Eröffnung der Matinee "Wilhelm von Humboldt – ein moderner Zeitgenosse"

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 16. November 2017

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat am 16. November die Matinee "Wilhelm von Humboldt – ein moderner Zeitgenosse" mit einer Ansprache in Schloss Bellevue eröffnet: "Der Mensch braucht Bildung, um sich in einer Welt des Wandels zurechtzufinden. Bildung ist für ihn die Bedingung der Möglichkeit, Komplexität anzunehmen und mit ihr umzugehen."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede bei der Matinee 'Wilhelm von Humboldt – ein moderner Zeitgenosse' im Großen Saal von Schloss Bellevue

Im Sommer 1791, als die aufständischen Bürger von Paris den Tuilerien-Palast stürmen und die Französische Revolution in ihre zweite, radikale Phase eintritt, sitzt ein junger preußischer Privatgelehrter auf Gut Burgörner, irgendwo im Vorgebirge des Harzes, betreibt wissenschaftliche Studien, wie er selbst sagt, und schreibt Briefe an die Geistesgrößen seiner Zeit.

Dem Naturforscher und Schriftsteller Georg Forster teilt Wilhelm von Humboldt am 16. August mit:

Ich habe mich nun von allen Geschäften losgemacht, Berlin verlassen und geheirathet, und lebe auf dem Lande in einer unabhängigen, selbst gewählten, unendlich glücklichen Existenz.

Von den Bürgern in Paris der Griff in das Rad der Geschichte, um der Erklärung der Menschenrechte Geltung zu verschaffen – in der deutschen Provinz der Rückzug in die Innerlichkeit. So jedenfalls wurde oft geurteilt, um die Verspätungen Deutschlands in Sachen Demokratie zu erklären. Vielleicht ein zu schnelles Urteil.

Denn immerhin: Von dieser Existenz, von Freiheit und unabhängiger Thätigkeit erhofft sich der 24-jährige Humboldt sehr viel – nämlich den meisten Gewinn für seine höchste und vielseitigste Bildung.

Es geht Humboldt nicht nur um Selbstverwirklichung im privaten Idyll, er hat auch publizistische Ambitionen. [Vielleicht] kann ich, schreibt er in aller Bescheidenheit, wenn mir ein guter Genius ein paar glükliche Stunden gewährt – einiges zu dem beitragen, wozu im Grunde alles Thun und Treiben in der Welt […] nur als Mittel dient, zur Bereicherung oder Berichtigung unserer Ideen

Was Humboldt seinem Freund Forster da aus Burgörner schreibt, ist nicht weniger als das Programm seines Lebens. Seine Maxime lautet: […] bilde Dich selbst und […] wirke auf andre durch das, was Du bist […]. Und es ist natürlich kein Zufall, dass das an den Wahlspruch der Aufklärung erinnert, den Immanuel Kant – im Rückgriff auf die griechische Klassik – wenige Jahre zuvor formuliert hatte: Sapere Aude! Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Sich selbst zu erkennen und er selbst zu werden – diesem Ziel galt Humboldts ganzes Streben in diesen Jahren. Aber sein radikaler Individualismus hatte noch eine zweite Seite: Er war nicht nur auf Wissen und Reden ausgerichtet, sondern auch auf Charakter und Handeln, auf die Übernahme von Verantwortung. Auch Wilhelm von Humboldt wollte die Welt verändern – wenn auch mit anderen Mitteln als die Jakobiner in Paris.

Aber was hat der Preuße von Welt, wie Lothar Gall ihn genannt hat, nun eigentlich beigetragen zur Bereicherung oder Berichtigung unserer Ideen? Was hat der Freund Schillers, der Gesprächspartner Goethes, der Zeitgenosse von Fichte, Schlegel und Schleiermacher, was hat der uns heute noch zu sagen? Warum lohnt es sich, wenn wir uns auf die Spuren seines so wechselvollen Lebens begeben, das ihn ja nicht nur nach Burgörner führte, sondern auch in die Salons der Berliner Gesellschaft, in die geistigen Zentren seiner Zeit, nicht zuletzt in die Metropolen Europas?

Diesen Fragen wollen wir heute nachgehen, gemeinsam mit unseren Gästen Lorraine Daston, Cord-Friedrich Berghahn, Heinz-Elmar Tenorth, Manfred Geier und Heike Schmoll. Ich freue mich, Sie heute Mittag hier begrüßen zu können. Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Schloss Bellevue!

In diesem Jahr, in dem wir seinen 250. Geburtstag feiern, ist einiges über Wilhelm von Humboldt gesagt und geschrieben worden, besonders hier in Berlin, wo er so viele Spuren hinterlassen hat, wo sein Name mit so vielen Institutionen des Wissens eng verbunden ist, von der Universität bis zum Alten Museum.

Schaut man sich die Reden und Artikel an, dann fällt auf, wie viele verschiedene Humboldt-Bilder im Umlauf sind: Für den einen ist er der Coole von der Schule, für den anderen der größte Sprachphilosoph, für den Dritten der erste liberale Staatstheoretiker deutscher Sprache. Das Magazin Cicero hat ihn für eine Titelgeschichte zum liberalen Rebellen erklärt, die Zeit dagegen sieht in ihm ein falsches Vorbild, einen Schutzpatron, der die Hochschulen vor allen Veränderungen bewahrt.

Dass Humboldt alles andere als von gestern ist, das kann man schon daran erkennen, wie sehr er offenbar auch heute noch polarisiert: Während manche ihn loswerden und vom Sockel stürzen wollen, trauern andere seinem Bildungsideal nach oder sehen in ihm eine ewige Figur der Zukunft.

Dass Wilhelm von Humboldt so viel auslöst, dass er so schwer zu fassen ist, hat natürlich mit seiner beeindruckenden Vielseitigkeit, mit der Breite seiner Themen und seiner krummen beruflichen Laufbahn zu tun. Humboldt war ein uomo universale, der sich mit der Philosophie der Antike ebenso beschäftigte wie mit der Kawi-Sprache der Insel Java. Im preußischen Staatsdienst wirkte er als Bildungsreformer, aber auch als Diplomat auf dem Wiener Kongress – bevor er sich, aus Protest gegen die Karlsbader Beschlüsse, wieder einmal zurückzog, diesmal ins Schloss Tegel.

Die Schwierigkeit, Humboldt in den Griff zu bekommen, hat sicher auch damit zu tun, dass er kein systematisches Werk hinterlassen hat, sondern vor allem Briefe, Dekrete, Pläne – und sehr viele Fragmente. Er selbst sprach von „Bruchstücken“, von einer rhapsodischen Philosophie, und er beklagte das Unvollendete seiner publizistischen Bemühungen in einer Selbstbiographie – die bezeichnenderweise unvollendet blieb!

Und ich will es hier heute Mittag nicht verschweigen: Auch Humboldts Schreibstil macht sein Werk manchmal schwer zugänglich – natürlich nicht immer, wir werden ihn nachher selbst mit einigen Stücken aus seinen Schriften zu hören bekommen, gelesen von Frank Arnold. Aber schon Schiller machte sich Sorgen wegen der Formulierungskünste seines Freundes:

Ich fürchte wirklich, er hat zum Schriftsteller kein rechtes Talent […], schrieb er in einem Brief an Christian Gottfried Körner – gestand Humboldt später aber auch Fortschritte zu: Seine Schreibart hat wenigstens Etwas von ihrer Trockenheit und Steifheit verloren, obgleich ihm das alte Uebel immer noch im Wege steht.

Und auch ein anderer Literaturstar der Zeit, ein Mann, der sich Novalis nannte, mokierte sich über den schwerfälligen Humbold. Leicht haben sie es ihm nicht gemacht, seine Freunde und Zeitgenossen!

Dass die Annäherung an Wilhelm von Humboldt so schwierig ist, hat aber noch einen anderen Grund: Im 20. Jahrhundert, lange nach seinem Tod, setzte eine Rezeption ein, die nicht viel mit seinem geschichtlichen Wirken zu tun hatte. Damals wurde ein pathetischer Humboldt-Mythos erschaffen, der bald zu einer bildungspolitischen Allzweckwaffe wurde. Vieles von dem, was bis heute mit Humboldt verbunden wird, geht auf diese erfundene Tradition zurück. Wir müssen deshalb, in guter aufklärerischer Tradition, erst den Schleier der Mythenbildung beiseiteschieben, um einen Blick auf den wahren Humboldt werfen zu können.

Also noch einmal: Was hat uns Wilhelm von Humboldt, der Echte, nicht sein mythischer Doppelgänger, heute noch zu sagen? Was können wir von ihm lernen, ohne ihn pathetisch zu vereinnahmen oder politisch zu instrumentalisieren? Ich kann und will darauf heute Mittag keine abschließende Antwort geben, dafür sind ja die Experten hier. Aber bevor ich das Wort weitergebe, will ich Ihnen doch wenigstens sagen, was Humboldt in meinen Augen zu einem modernen Zeitgenossen macht.

Ich denke, wir können von Humboldt lernen, was Bildung für den Einzelnen gerade in einer modernen Welt bedeutet, die eine Welt im Wandel ist.

Er selbst lebte ja in unsicheren Zeiten, in Zeiten des Übergangs. Die amerikanische Unabhängigkeit, die Französische Revolution, der Beginn des industriellen Zeitalters, der Zusammenbruch Preußens in den napoleonischen Kriegen, dann die preußischen Reformen und dann die Restauration – es waren unzählige Ereignisse und Entwicklungen von historischer Tragweite, die ihn und seine Zeitgenossen umtrieben.

Mit Blick auf die Französische Revolution, die er als junger Mann in Paris miterlebt hatte, schrieb Humboldt:

Wenn aber alles ausser uns wankt, so ist allein noch in unserm Innern eine sichere Zuflucht offen […].

Da ist sie wieder, die Revolutionsfurcht, der Reflex des Rückzugs aus den historisch-politischen Kämpfen auf innere Wahrheiten.

Doch zugleich ist Humboldts Haltung dabei auch: Der Mensch braucht Bildung, um sich in einer Welt des Wandels zurechtzufinden. Bildung ist für ihn die Bedingung der Möglichkeit, Komplexität anzunehmen und mit ihr umzugehen. Im Zentrum seines Denkens steht, wie Sie, lieber Herr Berghahn, einmal gesagt haben, gerade nicht die Reduktion, sondern die Akzeptanz von Komplexität.

Ich finde, dieses Bildungsverständnis ist heute aktueller denn je. Wir leben in Zeiten, in denen vieles ins Wanken gerät, in denen Unsicherheit eine wesentliche Erfahrung ist. Manche Menschen fühlen sich überfordert, weil die Welt so kompliziert geworden ist, weil sich der Wandel so rasend schnell vollzieht, weil immer größere Ströme von Informationen auf uns zulaufen.

Was kann es in dieser Situation, in der manche Angst haben, sich selbst zu verlieren, Wichtigeres geben als Bildung? Wir brauchen sie mehr denn je, um Halt und Orientierung zu finden, aber auch, um wandelbar zu bleiben, um Schritt zu halten mit den Veränderungen. Wir brauchen sie mehr denn je, um selbstbewusst, gelassen und kreativ mit Unvertrautem umgehen zu können.

Auch deshalb sollten wir in diesen Zeiten in Bildung investieren. Und wir sollten dabei nicht den Fehler machen, sie zu eng zuzuschneiden. Gerade weil die Welt, in der wir leben, vieldimensional ist, darf Bildung nicht eindimensional sein. Eine Reduzierung auf technische Intelligenz tut uns nicht gut. Wir brauchen sie natürlich, auf hohem und höchstem Niveau. Aber, und das mögen wir von Humboldt lernen: geistige und sprachliche Bildung, kulturelle Weltzugewandtheit, Werte und Wertungskompetenz in öffentlichen Angelegenheiten, politisches Urteilsvermögen – alles das ist unabdingbar für eine freie Gesellschaft mündiger Bürgerinnen und Bürger. Sie sind und bleiben das Gegenmittel gegen die autoritäre Versuchung und machen sensibel für jede Einschränkung von Freiheit. Das ist heute nicht weniger aktuell als zu Humboldts Zeiten.

Josef Joffe hat recht: Bildung wird im Zeitalter beschleunigter Spezialisierung immer wichtiger. Je spezialisierter der Job, schreibt er, desto genereller muss die Bildung sein. Weil unser Fachwissen oft im Tagestakt veraltet, muss der Ausbildung die Bildung vorangehen, die ein ganzes Leben währt und eine rundere Persönlichkeit hervorbringt. Eine solche breite Bildung, auch da teile ich Joffes Hoffnung, kann junge Menschen eine Navigation lehren, die ihnen die Klippen des Blöden zu umschiffen hilft.

Gerade deshalb ist es so wichtig, dass „der junge Mensch“, wie Humboldt schrieb, in der Schule nicht nur mit dem Lernen selbst, sondern auch mit dem Lernen des Lernens beschäftigt ist. Sich bilden heißt dann auch, Energie zu entwickeln, um eigene Ziele zu erreichen.

Freiheit ist für Humboldt die erste und unerlässliche Bedingung von Bildung. Hinzukommen muss seiner Meinung nach aber noch etwas anderes: die Mannigfaltigkeit der Situationen. Denn, so schreibt er, auch der freiste und unabhängigste Mensch, in einförmige Lagen versetzt, bildet sich minder aus.

Humboldt ist überzeugt: Nur der Wechsel ist wohlthätig. Und das heißt: Wer den Wandel akzeptiert, wer offen bleibt für Veränderung, der kann sich besser entwickeln. Bildung braucht nicht nur Neugier, sondern auch Mut, sich dem Unbekannten auszusetzen, sich etwas Neues zuzutrauen, etwas Schwieriges zu wagen, auch Risiken einzugehen. Sie entsteht aus Anstrengung, aus Zweifel, manchmal auch aus vorläufigem Scheitern. Genau das ist es, was Wilhelm von Humboldt uns vorgelebt hat, und das bleibt sein zeitloses Erbe.

Abschließend: Humboldt hat uns noch einen weiteren Gedanken hinterlassen, den ich für besonders aktuell halte, gerade weil er sich nicht nur auf die Wissenschaft beziehen lässt, sondern auch auf die offene Gesellschaft, auf unsere pluralistische Demokratie.

Wissenschaft, das ist für Humboldt immer beides: Das Forschen in Einsamkeit und Freiheit, aber auch ein ununterbrochenes, sich immer wieder selbst belebendes, aber ungezwungenes […] Zusammenwirken, die Suche nach Austausch und Überprüfung, das Zulassen des Zweifels.

Immer im Forschen bleiben heißt das bei Humboldt. Dieses Prinzip ist für ihn entscheidend: Wir müssen, schreibt er, die Wissenschaft als etwas noch nicht ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes betrachten, und unablässig sie als solche suchen.

Immer im Forschen bleiben – das ist für mich ein Kern des Humboldtschen Denkens. Wissenschaft produziert keine Gewissheiten, keine endgültigen Wahrheiten, sie ist ein unabgeschlossener Prozess, der immer nur vorläufige Antworten auf konkrete Fragen liefert. Deshalb ist sie auch auf die Bereitschaft der Forschenden angewiesen, die eigene Auffassung gegebenenfalls im Lichte des Neuen zu überprüfen und – wo notwendig – auch zu revidieren.

Was darin zum Ausdruck kommt, ist vor allem eine geistige Haltung, eine Haltung der Offenheit und Irritationsbereitschaft. Und genau diese Haltung ist es, die Wissenschaft und Demokratie verbindet, allen Unterschieden zum Trotz: Beide sind auf den öffentlichen Gebrauch aufgeklärter Vernunft angewiesen, beide leben in erster Linie von einer rationalen Streitkultur, von einer Kultur des Vorbehalts, wie Peter Strohschneider gesagt hat.

Heute erleben wir, wie diese Streitkultur vielfältigen Anfechtungen ausgesetzt ist, auch bei uns in Europa.

Sie ist überall dort in Gefahr, wo Unvernunft, religiöser oder ideologischer Fanatismus, Aberglaube und Verschwörungstheorien die Oberhand gewinnen, wo etwa die Evolutionstheorie zur Blasphemie erklärt, der vom Menschen verursachte Klimawandel geleugnet oder die Wirksamkeit von Impfungen verneint wird.

Sie ist in Gefahr, wo der rationale Diskurs gar nicht mehr gesucht wird, wo Fakten absichtlich verfälscht werden, wo Erfundenes als alternative Wahrheit ausgegeben wird, wo die Lüge sich selbstgerecht auf Augenhöhe neben gewonnener Erkenntnis platziert.

Sie ist auch in Gefahr, wo der Respekt vor der Wissenschaft absichtsvoll zerstört wird, wo populistische Vereinfacher Expertise verächtlich machen, wo Komplexität schlicht geleugnet wird.

Sie befindet sich in größter Not, wenn illiberale und autoritäre Regierungen die Wissenschaftsfreiheit einschränken, Universitäten von kritischen Wissenschaftlern säubern, diese unter absurden Vorwürfen des nationalen Verrats vor Gericht zerren und ins Gefängnis werfen, wie wir das heute leider auch in einigen Teilen Europas wieder erleben müssen.

Nicht zuletzt ist die aufgeklärte Streitkultur dann in Gefahr, wenn die Bürger einer Demokratie kein Interesse mehr an der offenen Diskussion haben, wenn sich Teile der Gesellschaft zurückziehen in Echokammern, zwischen denen es keinen Austausch mehr gibt.

Am Schluss seines berühmten Aufsatzes Was ist Aufklärung? wagte Kant eine Diagnose seiner Zeit:

Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? So ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung.

Humboldt war wenig später schon etwas skeptischer:

[Es ist] […] unläugbar, dass auch eben jezt viele sich weit von dem Wege der Vernunft und der ächten Weisheit entfernen, schreibt er – und macht zwei Abwege aus: Während die einen die Wahrheiten selbst leugnen, wollen die anderen nicht räsonnieren, sondern glauben.

Auch heute erleben wir, wie zerbrechlich die Errungenschaft der Aufklärung ist. Es gibt jedenfalls Grund genug, dass wir wieder lernen, für das Erbe von Kant und Humboldt, für die Ideale der Aufklärung und des humanistischen Denkens zu streiten.

Es ist an uns, für eine rationale Streitkultur einzutreten, sie zu bewahren und zu pflegen: Indem wir auch und gerade in Krisen- und Umbruchzeiten an den Mut appellieren, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Indem wir das Gespräch mit anderen suchen, auch das Streitgespräch, statt uns zurückzuziehen. Indem wir nicht hinnehmen, was Juli Zeh über ihr fiktives Dorf Unterleuten geschrieben hat: dass jeder Mensch ein eigenes Universum bewohnt, in dem er von morgens bis abends recht hat.

Dass Wilhelm von Humboldt uns den kritischen Geist der Aufklärung nicht nur vorgetragen, sondern auch vorgelebt hat, das macht ihn in meinen Augen so glaubwürdig, interessant und bis heute wertvoll. Ich bin mir sicher: Seine Ideale können auch heute noch ein Gegengewicht sein zu den Tendenzen der grenzenlosen Vereinfachung, des Rückzugs und der Abschottung.

Alexander von Humboldt, Wilhelms jüngerer Bruder, hat den Sitz der Familien in Tegel einmal als Schloss Langweil bezeichnet. Ich bin mir sicher: Hier im Schloss Bellevue wird es heute Mittag nicht langweilig werden, ganz im Gegenteil. Ich freue mich auf die Urteilskraft und die Ideen unserer Experten – und natürlich auf Wilhelm von Humboldt!

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.