Forum "Werte des Sports" anlässlich 10 Jahre "Hall of Fame des deutschen Sports" und 50 Jahre Deutsche Sporthilfe

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 23. November 2017

Der Bundespräsident hat am 23. November beim Forum "Werte des Sports" anlässlich 10 Jahre "Hall of Fame des deutschen Sports" und 50 Jahre Deutsche Sporthilfe eine Rede gehalten: "Umso größeren Respekt habe ich vor all den Sportlern, die trotz Leistungsdrucks nicht dopen – und verstehe die Empörung über andere, die es tun! Es sind die, die sich weigern, zu verbotenen Substanzen zu greifen, und das immer wieder auch dann, wenn sie ahnen, dass sie gegen Konkurrenten antreten, die sich um dieses Ethos nicht scheren."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache beim Forum „Werte des Sports“ anlässlich 10 Jahre „Hall of Fame des deutschen Sports“ und 50 Jahre Deutsche Sporthilfe in Berlin

Wenn man einer großen Sportorganisation zum Fünfzigsten gratuliert, einer Organisation, deren Gründung man selbst miterlebt hat, dann ist das ein Hinweis darauf, dass man älter wird.

Aber nichtsdestotrotz oder umso mehr bin ich natürlich begeistert, dass Sie mich eingeladen haben mitzufeiern, an dieser Veranstaltung teilzuhaben und ein paar Worte über die Situation des deutschen Sports an Sie zu richten.

Wenn ich einmal ganz früh beginne, dann darf ich noch einmal anknüpfen an das, was Sie alle wissen: dass ich eine gewisse Begeisterung für die Außenpolitik habe. Und für den Außenpolitiker ist die Verbindung mit dem Sport eine ganz natürliche, weil das ein körperlicher Wettstreit ohne kriegerische Zwecke und eine sehr alte und übrigens friedensstiftende Kulturtechnik war, schon in der Antike – damals allerdings, wie die meisten von Ihnen wissen, eine sehr elitäre.

Dass der Zugang zum Training für sportliche Höchstleistungen und dass die reale Chance, sich auf Wettkämpfen weltweit zu bewähren, nicht mehr ein Privileg für wenige ist, sondern für alle herausragenden Talente geöffnet und gefördert wird – diese moderne Idee des Sports ist eng verbunden mit dem Wirken unseres Jubilars, der heute 50 Jahre alt wird.

Die Stiftung Deutsche Sporthilfe ermöglicht es, Ausbildung und Sport, Beruf und Sport zu vereinbaren und greift Tausenden von Athletinnen und Athleten unter die Arme. Darunter sind nicht zuletzt Sportlerinnen und Sportler der paralympischen und deaflympischen Wettkämpfe.

Die Deutsche Sporthilfe ist aus unserer Sportlandschaft einfach nicht mehr wegzudenken. 50 Jahre Sporthilfe – dieses Jubiläum steht für 50.000 geförderte Athletinnen und Athleten und mehr als 400 Millionen Euro Unterstützung und Hilfe. Mehr als 14 Millionen Euro allein in diesem Jahr.

Es ist einfach klasse, dass es Sie gibt. Herzlichen Dank dafür und herzlichen Glückwunsch zum Fünfzigsten!

Ihre Förderleistung ist großartig: Sie hilft uns, die Wege zum Spitzensport zu öffnen, und das nicht nur aus der Zuschauerperspektive, sondern aktiv auf dem Platz, auf der Bahn, auf Schnee und Eis, im und auf dem Wasser, überall.

Wenn wir zurückblicken, sehen wir, dass es durchaus eine Welt ohne diesen Sport gab, wie wir ihn heute kennen. Als in der deutschen Sprache um 1830 durch Fürst Pückler zum ersten Mal das Wort Sport aus dem Englischen erklärt wurde, da lautete dies wie folgt: Sportsman, ist ebenso unübersetzbar wie Gentleman, schrieb Pückler, und weiter: es heißt keineswegs bloß Jäger, sondern einen Mann, der alle Vergnügungen dieser Art oder auch nur mehrere davon mit Leidenschaft und Geschick treibt: Boxen, Pferderennen, Entenschießen, Fuchshetzen, Hahnenkämpfe etc., alles ist sport.

Ein paar Jahre sind vergangenen seit 1830, und von den aufgezählten Sportarten sind nicht alle olympisch geworden. Vor allem aber lässt sich erkennen, welche Gesellschaftsschichten dem Sport überwiegend zugewandt waren und welche nicht. Moderner Sport ist heute nicht mehr Unterscheidungsmerkmal der Klassen, sondern moderner Sport gehört allen.

Eine Welt ohne Sport für alle können wir uns heute nicht mehr vorstellen. Und diese Idee des Sports als sozial verbindendes Element, im Vereinsleben, als Ort der Integration von Menschen verschiedener Herkunft, sie ist uns wertvoll und wichtig geworden.

Rund die Hälfte der Deutschen treibt Sport. Entweder allein: Aus Gesundheitsgründen geht man joggen oder schwimmen oder ins Sport-Studio. Oder man trifft sich mit Freunden in der Nordic-Walking-Gruppe, zum Free-Style-Climbing oder zum Samstags-Nachmittags-Kick auf dem Bolzplatz. Viele sind in Vereinen aktive Mitglieder, spielen Fußball und Handball, machen Leichtathletik oder Kampfsport, widmen sich Tennis oder Golf. Und viele, sehr viele, die selber nicht mehr aktiv Sport treiben können oder wollen, sind in Vereinen aktiv als Trainer, Jugendbetreuer, Vorstände, Kassenprüfer, Platz- und Zeugwarte oder wie auch immer. Im Sport wirkt millionenfach das Ehrenamt, das unser Land auszeichnet und stark macht.

Sport ist von einer ursprünglich elitären Veranstaltung zu einer Volksbewegung geworden, oder noch mehr: ein Bezugspunkt, der für Menschen aller Schichten und Generationen der Gesellschaft noch gemeinsames Erleben und gemeinsame Erfahrung sein kann – will sagen: Sport lässt sich eben nicht am Smartphone erledigen. Wo es immer mehr isolierte, distanzierte und voneinander getrennte Wahrnehmungsblasen gibt, gerade da sind solche gemeinsamen Erfahrungen und Erinnerungen wertvoll.

Es gibt sicher auch Menschen, die keinen Sport treiben, aber die meisten sagen heute vermutlich nicht mehr – wie Churchill damals – No sports!, sondern ihnen fehlen entweder der eigene Ehrgeiz oder die für den Breitensport so wichtige gesellschaftliche Einbindung oder die Angebote. Wir wünschen uns, dass diese Angebote immer wieder neu entwickelt werden, dass traditionsreiche Vereine überleben und auch wieder jüngere Mitglieder gewinnen – auch und gerade in den kleinen Städten und in den ländlichen Regionen.

Neben dem eigenen Sporttreiben gibt es, und wir alle haben unseren Vorteil davon, ein durchgehend großes Interesse am Spitzensport. Ohne dieses gesellschaftlich große Interesse, ja die Begeisterung, gäbe es den Spitzensport in der Form, in der wir ihn heute kennen, nicht. Ganz besonders erwacht die Begeisterung bei den großen internationalen Ereignissen wie den Europa- und Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen.

Sicher ist es gerade diese Begeisterung des Publikums, die wir brauchen, damit die Unterstützung des Leistungssports funktioniert. Volle Stadien und die auf den Rängen mitfiebernden Fans, das wünschen wir uns für Wettkämpfe, die zum Ereignis werden und uns dann hoffentlich positiv in Erinnerung bleiben. Man darf auch nicht übersehen: Zwei Drittel der Finanzmittel, mit denen die Sporthilfe fördert, stammen aus privaten Spenden. Es ist eine ganz entscheidende Qualität des modernen Sports, dass die Fans hinter ihm stehen und die gesamte Gesellschaft Anteil nimmt. Und das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass Förderer und Sponsoren gefunden werden können.

Zwei Dinge sind mir aufgefallen. Das eine ist: Das Logo der Deutschen Sporthilfe ist eine Pyramide. Früher war sie mit deutlich erkennbarer, abgehobener Spitze, von oben dargestellt, in der Draufsicht. Das jetzige Symbol ist immer noch eine Pyramide, jetzt aber ohne abgesetzte Spitze und in Untersicht: Die Pyramide wird heute von der Basis aus gezeigt. Auch das ist ein Bekenntnis. Daraus lese ich: Der Spitzensport soll in einer organischen Verbindung stehen mit der Basis, nicht gänzlich losgekoppelt sein von den Erfahrungen und den Werten des Breitensports.

Und das zweite, das mir positiv aufgefallen ist: Neben der finanziellen und organisatorischen Hilfe bei Training und Wettkampfvorbereitungen hilft die Deutsche Sporthilfe auch aktiv dabei, berufliche Orientierung für die Zeit nach dem Sport zu finden. Ich finde das besonders wichtig, denn so bekommen die Sportlerinnen und Sportler eine Perspektive, die sie freier und souveräner gegenüber manchen Versuchungen macht, sozusagen mit allen Mitteln in ihrer aktiven Zeit für die Zukunft vor- oder auszusorgen.

Spitzensport ist dem Staat und den privaten Förderern eine Menge wert. Dass Menschen durch körperliche Spitzenleistungen eine große gesellschaftliche Bedeutung erreichen können, das ist nicht neu, das ist schon seit den Olympischen Spielen im antiken Griechenland so. Den Siegern wurden nicht nur Kränze gewunden. Legenden und Anekdoten verbreiteten sich, und sie bekamen Statuen aufgestellt. Sieger waren damals Stars, und sie sind es auch heute noch.

Seit fast zehn Jahren gibt es deshalb die Hall of Fame des Sports, in der die Helden der deutschen Sportgeschichte einen Ehrenplatz erhalten. Eine Ruhmeshalle, in die man wegen absolut herausragender sportlicher Höchstleistungen aufgenommen wird – aber nur wer nie wissentlich oder vorsätzlich gegen die zu seiner Zeit gültigen Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen und zugleich stets die zentralen Werte des Sports wie Fairplay, Toleranz und Miteinander geachtet hat.

Die Deutsche Sporthilfe und die Hall of Fame stehen damit beispielgebend für die Werte des Sports.

Ich bin mir ganz sicher, sowohl die Athleten wie auch wir Zuschauer und Fans, wir alle wollen, dass diese Werte bleiben: Fairness üben, sich an die Regeln halten, den Gegner als Konkurrenten, nicht als Feind sehen, keine faulen Tricks anwenden, keine verbotenen Substanzen einnehmen, jeden Konkurrenten gleich wertschätzen, ohne Ansehen von Herkunft oder Religion oder politischer Überzeugung, dem verdienten Sieger gratulieren, den Verlierer nicht demütigen.

Wir wünschen sie uns von klein auf, die Helden und Vorbilder, die sich so verhalten, und darum ist eine Hall of Fame eine gute Sache.

Zwei Regelverstöße sind es vor allem, die den Sport gefährden: Korruption und Doping.

Wir müssen auf die Lebensgeschichten von Sportlern hören, die sich eines Tages zur Wahrhaftigkeit entschieden haben und von ihrer Doping-Biographie berichten. Manche sind aufgrund des Drucks, manche durch völlig übersteigerten Ehrgeiz, manche gegen ihren ursprünglichen Willen und ihre eigentliche Überzeugung auf die schiefe Bahn geraten – oder aber sie haben Verlockungen nachgegeben.

Umso größeren Respekt habe ich vor all den Sportlern, die trotz Leistungsdrucks nicht dopen – und verstehe die Empörung über andere, die es tun! Es sind die, die sich weigern, zu verbotenen Substanzen zu greifen, und das immer wieder auch dann, wenn sie ahnen, dass sie gegen Konkurrenten antreten, die sich um dieses Ethos nicht scheren. Es sind diese Sportler, die sich den schwer zumutbaren Eingriffen des Dopingkontrollsystems in ihre Privatsphäre geduldig unterziehen – und trotzdem Höchstleistungen erbringen. Ich finde, das sind die wahren Helden und Vorbilder, die der Sport verdient.

Wenn wir diese Athleten als Vorbilder würdigen und unterstützen wollen, dann müssen wir – und hier schließe ich neben den Sportfunktionären auch die Politik mit ein – das IOC unterstützen und in die Lage versetzen, ein wirksames, effektives internationales Dopingkontrollsystem zu etablieren und danach auch zu verfahren. Denn nur eine international verbindliche Lösung, an die sich dann auch tatsächlich alle Verbände halten, kann das Problem letztlich bewältigen, kann seiner letztlich Herr werden. Nun ist auch das IOC selbst mit reichlich internen Problemen belastet. Aber die müssen gelöst werden. Denn am Ende bleibt es dabei: Es geht nur mit einer international handlungsfähigen olympischen Organisation. Aufklärung von Fehlverhalten in der eigenen Organisation müssen wir betreiben und damit auch wieder eigene Autorität für die Zukunft gewinnen. Alle Sportfunktionäre jedenfalls, die diesen steinigen Weg gehen, verdienen Beifall und vor allen Dingen viel Ermutigung.

In einer Welt des Sports, die den Betrug bekämpft, können unsere Kinder und auch wir Erwachsenen echte Helden und Vorbilder haben, denen wir von ganzem Herzen zujubeln. Nur so bewahren wir den Sport, wie wir ihn alle miteinander lieben.

Wir brauchen transparente Sportorganisationen. Wir brauchen Sponsoren, die sich anschließen und die Anti-Doping-Bewegung stärken. Wir brauchen handfeste Ethikregeln. Wir müssen uns auf den Weg machen, noch mehr Verbündete zu suchen und den Mut zu finden, dort, wo es notwendig ist, auch neu anzufangen, gerade damit all das Schöne und Wertvolle, das Mitreißende und Begeisternde, das uns am Sport so fasziniert, dass uns all das nicht verlorengeht, sondern in neuem Glanz erstrahlen kann. Dann sollten wir auch dazu kommen, dass sportliche Großereignisse, auch olympische Spiele, nicht nur akzeptiert, sondern auch in Zukunft wieder gewollt werden.

Die Deutsche Sporthilfe ist uns dabei ein Vorbild und ein Ansporn zugleich. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute – und uns allen, den Freunden des Sports, viel Phantasie und Ausdauer beim Finden neuer Wege, dort, wo es notwendig ist.

Mit 50 ist man in den besten Jahren, also Glück auf und herzlichen Glückwunsch!