Mittagessen mit dem Präsidenten der Republik Kasachstan

Schwerpunktthema: Rede

Astana/Kasachstan, , 12. Juli 2017

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 12. Juli beim Mittagessen mit dem Präsidenten der Republik Kasachstan eine Ansprache gehalten: "Auf der außenpolitischen Bühne tritt Kasachstan immer öfter mit eigenen Vorschlägen und Angeboten auf. In einer Welt, die immer noch so viel weniger friedlich ist, als wir das erwartet hatten, brauchen wir mehr davon: mehr politisches Engagement, das über die eigenen Grenzen hinausschaut und die Zukunft im Blick hat."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender werden vom kasachischen Präsidenten vor dem Präsidentenpalast 'Ak Orda' begrüßt

Ich freue mich, dass mich eine meiner ersten Auslandsreisen als Bundespräsident nach Kasachstan führt. Sie wissen, dass ich ein langjähriger Freund Ihres Landes und dieser Region eng verbunden bin. Seit meiner Arbeit an einem europäischen Zentralasienkonzept bin ich immer wieder hier und bei Ihren Nachbarn gewesen. Heute zu einer ganz besonderen Gelegenheit: Wir feiern die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 25 Jahren, ein Vierteljahrhundert großer Intensität und regen Austausches. Und es passt ideal, dass wir gerade heute den Deutschen Nationentag auf der 1. Weltausstellung in Zentralasien in Astana begehen. Wer Kasachstan ein wenig kennt, weiß um die reiche Kultur Ihres Volkes!

Die großen Dichter Ihres Volkes, von Abai bis Muchtar Äuesow, sie alle erzählen von Stolz, Stärke und Selbstbewusstsein der Kasachen. Ein starker Mann kann hundert Feinde besiegen. Aber ein gelehrter Mann – eintausend. Dieses Wort von Abai beschreibt auch heute noch gut den Anspruch, den Ehrgeiz und das Selbstbewusstsein Ihres Landes.

Kasachstan ist ja nicht nur das größte Land in der Region, sondern hat in den vergangenen Jahren eine vielversprechende Entwicklung durchgemacht.

Das Kasachstan von heute ist ein unabhängiges und selbstbewusstes und ein wirtschaftlich starkes Land, an das aufgrund seines Entwicklungspotenzials große Erwartungen gerichtet werden, und das auch von sich selbst viel erwartet.

Seine friedliche Entwicklung hat Kasachstan durch den Verzicht auf Nuklearwaffen gesichert und lebt seit 25 Jahren erfolgreich das Primat der Diplomatie und des fairen Interessenausgleichs mit den Nachbarn. In dieser Hinsicht können wir Deutschen Kasachstans Außenpolitik besonders gut verstehen.

Auf der außenpolitischen Bühne tritt Kasachstan immer öfter mit eigenen Vorschlägen und Angeboten auf. In einer Welt, die immer noch so viel weniger friedlich ist, als wir das erwartet hatten, brauchen wir mehr davon: mehr politisches Engagement, das über die eigenen Grenzen hinausschaut und die Zukunft im Blick hat. Kasachstan setzt diesen Anspruch auch überregional um. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nimmt Ihr Land eine verantwortungsvolle Rolle ein. Mit den Astana-Gesprächen zu Syrien haben Sie große Verantwortung in einer besonders schwierigen Frage übernommen.

Auch deshalb ist Kasachstan unser wichtigster Partner in Zentralasien, ein Partner, der sich ständig um eine kooperative Nachbarschaft bemühen muss und dies selbstbewusst und mit großem außenpolitischem Geschick tut – ein politischer und wirtschaftlicher Pfeiler der Stabilität in einem schwierigen Umfeld.

Selbstbewusstsein und Verantwortung – darin liegt die große Stärke Kasachstans in der Region und der Welt. Damit dieser Anspruch auch nach außen Stärke entfalten kann, muss Verantwortung auch nach innen gelebt werden. Sie sagen es selbst immer wieder, Herr Präsident: Selbstbewusstsein und Verantwortung, äußere und innere Stärke bedingen einander.

Diese innere Stärke liegt in der Bildung. Der kasachische Bildungsanspruch kommt ja schon in dem vorhin zitierten Satz zum Ausdruck, den Abai vor 150 Jahren geprägt hat. Sie werden sehen, dass die kreativen Kräfte Ihres Vielvölkerstaates noch mehr zur Geltung kommen können, je mehr Spielraum sie bekommen. Wenn wir über die innere Stärke reden, dann ist unser Thema auch: Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit.

Beides sind wichtige Anliegen der deutschen Wirtschaftsvertreter, die sich heute in Astana treffen, um über den Ausbau von Handel und Investitionen zu beraten, aber ich bin sicher: Es ist auch die Erwartung der Menschen in Kasachstan. Ich baue darauf, dass Kasachstan, den Weg der Öffnung und der eingeschlagenen Reformen konsequent weitergeht. Wir sind bereit, gemeinsam mit Kasachstan an der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit zu arbeiten.

Und zuletzt: Diese innere Stärke liegt in der Vielfalt. Aus dieser Vielfalt, aus den unterschiedlichen regionalen und kulturellen Prägungen, aus der Sprache speisen sich die Kreativität und die Innovationskraft eines Landes. Ich verstehe, dass in Ihrem noch jungen Land die Rückbesinnung auf die kasachische Kultur und Sprache, die aus ideologischen Gründen fast vernichtet worden wären, besonders wichtig ist. Ich wünsche mir aber auch, dass die Multiethnizität als Stärke ihres Landes erhalten bleibt.

Heute Morgen habe ich mich mit Kasachstandeutschen getroffen und mit ihnen über ihre Zukunftsträume und ihre Heimat hier in Kasachstan gesprochen. Etwa ein Prozent unserer jeweiligen Bevölkerung in Kasachstan und Deutschland sind Kasachstandeutsche – sie sind eine wichtige Brücke, die unsere beiden Länder eng miteinander verbindet und für deren Standfestigkeit wir auch in Zukunft zusammenarbeiten wollen.

Verehrter Herr Präsident,

lassen Sie uns gemeinsam vorangehen und unsere Zusammenarbeit auf den vielen Gebieten vertiefen, die uns verbinden. Ich darf mein Glas erheben, auf eine erfolgreiche Entwicklung Kasachstans, auf Deutschland und auf die kasachisch-deutschen Beziehungen!