Interview mit der Tageszeitung Lausitzer Rundschau

Schwerpunktthema: Interview

1. Dezember 2018

Der Bundespräsident hat der Lausitzer Rundschau anlässlich des Benefizkonzerts in Cottbus am 11. Dezember ein Schriftinterview gegeben, das am 1. Dezember erschienen ist: "Cottbus stellt sich seinen Problemen. Verwaltung, Polizei und Zivilgesellschaft arbeiten dabei Hand in Hand, um die Sicherheit in der Stadt – die objektive wie die gefühlte – wieder herzustellen und den sozialen Frieden zu fördern. Diese Anstrengungen werde ich weiterverfolgen. Auch wenn ich am 11. Dezember zum Konzert in der Stadt bin."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Arbeitszimmer (Archivbild)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat der Tageszeitung Lausitzer Rundschau anlässlich des Benefizkonzerts des Bundespräsidenten in Cottbus am 11. Dezember ein Schriftinterview gegeben, das am 1. Dezember erschienen ist:

Spielt oder hat der Film ,Drei Haselnüsse für Aschenbrödel‘ bei den Weihnachtsritualen in Ihrer Familie eine Rolle gespielt?

Dieser wunderbare Film ist ja Anfang der 70er Jahre in Koproduktion von DDR und CSSR entstanden und wurde von Jahr zu Jahr mehr zu einem gesamtdeutschen Filmereignis. In Westdeutschland wurde er später in den Familien mit derselben Begeisterung gesehen wie in Ostdeutschland. Und heute wird er ja sogar europaweit in der Vorweihnachtszeit gezeigt. Die märchenhafte Liebesgeschichte, die tollen Drehorte und die schöne Musik passen herrlich in die ruhige, nachdenkliche Zeit am Jahresende.

Sie waren inzwischen mehrmals in Cottbus, wie nehmen Sie die Entwicklung in der Stadt war?

Cottbus ist mir über die Jahre zu den unterschiedlichsten Themen begegnet: als Stadt der Kohle und des Strukturwandels, als Stadt der Kultur, als urbanes Zentrum im wunderbaren Spreewald, jüngst leider auch im Zusammenhang mit der eskalierten Gewalt zwischen Flüchtlingen und Teilen der Bevölkerung – in beide Richtungen, wie wir wissen. Und beides ist nicht hinnehmbar. Dass Cottbus im Brandenburger Vergleich 2018 bislang die höchste Summe von Übergriffen auf Flüchtlingsheime verzeichnet, war kürzlich noch einmal eine wirklich negative Nachricht. Ich sehe aber auch, dass die Zahlen von Quartal zu Quartal gesunken sind, sich also eine Beruhigung abzeichnet. Das war auch mein Eindruck, als ich im Juni die Stadt besucht habe, um mit Vertretern unterschiedlicher Berufsgruppen zu sprechen: Cottbus stellt sich seinen Problemen. Verwaltung, Polizei und Zivilgesellschaft arbeiten dabei Hand in Hand, um die Sicherheit in der Stadt – die objektive wie die gefühlte – wieder herzustellen und den sozialen Frieden zu fördern. Diese Anstrengungen werde ich weiterverfolgen. Auch wenn ich am 11. Dezember zum Konzert in der Stadt bin oder bei künftigen Gelegenheiten, zum Beispiel wenn ich wieder Cottbuserinnen und Cottbuser in Schloss Bellevue begrüße.

Können Sie den gerade und besonders zu Weihnachten in der Lausitz laut hörbaren Wunsch nach gesicherten Wirtschafts- und damit auch Lebensperspektiven für die Region nachvollziehen?

Ja, das kann ich. Den Menschen in der Lausitz wird derzeit viel abverlangt. Über Jahrzehnte hat die Braunkohle vielen Bürgerinnen und Bürgern in der Region Einkommen und Arbeitsplätze gesichert. Der Braunkohletagebau war entscheidend für die Stabilität und auch für die Identität der Region. Der Strukturwandel bringt Unsicherheiten mit sich. Deshalb ist es wichtig, dass die Menschen hier in der Lausitz eine echte Perspektive auf Zukunft behalten. Dabei können Stadt und Region auf Stärken wie die Technische Universität Cottbus-Senftenberg, die Chemie- und die Energietechnik, bauen. Es gilt, vor allem das Engagement und die Kompetenzen der Menschen vor Ort zu nutzen und Ideen aus der Region für die Region fruchtbar zu machen, aber auch die Region attraktiv zu machen, zum Beispiel durch eine gute Verkehrsinfrastruktur. Für einen konstruktiven, gelingenden Strukturwandel braucht Cottbus, braucht die ganze Lausitz, Unterstützung, vor allem auch aus der Politik.

Die Fragen stellte: Jan Siegel