzehnts, seine theologischen Kampfgefährten von einst entweder inaktiv oder gestorben seien – oder sie seien Papst geworden. Hans Maier geht nun auch in sein neuntes Jahrzehnt, und auch er hatte intensiv zu tun mit diesem Partner und Kontrahenten, der Papst geworden ist. Sie beide hatten einst gemeinsam ein Buch veröffentlicht zu einem Thema, das denkbar aktuell geblieben ist: Demokratie in der Kirche.

Dann aber beschreiben Sie in ihrer Autobiografie die heftigen und teilweise auch bitteren Auseinandersetzungen, die zwischen der deutschen Kirche und Rom jahrelang um die Frage der Schwangerschaftsberatung geführt wurde, namentlich mit Kardinal Ratzinger, dessen Ernennungsbrief zum Erzbischof von München Sie einst als Mitglied der Bayerischen Staatsregierung entgegengenommen hatten. Das hat Wunden hinterlassen und zu Konflikten geführt, die teilweise bis heute andauern.

Und doch haben Sie nicht aufgehört, bewusst, gläubig und fröhlich in dieser Kirche zu leben, auch wenn gerade Sie wissen, welcher Bedarf an Reformen, an „Good Governance“, an Partizipation von Laien, an gerechter Beteiligung der Frauen in der Kirche besteht. Daran wollte ich gerade heute, am Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus, erinnern.

Sie selber sind allen einseitigen Lösungen, allen Extremen gegenüber immer skeptisch geblieben. Sie wissen, dass sowohl in der Wissenschaft, wie in der Politik, wie auch in der Kirche das gilt, was Ihr zeitweiliger Gefährte Hans Urs von Balthasar, ähnlich musikalisch wie Sie, mit einem Buchtitel einst so ausgedrückt hat: „Die Wahrheit ist symphonisch“. Alle Stimmen, alle Klänge werden gebraucht.

Lieber Hans Maier, ich freue mich sehr, Sie heute hier ehren zu dürfen. Wir alle sind stolz darauf, Sie in unserer Mitte zu haben.

Liebe Gäste, ich darf Sie nun bitten, mit mir das Glas zu erheben zu Ehren unseres Jubilars. Von Herzen für Sie alles Gute und Gottes Segen.