Staatsbankett zu Ehren des Präsidenten der Volksrepublik China

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 5. Juli 2017

Der Bundespräsident hat am 5. Juli beim Staatsbankett zu Ehren des chinesischen Staatspräsidenten eine Ansprache gehalten: "Unseren Ländern kommt in Klimafragen zweifellos besondere Verantwortung zu – dies gilt umso mehr angesichts der US-amerikanischen Ankündigung, sich aus dem Weltklimaabkommen zurückzuziehen. Dem, wie ich finde, wohl größten Erfolgsprojekt der internationalen Zusammenarbeit der letzten Jahre wenn nicht Jahrzehnte. Ich freue mich, sagen zu können, gerade nach unseren Gesprächen heute Morgen – China und Deutschland stehen fest zu ihren Zusagen, die sie im Rahmen des Abkommens gemacht haben, und die Sie, verehrter Herr Präsident, als "hart erkämpft und notwendig" bezeichnet haben."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede im Großen Saal anlässlich des Staatsbanketts zu Ehren des Präsidenten der Volksrepublik China in Schloss Bellevue

欢迎来到德国! Herzlich willkommen in Deutschland – und herzlich willkommen hier im Schloss Bellevue. Sie sind heute Abend, das darf ich Ihnen versichern, zu Gast bei Freunden Chinas – darunter viele, die Ihr Land gut kennen und viele Male bereist haben.

Sie kommen in eine Stadt, deren Bürgerinnen und Bürger sich derzeit besonders auf eine chinesische Attraktion freuen, ja auf eines der Wahrzeichen Ihres Landes schlechthin. Im traditionsreichen Zoologischen Garten von Berlin werden künftig zwei Große Pandas ihr neues Zuhause finden – Meng Meng und Jiao Qing.

Eine, wie ich finde, ganz wunderbare Geste der chinesischen Regierung und zugleich Ausdruck der engen und freundschaftlichen Bande zwischen unseren Ländern. Nie in den 45 Jahren unserer Beziehungen waren der Austausch und die Zusammenarbeit unserer beiden Länder so eng wie heute.

Ein ganz aktuelles oder, ich könnte auch sagen, ein politisches Beispiel dafür ist unsere enge Zusammenarbeit im Vorsitz der Gruppe der G20-Staaten – China hatte ihn im vergangenen Jahr, Deutschland hat ihn in diesem Jahr inne. Und in vielen Bereichen kann Deutschland auf dem aufbauen, was von China vorbereitet wurde: bei der nachhaltigen Wachstumsagenda etwa, aber auch beim Klimaschutz – über beides haben wir heute Morgen bei unserem Treffen ausführlich gesprochen. Und gerade in diesen Bereichen hoffen wir auf klare Botschaften eines erfolgreichen Gipfels in Hamburg und sind uns der Unterstützung Chinas für den deutschen Vorsitz gewiss.

Unseren Ländern kommt in Klimafragen zweifellos besondere Verantwortung zu – dies gilt umso mehr angesichts der US-amerikanischen Ankündigung, sich aus dem Weltklimaabkommen zurückzuziehen. Dem, wie ich finde, wohl größten Erfolgsprojekt der internationalen Zusammenarbeit der letzten Jahre wenn nicht Jahrzehnte. Ich freue mich, sagen zu können, gerade nach unseren Gesprächen heute Morgen – China und Deutschland stehen fest zu ihren Zusagen, die sie im Rahmen des Abkommens gemacht haben, und die Sie, verehrter Herr Präsident, als hart erkämpft und notwendig bezeichnet haben. Und uns ist natürlich bewusst, dass der Kampf gegen die Umweltverschmutzung zu einer entscheidenden gesellschaftlichen Frage auch in den chinesischen Metropolen geworden ist. Sie haben uns das heute Morgen an Beispielen illustriert.

Die Zusammenarbeit bei internationalen, globalen Themen bietet viele Möglichkeiten, die chinesisch-europäischen Beziehungen weiter zu entwickeln und sie auch im Sinne einer friedlichen, kooperativen Weltordnung nutzbar zu machen. China und Deutschland sind als große Handelsnationen – China ist seit 2016 unser größter Handelspartner –, wir sind ganz besonders auf eine solche internationale Ordnung angewiesen.

Und Sie, Herr Präsident, haben mit Ihren Reden in Davos und in Genf zu Anfang des Jahres ein klares Bekenntnis zu Multilateralismus, zu offenem und fairem Handel und zu einer gerechten Globalisierung abgelegt. Auch diese Überzeugung verbindet uns. Wir haben gemeinsam viel geschafft. Und ich würde mich freuen, wenn die deutsche Wirtschaft auch ihr positives Engagement in China zu fairen Bedingungen fortsetzen kann. Das Bestreben, eine Kraft positiver Gestaltung zu sein, sollte auch unseren Blick bestimmen auf die neuen Pfade zwischen China und Europa, neue Pfade, die durch die von Ihnen persönlich mit großer Kraft vorangetriebene Belt and Road Initiative entstehen könnten.

Die Seidenstraße war ja stets mehr als eine Handelsroute. Sie war ein Netzwerk, über das auch Ideen, gar Religionen ihren Weg in andere Weltregionen fanden. Durch diesen Austausch wurde China während der Tang-Dynastie, zum Beispiel, zu einem Zentrum des Buddhismus und selbst des nestorianischen Christentums. Auch der Islam breitet sich längst der Seidenstraße, wie wir wissen, bis hin nach China aus. Die damalige chinesische Hauptstadt Chang’an war der kosmopolitische Anziehungspunkt für Menschen aus ganz Asien und China, besonders offen für ausländische Einflüsse und auch dadurch ein Vorbild für viele der damaligen Staaten Asiens.

Wer heute global Verantwortung übernehmen will, für den sind Glaubwürdigkeit und Akzeptanz unverzichtbar. Die Welt erwartet gerade von den großen Staaten ein Verhalten, das dem Völkerrecht, den Regeln des friedlichen Miteinanders entspricht. Das kann nur gemeinsam und auf der Basis gemeinsamer Regeln bestimmt werden, und niemals unilateral. Und gerade die großen Staaten tragen eine ganz besondere Verantwortung dafür, dass die gemeinsamen Regeln eingehalten werden. Deshalb sollte es unser gemeinsames Anliegen sein, jeder Schwächung des Völkerrechts und der internationalen Organisationen entgegenzutreten, wie das von einigen Akteuren versucht wird. Das kann weder im Interesse Chinas noch im Interesse Deutschlands sein.

Die demokratischen und freiheitlichen Gesellschaften Europas haben sich in den letzten 70 Jahren wirtschaftlich dynamisch und zugleich friedlich entwickelt. Aber wir sehen auch: Auf ewig gesichert sind solche Erfolge nie. Wir haben heute – das ist nicht zu leugnen – in Europa mit handfesten Krisen und starken gesellschaftlichen Fliehkräften zu kämpfen. Wir unterschätzen die Gefahren, die darin liegen nicht, aber ich bin sicher, die Fähigkeit zur Selbstkritik, die Bereitschaft der Menschen in Europa zur friedlichen Veränderung und Weiterentwicklung und schließlich auch die Einsicht in die Notwendigkeiten wird uns befähigen, diese Krisen zu überwinden. Europa ist sich der Verantwortung bewusst, die es in einer Welt voll von ungelösten, alten Konflikten und neuen Ungewissheiten trägt.

Die Essenz einer guten Regierung hat schon der chinesische Denker Menzius vor über 2.000 Jahren formuliert. Er hat geschrieben: Das Volk ist am wertvollsten […] und der Fürst ist am unwichtigsten.

Ich weiß nicht, ob diese klarsichtige Beobachtung den damaligen chinesischen Fürsten gefallen hat. Aber ich bin sicher, bei den politischen Herrschern im damaligen Europa, wäre sie auf Unverständnis und Empörung gestoßen. Und doch hat diese weise Mahnung die Jahrhunderte überdauert – und sie hat auch hier in Europa an Einsicht und Bedeutung gewonnen. Für uns übersetzt, heißt die alte chinesische Weisheit nämlich nichts anderes, als dass eine Regierung den Menschen dienen muss und nicht sich selbst. Gesetz und Recht, auch die Menschenrechte gießen diese uralte Einsicht in ein festes, verlässliches und hoffentlich dauerhaftes Fundament.

Die chinesisch-deutsche Partnerschaft ist so umfassend geworden, sie entwickelt sich weiter dynamisch, aber wir wissen auch, China und Deutschland haben eine jeweils eigene Geschichte und Kultur, die uns über Jahrhunderte hinweg geprägt hat. Das beeinflusst gelegentlich unseren Blick auf die Welt von heute und kann bei einzelnen Fragen auch zu unterschiedlichen Sichtweisen führen, ja. Aber wichtig ist eben, dass wir solche Uneinigkeiten, wo sie vorkommen, im Geiste des Vertrauens besprechen und uns immer vornehmen, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Unser Wunsch ist es, zu erhalten und zu stärken, was uns verbindet – das ist nicht nur unser Wunsch, sondern das ist auch mein ganz persönlicher Wunsch. Ich würde mich freuen, wenn es mir in meiner Amtszeit als Bundespräsident, wenn es uns beiden gelänge, einen Beitrag zur Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland zu leisten.

Erheben Sie bitte mit mir gemeinsam das Glas auf das Wohl von Präsident Xi Jinping und seiner Gattin, auf die Zukunft des chinesischen Volkes und der chinesisch-deutschen Freundschaft.