Staatsbankett in Neuseeland

Schwerpunktthema: Rede

Wellington/Neuseeland, , 6. November 2017

Der Bundespräsident hat am 6. November beim Staatsbankett, gegeben von der neuseeländischen Generalgouverneurin Dame Patsy Reddy, eine Ansprache gehalten: "Neuseeland und Deutschland sollten sich in diesen Zeiten auf ihre vielen Gemeinsamkeiten besinnen. Unsere Länder stehen für Freiheit und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Wir sind beide bereit, Verantwortung zu übernehmen, um diese zerbrechlichen Errungenschaften zu schützen und zu stärken."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede beim Staatsbankett, gegeben von der Generalgouverneurin Dame Patsy Reddy und Sir David Gascoigne, im Government House in Wellington anlässlich des Staatsbesuchs in Neuseeland

Liebe Freunde!

Diese Anrede bringt genau das zum Ausdruck, was das Verhältnis zwischen Deutschland und Neuseeland seit vielen Jahren ausmacht. Unsere Länder sind, geografisch betrachtet, extrem weit voneinander entfernt, zwischen uns liegen 18.000 Kilometer, das ist fast die halbe Welt. Aber trotz dieser Distanz sind wir uns in vielfacher Hinsicht sehr nah, können uns aufeinander verlassen und aufeinander bauen, wie das sonst eher bei Nachbarn der Fall ist. Ich freue mich, hier im Südpazifik zu Gast bei Freunden zu sein.

Es gibt ein Maori-Sprichwort, das ich jetzt hoffentlich richtig ausspreche: He Tangata – es sind die Menschen. Unsere Beziehungen leben vom direkten persönlichen Kontakt, vom unkomplizierten Austausch auf ganz unterschiedlichen Feldern. Es gibt in der asiatisch-pazifischen Region kaum ein anderes Land, das in Deutschland so viel Sympathie und Aufmerksamkeit genießt wie Neuseeland. Vor allem junge Deutsche kommen hierher, um Kultur und Alltagsleben kennenzulernen, viele machen Work & Travel und bleiben länger. Und auch die Schönheit der Landschaft – oder, wie wir Deutsche als natürliche Feinde des th gern sagen: za nature – zieht jedes Jahr Hunderttausende Touristen an. Das mit dem Herrn der Ringe sage ich jetzt nicht, das können Sie bestimmt nicht mehr hören.

Auch wenn der Weg von der einen Kultur zur anderen nicht weit ist: Missverständnisse bleiben im Alltag natürlich nicht aus. Da ist es nur gut, dass wir Lifeswap haben, die Zeichentrickserie des Goethe-Instituts hier in Wellington, die uns darüber aufklärt, was typisch neuseeländisch und was so German ist. Von den beiden Helden Duncan und Jörg kann man lernen, dass Sie in Neuseeland erstaunlich unempfindlich gegen Kälte sind, dafür aber am liebsten um den heißen Brei herumreden. Und man erfährt, dass wir Deutsche gern Hausschuhe tragen, Fleischsalat lieben und eigentlich immer Weihnachten feiern – natürlich mit Glühwein.

Die Lifeswap-Episoden zeigen in ihrer harmlosen Alltäglichkeit, wie nah wir uns sind. Und sie beweisen: Neuseeländer und Deutsche können miteinander lachen, auch über sich selbst. Ich finde, wir dürfen die Kraft des Humors und der Empathie in den internationalen Beziehungen nicht unterschätzen. Nur wenn wir uns öffnen, wenn wir neugierig sind und uns einander zuwenden, kann jenes Vertrauen wachsen, das wir in der Politik so dringend brauchen. Auch die Innenpolitik Neuseelands ist ja in jüngster Zeit so spannend und aufregend geworden, dass viele Menschen auf der ganzen Welt, auch viele Deutsche, neugierig geworden sind – diese Neugier, dieses Interesse ist eine Chance für die Politik, auch jenseits von Neuseeland.

Wir leben in Zeiten, in denen sich die Kräfte weltweit verschieben, auch im asiatisch-pazifischen Raum. Wir beobachten, wie in manchen Ländern nationale Egoismen erstarken, wie Rückzug und Abschottung zum Allheilmittel verklärt werden. Aber wir wissen: In einer Welt, in der wir immer enger zusammenrücken, können wir die Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen – ob es nun um den Klimaschutz geht, um die Deeskalation von Konflikten oder um unsere Sicherheit. Was wir deshalb dringend brauchen, vielleicht sogar mehr denn je, sind Freunde und Partner.

Neuseeland und Deutschland sollten sich in diesen Zeiten auf ihre vielen Gemeinsamkeiten besinnen. Unsere Länder stehen für Freiheit und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Wir sind beide bereit, Verantwortung zu übernehmen, um diese zerbrechlichen Errungenschaften zu schützen und zu stärken. Und wir arbeiten, nicht zuletzt, in multilateralen Institutionen eng und vertrauensvoll zusammen. Ein deutscher Diplomat hat mir neulich gesagt: Wenn man mit Neuseeland zu tun hat, dann hat man das Gefühl, den Westen im Osten gefunden zu haben.

Was unsere Länder verbindet, sind natürlich auch gemeinsame Interessen. Als Handelsnationen, deren Volkswirtschaften weltweit verflochten sind, brauchen wir nicht nur Sicherheit und Wohlstand in unseren Regionen, sondern sind auch darauf angewiesen, dass es unseren Partnern gutgeht, dass Handelswege offen bleiben und ausgebaut werden. Auch deshalb wünsche ich mir, dass die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Neuseeland rasch aufgenommen werden können.

Wir wissen auch: Forschung und Innovation sind die treibenden Kräfte unseres Wohlstands. Heute Nachmittag haben wir unsere wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit gefeiert, deren Grundstein vor 40 Jahren gelegt wurde. Ich habe viele beeindruckende Projekte kennengelernt, von der Biotechnologie bis hin zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Neuseeland und Deutschland stehen für Spitzenforschung auf höchstem Niveau, aber auch für kritische Vernunft und den Respekt vor der Wissenschaft. Lassen Sie uns gemeinsam die Stimme erheben, wann und wo auch immer die Freiheit der Wissenschaft angefochten wird.

Eins ist ganz klar: Für Deutschland und Europa ist Ihr Land ein zunehmend wichtiger Partner im asiatisch-pazifischen Raum. Deshalb freue ich mich, dass Sie die Beziehungen zu uns und zur Europäischen Union ausbauen wollen. Wir nehmen das Angebot zum Schulterschluss gerne und dankbar an.

Auch im Innern stehen unsere Länder vor vergleichbaren Herausforderungen. Das gilt ganz besonders für die Themen Migration und Integration, die Neuseeländer wie Deutsche gerade umtreiben. Ihr Land steht seit Jahrzehnten für gelebte Weltoffenheit und das gleichberechtigte Miteinander unterschiedlicher Kulturen, und wir können eine Menge von Ihnen lernen. Die Wanderungsbewegungen der jüngsten Zeit haben aber auch dazu geführt, dass wir in unseren Gesellschaften ganz ähnliche Debatten darüber führen, wie wir Einwanderung besser steuern und den Zusammenhalt stärken können. Gerade weil der populistische Ruf nach Abschottung keine Lösung ist, freue ich mich, dass wir uns über unsere Erfahrungen austauschen können.

Und dann gibt es noch etwas, was Neuseeländer und Deutsche gemeinsam haben: Wir werden beide gern Weltmeister. Die All Blacks sind natürlich eine Legende, auch in Deutschland, wo Rugby im Aufwind ist. Und wir Deutschen wollen im kommenden Jahr unseren Titel im Fußball verteidigen. Wer weiß, vielleicht treffen wir dann ja in Russland auf den aktuellen Ozeanienmeister. Ich bin mir sicher: Viele deutsche Neuseeland-Fans werden den All Whites im Playoff die Daumen drücken.

So fern und doch so nah – das ist die Überschrift, die ich über die Geschichte der deutsch-neuseeländischen Beziehungen schreiben würde. Lassen Sie uns in Zukunft noch mehr Brücken bauen, auf dem festen Fundament unserer gemeinsamen Werte.