Mittagessen mit dem Präsidenten der Republik Albanien

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 26. September 2017

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 25. September bei einem Mittagessen für den Präsidenten der Republik Albanien eine Ansprache gehalten: "Gerade dort, wo neuer Nationalismus dem Zusammenwachsen der ganzen Region entgegensteht, bedarf es eben einiger Länder und Akteure, die dem etwas entgegensetzen. Die Verbindendes stärker betonen als das Trennende. Die versuchen, das, was trennt, Schritt für Schritt zu überwinden."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Tischrede beim Mittagessen mit dem Präsidenten der Republik Albanien im Schinkelsaal von Schloss Bellevue

Es ist mir eine besondere Freude, Sie heute hier zum Antrittsbesuch im Schloss Bellevue in Berlin zu empfangen.

Ich habe schon in der Pressekonferenz vorhin gesagt: Albanien ist ohne Zweifel einer unserer engsten Partner unter den Staaten des westlichen Balkans. Als wir – nach den militärischen Ehren – zu den Kameras und auf die zuschauenden Kinder zugingen, habe ich Ihnen gesagt: Das sind einige der Kinder unter den insgesamt 50.000 Albanern, die in Deutschland leben. Das allein ist schon Ausdruck unserer engen Beziehungen.

Dennoch stellte uns Ihr Besuch vor ganz besondere Herausforderungen. Wir müssen uns messen lassen an der typischen albanischen Gastfreundschaft, die ich selbst schon genossen habe. Diese Gastfreundschaft begegnet Freund wie Fremden in gleichem Maße. Das sage ich betont deshalb, weil uns dieses Wissen um die albanische Gastfreundschaft als Deutsche in ganz besonderer Art und Weise berührt. Denn Sie haben in der Geschichte den Mut gezeigt, Ihre Gäste auch dann noch zu schützen, als sie anderswo in Europa schon schutzlos gestellt und ihrem Schicksal ausgeliefert waren.

Ich spreche von der Besatzung Ihres Landes durch das damalige Nazideutschland und seine Verbündeten. Ich weiß, dass Albanien sich damals standhaft geweigert hat, die Juden im Land der Deportation preiszugeben und damit ihrem sicheren Tod. Beim Nachlesen der albanischen Geschichte hat mich ganz besonders berührt, dass Sie diesen Schutz nicht nur den eigenen jüdischen Staatsangehörigen gewährten, sondern auch vielen anderen Juden, die vorübergehend in Ihrem Land Schutz suchten. Deshalb darf ich sagen: Kaum ein Land wie Ihres kann mit so historischer Tiefe auf das eigene Gastrecht schauen, wie Sie das tun.

Ich freue mich, dass sich unsere Geschicke heute unter sehr viel glücklicheren Umständen überschneiden. Ich habe auch in der Pressekonferenz eben an die Mittlerrolle Albaniens erinnert, die für die gesamte Region gebraucht wird. Diese Mittlerrolle zeugt davon, dass wir Albanien aus deutscher Sicht als Stabilitätsanker in der Region wahrnehmen. Ein Stabilitätsanker, der auch dringend gebraucht wird wenn es darum geht, die Kooperation zwischen den Staaten des westlichen Balkans in den nächsten Jahren deutlich zu erhöhen.

Wir haben heute – auch angesichts des Wahlausgangs am Sonntag in Deutschland – über die Wiederbelebung des Nationalen in der Politik gesprochen. Nun findet sich das Thema auch in Deutschland in Wahlergebnissen wieder. In den Staaten des westlichen Balkans ist es schon ein älteres Thema. Gerade dort, wo neuer Nationalismus dem Zusammenwachsen der ganzen Region entgegensteht, bedarf es eben einiger Länder und Akteure, die dem etwas entgegensetzen. Die Verbindendes stärker betonen als das Trennende. Die versuchen, das, was trennt, Schritt für Schritt zu überwinden. In der so geschriebenen Rolle Albaniens spiegeln sich die hohen Erwartungen wider – aus Ihrer Sicht vielleicht manchmal zu hohen Erwartungen –, die Freunde und Unterstützer Albaniens Ihnen gegenüber äußern.

Aber ich darf Ihnen umgekehrt versichern, dass wir Ihre Erwartungen auf ständige und stetige Annäherung an die Europäische Union mit der Perspektive des Beitritts gerne weiter unterstützen. Wir haben im Vier-Augen-Gespräch darüber gesprochen und ich habe es Ihnen bestätigt: Mit eigenen Augen habe ich wahrgenommen, wie schwierig dieser Annäherungsprozess aus innenpolitischen Gründen in Albanien sein kann. Sie haben lange gerungen, um die entscheidenden Schritte zur Justizreform. Das Thema hat meinen letzten Besuch in Albanien beherrscht. Ich freue mich darüber, dass es zu einer Vereinbarung mit der Opposition gekommen ist und der Weg der Justizreform jetzt wieder frei ist.

Seit meinem letzten Besuch in Albanien hat sich auch in Ihrem Land vieles ereignet. Zum Beispiel haben Wahlen stattgefunden. Wahlen mit dem Ergebnis, dass der Ministerpräsident und seine Regierung mit einer noch größeren Mehrheit ausgestattet wurden. Man kann das auch als Ermutigung begreifen, den Weg der Reformen weiterzugehen. Ich freue mich, dass wir uns einig sind in der Einschätzung: Die Frage von ausländischen – auch deutschen – Investitionen ist davon abhängig, ob der Weg der Reformen weiter erfolgreich beschritten wird.

Aber ich rede nicht nur über die Erwartungen, die Europa an Albanien hat. Europa muss auch Erwartungen an sich selbst haben. Nachdem wir vorhin in dem Vier-Augen-Gespräch über die Situation in Osteuropa, in Ungarn und Polen gesprochen haben, denke ich: Europa tut gut daran, nicht nur Erwartungen an andere zu äußern, sondern vor allen Dingen die aktuelle europäische Krise zu überwinden.

Über all das können wir jetzt beim Mittagessen miteinander reden. Bevor wir aber miteinander reden, möchte ich, dass wir gemeinsam das Glas erheben: Auf Sie, verehrter Herr Präsident, auf die Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern und auf unsere gemeinsame Zukunft in Europa.