Interview mit der Bild der Frau

Schwerpunktthema: Interview

26. Februar 2016

Daniela Schadt hat der Bild der Frau ein schriftliches Interview gegeben, das am 26. Februar erschienen ist. Darin heißt es zum Thema Ukraine: "Die Erzählungen der Flüchtlingskinder haben mich sehr berührt. Wir haben uns vor allem über ihre Erfahrungen im Konflikt und auf der Flucht unterhalten. Jedes Kind verarbeitet seine schlimmen, traumatisierenden Erlebnisse auf andere Weise: manche von ihnen werden aggressiv und laut, andere ziehen sich ganz in sich selbst zurück."

Daniela Schadt im Gespräch (Archiv)

Daniela Schadt hat der Bild der Frau ein schriftliches Interview gegeben, das am 26. Februar erschienen ist.

Sie waren gerade als UNICEF-Schirmherrin in der Ukraine. Was hat Sie während der Reise besonders bewegt?

Die Erzählungen der Flüchtlingskinder haben mich sehr berührt. Wir haben uns vor allem über ihre Erfahrungen im Konflikt und auf der Flucht unterhalten. Jedes Kind verarbeitet seine schlimmen, traumatisierenden Erlebnisse auf andere Weise: manche von ihnen werden aggressiv und laut, andere ziehen sich ganz in sich selbst zurück. Die Kinder haben Krieg erlebt. Eine Mutter erzählte mir, wie sie mit ihren Kindern vor den Bomben wegrennen musste und Hals über Kopf das gemeinsame Zuhause verlassen hat.

Auf einer Sozialstation in Charkiw habe ich beeindruckend kreative und individuelle Kurzvideos von Kindern über ihre Sicht auf den Konflikt gesehen. In den Videoclips erfahren Sie etwa von der Sorge um die Großmutter, die in der Ostukraine zurückgeblieben ist; von dem Gefühl der Fremdheit am neuen Wohnort. Die Botschaften der Kinder waren manchmal auf ganz bedrückende Weise erwachsen. Wie die von dem neunjährigen Jaroslaw, der in seinem Kurzfilm zunächst scheinbar nur ein Experiment aus dem Chemieunterricht erläuterte, dabei aber zu der weisen Erkenntnis gelangte: "Entzünde niemals ein Feuer, von dem Du nicht weißt, wie Du es wieder löschst."

Bei all diesen erschütternden Geschichten hat es mich dennoch hoffnungsvoll gestimmt, zu sehen, wie viel engagierte Unterstützung die geflüchteten Familien erfahren – durch große Organisationen wie UNICEF, aber auch durch kleine Vereine und Initiativen, Menschen, die einfach helfen wollen und für die das ganz selbstverständlich ist. Und das alles – das dürfen wir nicht vergessen – in einem nicht reichen Land, das schon vor großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen stand, bevor im Osten der Konflikt begann.

Leider ist der bewaffnete Konflikt in der Ukraine – auch angesichts vieler anderer drängender Fragen – in den Medien und auch im Bewusstsein vieler Menschen in Deutschland weniger gegenwärtig als noch vor einem Jahr. Wir dürfen aber nicht vergessen: Für die Menschen in der Ukraine ist er nach wie vor sehr präsent. Das gilt nicht nur für die 2,7 Millionen Menschen, die aus den umkämpften Gebieten im Osten geflohen sind, sondern auch für diejenigen, die sie in ihrer Gemeinschaft aufnehmen und ihnen, wenn auch nicht immer gleich ein neues Zuhause, dann doch ein Gefühl der Geborgenheit geben.

Als Frau des Bundespräsidenten stehen Sie plötzlich in der Öffentlichkeit. Ist das mehr Segen oder Fluch?

Keines von beidem. Ich begreife das Interesse der Medien vielmehr als Chance. Mit dem Besuch einer Veranstaltung, mit gemeinsamen Terminen oder einem Grußwort kann ich das beeindruckende und das ganz handfeste Engagement der vielen Frauen und Männer herausstellen, die sich zum Teil auch in kleinen, häufig regionalen Initiativen zusammenschließen und dennoch Großes für uns alle leisten. Sie können sich und ihr Wirken so einer noch größeren Öffentlichkeit präsentieren und weitere Unterstützer und Sponsoren gewinnen. Ich bin dankbar dafür, mit dem einen oder anderen Impuls einen Beitrag zu deren wichtigen Engagement leisten zu können.

Und zurück zu Ihrer Frage: Im täglichen Leben kann ich mich glücklicherweise immer noch gut als Privatperson bewegen; gehe einkaufen, fahre Fahrrad, treffe mich mit Freunden, ohne dass hinter jeder Ecke ein Fotograf auf mich wartet. Diese Freiheiten weiß ich aber auch sehr zu schätzen.

Als Journalistin sind Sie kritisches Hinterfragen gewöhnt. Von der First Lady erwartet man eher Diplomatie. Fällt Ihnen das manchmal schwer?

Fragen stellen – das kann ich ja nach wie vor, und sie dürfen auch kritisch sein. Dadurch zeige ich meinem Gegenüber, dass ich interessiert bin, dass mich seine Sorgen und Standpunkte bewegen. Dennoch achte ich natürlich heute mehr als früher darauf, wann und gegenüber wem ich meine Meinungen kundtue. Das gebietet einfach der Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten. Schließlich ist es Joachim Gauck, der gewählt wurde. Auf seine Äußerungen kommt es an, nicht auf meine persönliche Meinung.

Flüchtlingskrise, Terror … Viele Menschen haben Angst vor der Zukunft. Können Sie das verstehen?

Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland Angst vor der Zukunft haben müssen. Aber ich kann auch nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die verunsichert sind. In manchen Bereichen erleben wir einfach rasante Veränderungen, schon allein durch die technische Entwicklung. Alles wird schneller, mobiler, flexibler. Da fragt sich der eine oder andere, wohin diese führen und was sie konkret für ihn oder die eigene Familie bedeuten. Die politische Gemengelage ist nun einmal unübersichtlich geworden.

Persönlich – gerade bei meinen vielen Begegnungen und Gesprächen – habe ich aber den Eindruck, dass die Mehrheit der Menschen nicht verzagt. Den meisten gelingt es, sich Offenheit, Neugier und Optimismus zu bewahren und diese Eigenschaften produktiv und auch für andere einzusetzen.

Die Fragen stellte: Monika Kaußen