Festgottesdienst zum Abschluss des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentages

Schwerpunktthema: Rede

Wittenberg, , 28. Mai 2017

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 28. Mai beim Festgottesdienst zum Abschluss des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentages eine Ansprache gehalten: "Ein aktiv gelebter Glaube erweitert den Horizont des Alltäglichen, und er kann unterscheiden helfen zwischen dem, was wirklich und unabdingbar wichtig ist und wo unser Engagement unersetzbar ist, und dem, was weniger wichtig ist und uns trotzdem zu sehr beschäftigt."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache auf der Elbwiese nach dem Festgottesdienst des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentages

Was für ein Kirchentag! Groß, bunt, lebendig, ein Kirchentag in Berlin und Wittenberg und an vielen Orten – auf dem Weg dahin. Ich glaube: Martin Luther wäre sehr zufrieden mit uns heute.

Hier in Wittenberg hat vor einem halben Jahrtausend eine der größten weltgeschichtlichen Veränderungen begonnen, nicht weil es nur einen Reformator gab, aber weil es diesen Luther in Wittenberg gab – seinen Mut, seine Festigkeit im Glauben und seine Macht des Wortes. Damit hat er die Welt – und nicht nur die Welt des Glaubens – verändert, und das wirkt bis heute.

Darum gibt es uns bis heute als evangelische Christen. Darum kommen wir bis heute zu Evangelischen Kirchentagen zusammen, wo wir miteinander diskutieren – über kirchliche und politische, über gesellschaftliche und ethische Fragen und über vieles, was uns und den Einzelnen bewegt; wo wir miteinander den Glauben feiern; wo wir uns gegenseitig an die Verantwortung erinnern, die wir, jeder auf seine Weise und jede und jeder an ihrem Platz, für unsere Welt und für unsere Nächsten haben.

Sie haben es eben gehört, als evangelischer Christ bin ich immer gern zu Kirchentagen gekommen, mehr noch: Für viele Jahre war ich eng verbunden mit den Vorbereitungen und habe mit Herzblut mitgemacht. Das, was Kirchentag ist, das ist so kostbar und ist etwas ganz Besonderes: diese Gemeinschaft der Hoffenden und Fragenden, der Glaubenden und Zweifelnden, der Engagierten und Feiernden, der Betenden und Singenden.

Zum ersten Mal bin ich nun als Bundespräsident auf dem Kirchentag – ich bin es genauso gern, und ich freue mich auch in meiner neuen Rolle über diese tolle Gemeinschaft. Besonders freue mich darüber, dass zu dieser Gemeinschaft inzwischen wie selbstverständlich auch Katholikinnen und Katholiken, Orthodoxe und viele Mitglieder anderer christlicher Gemeinschaften gehören.

Auch Mitglieder anderer Religionen und Menschen, die sich keiner Glaubensgemeinschaft zugehörig fühlen, nehmen teil, mischen sich ein und sind Teil dieses lebendigen Festes der Gemeinschaft. Auch das war eine gute Erfahrung in Berlin und hier in Wittenberg.

Wir wissen, dass in den fünfhundert Jahren seit dem Beginn der Reformation sehr viel Segensreiches geschehen ist, etwas, das den Glauben gestärkt und profiliert hat. Wir wissen aber auch, dass die Trennung der Konfessionen auch Leid und Elend, ja Hass und Gewalt mitgebracht hat. Noch vor einem halben Jahrhundert wäre es kaum denkbar gewesen, was wir nun an Gemeinschaft unter den christlichen Konfessionen erleben dürfen. Als Präsident dieses Landes will ich diesem Prozess weiterhin viel Erfolg und gutes Gelingen wünschen, denn der lebendige ökumenische Austausch zwischen den Konfessionen und die enge Zusammenarbeit der Christen tun dem ganzen Land gut. Das sollten wir fortsetzen – verschieden ja, versöhnt auf jeden Fall, vor allen Dingen aber mutig, liebe Schwestern und Brüder.

Zum Schluss: Ich bin dankbar für das, was durch Christen in unserem Staat und in unserer Gesellschaft an Gutem geschieht. Dabei denke ich nicht nur an das ganze soziale Engagement, an die Jugendarbeit, an die Diakonie, an die Caritas: Ohne das alles würde unserer Gesellschaft viel Wärme und viel Menschlichkeit fehlen.

Nein, ich denke auch an das geistliche Engagement, das Beten, den Gottesdienst, die Spiritualität, die geistlichen Tagungen. Ich denke, dass all das nicht nur unendlich wichtig ist für die, die davon selber in ihrem Leben getragen werden, sondern für die Gesellschaft als Ganzes.

Denn der gelebte Glaube hält eine Dimension offen, für vieles, was wir so täglich tun und schaffen, auch vieles, was uns täglich belastet und kümmert. Er kann den Horizont des Alltäglichen erweitern, er kann unterscheiden helfen zwischen dem, was wirklich und unabdingbar wichtig ist und wo wir als Person mit unserem Einsatz gefragt sind, und dem, was weniger wichtig ist und uns trotzdem sehr beschäftigt. Er kann uns befreien von falschen oder überflüssigen Lasten, die uns beschweren.

Liebe Schwestern und Brüder,

wir haben eben den Reisesegen erhalten, und ich glaube, wir können jetzt alle miteinander sehr gestärkt, beseelt und fröhlich zurückkehren nach Hause und zu den Menschen, die nicht teilhaben konnten an diesem Fest. Wir können berichten von der Hoffnung auf gelebte Begegnung, vom Wert der Vernunft und von der Gemeinschaft in Frieden. Lassen wir uns von diesen herrlichen Tagen in Berlin und Wittenberg durch die kommenden Zeiten tragen.

Ich danke all den Helfern, ich danke den Berlinerinnen und Berlinern, den Wittenbergerinnen und Wittenbergern. Ich wünsche Ihnen allen eine gesunde Heimkehr, eine gesegnete Zeit, und wir sehen uns in Dortmund.

Herzlichen Dank!