Antrittsbesuch in Bonn: Empfang im Alten Rathaus

Schwerpunktthema: Rede

Bonn, , 31. Mai 2017

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 31. Mai beim Empfang mit Vertretern der Kommunalpolitik, Kirchen, Kultur und Wirtschaft im Alten Rathaus in Bonn im Rahmen seiner Deutschlandreise eine Ansprache gehalten: "Ich freue mich, hier in Bonn zu sein, ich freue mich Gast dieser alten Stadt am Rhein zu sein – und ich freue mich auch darauf, heute zum ersten Mal Gastgeber zu sein am Bonner Amtssitz der Bundespräsidenten, der Villa Hammerschmidt."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede im Gobelinsaal im Alten Rathaus während seines Antrittsbesuchs in Bonn

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Meine Frau und ich freuen uns, heute hier bei Ihnen zu sein. Als Bundespräsident im Bonner Rathaus! Ich gestehe, dass mich das ein kleines bisschen nostalgisch stimmt. Wenn ich vor meinem inneren Auge ein paar Bilder aufsteigen lasse, die ich aus Kindheit und Jugend von politischen Ereignissen bewahrt habe, dann sehe ich oft einen Bundespräsidenten im oder vor dem Alten Rathaus – aber meist nicht ihn allein sondern mit einem hohen Gast an der Seite.

Unsere Erinnerung an die frühen Jahre unserer Republik ist von den schwarz-weißen Film- und Fernsehaufnahmen geprägt. In schwarz-weiß sehe ich also den Bundespräsidenten im und vor diesem Rathaus:

– mit Königin Elisabeth, die als Königin alle bisherigen Bundespräsidenten erlebt hat, an ihrer Seite natürlich der Herzog von Edinburgh;

– mit John F. Kennedy, von dessen Besuch man meist die Bilder aus Berlin zeigt, die Begeisterung in Bonn war aber kein bisschen kleiner;

– und mit General de Gaulle und seinen unvergessenen Worten auf Deutsch und mit seinem Ausruf Es lebe Deutschland!, nicht einmal zwanzig Jahre nach dem Krieg.

Später, dann allerdings in Farbe, mit Generalsekretär Michail Gorbatschow und mit vielen anderen Großen dieser Welt, die der kleinen Stadt am Rhein ihren Besuch abgestattet haben.

Ich komme heute ohne Staatsgast – und ich hoffe, Sie sind darüber nicht allzu enttäuscht. Ich komme sehr gerne, denn ich selber verbinde die Erinnerungen an meine ersten Schritte in der Bundespolitik noch mit Bonn. Ich werde den ersten Tag im alten Kanzleramt nicht vergessen, in dem heute das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung residiert, genauso wenig wie unsere Riesen-WG auf dem Venusberg, mit zwei Ministern, zwei Staatssekretären und dem Bundeskanzler, die sich in den ersten Tagen nur von Chips und Cola ernährt haben. Unvergesslich bleibt der Blick vom Kanzlerbungalow auf den Rhein in der Abendsonne.

Ich komme aber vor allem gerne, weil ich weiß, was unser ganzes Land dieser Stadt, der politischen Arbeit, die hier geleistet wurde, und den politischen Akteuren, die hier zu Hause waren, zu verdanken hat.

Bonn war immer sympathisch und ist immer sympathisch geblieben. Einen wunderbaren Ausdruck dafür fand ich schon als junger Mensch in diesem später dann so berühmten Schriftzug Bonn, in dem das O durch einen eindrücklichen Kussmund dargestellt wurde. Bonn-Besucher, die sich das Signet aufs Auto klebten oder auf Taschen trugen, machten ihn seit den siebziger Jahren in der ganzen Republik bekannt. Ich finde es gut, dass er – wenn auch etwas verändert – vor kurzem sozusagen offiziell reaktiviert wurde.

Bonn ist aber nicht nur Vergangenheit, Bonn ist Gegenwart, und Bonn ist Zukunft. Heute wie gestern und sicher auch morgen hat Bonn eine beliebte und profilierte Universität. Und anders als gestern kommen die Studenten immer mehr aus ganz Europa und vielen anderen Teilen der Welt. Sie verstärken so den internationalen Charakter dieser Stadt, den sie ja auch durch die Niederlassung vieler internationaler Organisationen längst bekommen hat, besonders mit den Vereinten Nationen.

Herr Oberbürgermeister, ich habe mich darüber gefreut, dass Sie anlässlich meiner Wahl zum Bundespräsidenten daran erinnert haben, dass ich mich für die Stärkung des UNO-Standortes Bonn eingesetzt habe. Den Ausbau des Verbindungsbüros des Auswärtigen Amtes bei den Vereinten Nationen hatten Sie erwähnt und auch das G-20 Außenministertreffen, das hier stattfand. In der Tat: Ich freue mich darüber, dass die Bundesstadt Bonn so immer mehr zur Weltstadt Bonn wird. Das gehörte und gehört auch zur klaren Zielsetzung des Auswärtigen Amtes. Gerade erst hat die Aktionskampagne für die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen ihre Büros in Bonn eröffnet. Das ist buchstäblich zukunftsorientiert.

Bonn bekommt aber auch für das politische Leben der Bundesrepublik immer mehr den Stellenwert des bedeutendsten Erinnerungsortes an die Bonner Republik – die übrigens niemand so nannte, als es sie noch gab. Erinnerung meint dabei nicht wohlige Nostalgie. Erinnerung meint vielmehr die produktive Auseinandersetzung mit einer Vergangenheit, die weit in die Zukunft hinein prägend geworden ist. Der zivile, der kommunikative Umgangsstil, das nicht Auftrumpfende, das diplomatisch Verbindliche, auch das Vernunftgeleitete, das unsere Demokratie ausmacht, das ist hier grundgelegt worden.

Die scharfe politische Auseinandersetzung über tatsächlich fundamentale Fragen des Gemeinwesens, sowohl in der Außen- wie in der Innenpolitik – all das hat den menschlichen Kontakt nicht vergiftet, all das hat nicht zu unversöhnten Feindschaften geführt.

Seit die Römer hier waren, ist viel Wasser den Rhein hinabgeflossen. Und mir scheint, wer hier, am Ufer des Rheins, wohnt, der weiß das ganz tief. Der weiß, dass nichts, was wir Menschen bauen, für die Ewigkeit ist, dass selbst große Zivilisationen, wie eben die römische, keine Bestandsgarantie für immer haben. Umso mehr sind wir alle aufgefordert, das Gute, das sich bewährt hat, zu behalten, zu sichern und auszubauen. Und die Entwicklungen oder Gruppen, die unsere Demokratie bedrohen, zu bekämpfen.

Ich freue mich, hier in Bonn zu sein, ich freue mich Gast dieser alten Stadt am Rhein zu sein – und ich freue mich auch darauf, heute zum ersten Mal Gastgeber zu sein am Bonner Amtssitz der Bundespräsidenten, der Villa Hammerschmidt.