Chanukka-Empfang zum Auftakt des Jubiläumsjahres 2018 "70 Jahre Staatsgründung Israel"

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 15. Dezember 2017

Der Bundespräsident hat am 15. Dezember zum Auftakt des Jubiläumsjahres 2018 "70 Jahre Staatsgründung Israel" eine Ansprache gehalten: "Und nichts weniger als ein Wunder war es auch, als mutige Frauen und Männer, auf beiden Seiten, in Israel und in Deutschland, sich auf den unendlich schweren, unendlich schmerzhaften Weg der Annäherung gemacht haben. Über den Abgrund der Geschichte hinweg, haben sich Deutsche und Israelis die Hand gereicht."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede in der Residenz des Botschafters des Staates Israel, Jeremy Issacharoff, in Berlin anlässlich des Auftakts des Jubiläumsjahres 2018 '70 Jahre Staatsgründung Israel'

Ich freue mich sehr, mit Ihnen gemeinsam das Chanukka-Fest feiern zu dürfen. Es ist in der jüdischen Tradition ein besonders fröhliches, herzliches, familiäres Fest. Deshalb, verehrter Herr Botschafter, herzlichen Dank für die Einladung!

Aber, liebe Freunde, ich will ganz ohne Umschweife auf das zu sprechen kommen, was mir auf der Seele liegt. In derselben Woche, in der unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger die Kerzen ihrer Chanukkia entzünden, haben auf deutschen Plätzen israelische Fahnen gebrannt. Das erschreckt mich, das entsetzt mich, aber vor allen Dingen beschämt es mich.

Der Antisemitismus ist nicht überwunden, auch nicht in unserem Land, und er zeigt sein böses Gesicht in vielfältigem Gewand: In extremen Handlungen wie dem Verbrennen der israelischen Fahne, den tumben Parolen von Hass und Gewalt. Aber auch in dem weniger lauten Pflegen und Verbreiten von Vorurteilen gegenüber dem, was manche für das eigentlich Jüdische halten. Und er zeigt sich, wenn völkisches Gedankengut wieder Einzug hält in politische Reden. Nichts davon, keinen lauten Antisemitismus, keinen leisen, keinen alten und keinen neuen, dürfen wir in Deutschland hinnehmen – Antisemitismus darf keinen Platz haben in dieser Republik!

Ich habe gestern mit dem israelischen Präsidenten, meinem Freund Reuven Rivlin, telefoniert und meine Botschaft an ihn war: Dass die einseitige Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt einen Beitrag zu einem friedlicheren Nahen Osten leistet, daran kann man mit guten Gründen zweifeln. Die Position Deutschlands dazu ist bekannt und meine auch. Aber das rechtfertigt keinen Hass gegen Israel und keine Herabwürdigung unserer jüdischen Bürgerinnen und Bürger auf Deutschlands Straßen und Plätzen.

Ja, wir leben wohl in einer Zeit voller Unruhe – im Nahen Osten, auch in Europa – in einer Zeit der Veränderungen ganz offenbar.

Aber es gibt eben Dinge, die sich nicht verändern. Es gibt feste Größen und es muss sie geben. Es gibt Dinge, die gehören zu Deutschland. Und dazu gehört die Verantwortung vor unserer Geschichte: die Lehren zweier Weltkriege, die Lehren aus dem Holocaust, die Verantwortung für die Sicherheit Israels, die Absage an jede Form von Rassismus und Antisemitismus.

Diese Verantwortung kennt keine Schlussstriche, nicht für Nachgeborene und auch nicht für diejenigen, die später hinzugekommen sind. Sie ist unverhandelbar – für alle, die in Deutschland leben und hier leben wollen!

Wer also auf deutschen Plätzen die israelische Fahne in Brand setzt, der zeigt nicht nur einen unerträglichen Hass auf Israel, sondern der versteht nicht oder respektiert nicht, was es heißt, deutsch zu sein. Und dann ist der deutsche Staat auch besonders gefordert, sich mit Klarheit zu bekennen und einzuschreiten, wo es notwendig ist!

Nur wenn Juden in Deutschland vollkommen zu Hause sind, ist diese Republik vollkommen bei sich.

Gerade deshalb ist mir wichtig, an das Licht zu erinnern, das hier an diesem Leuchter brennt und das ein Symbol von in wunderbarer Weise erfüllten Hoffnungen ist. Die Überlieferung sagt, dass nur noch ein Krug geweihten Öls vorhanden war, um das ewige Feuer der Menora im Tempel am Brennen zu halten. Eigentlich reichte dieses Öl nur für einen einzigen Tag. Doch das Licht brannte acht Tage lang – bis neues Öl zur Stelle war.

Das ist das Wunder von Chanukka – und erreicht haben es die, die mit größtem Eifer das neue Öl herbeigeschafft haben – allen Zweiflern und aller Kleingläubigkeit zum Trotz. Am Ende wurden die Hoffnung und die Zuversicht belohnt, dass auch das scheinbar Unmögliche möglich werden kann.

Ähnlich muss es den Frauen und Männern ergangen sein, die sich nach dem Abgrund der Shoah daran gemacht haben, die Vision einer jüdischen Heimstatt im Staate Israel zu vollenden. Nächstes Jahr feiern Sie 70 Jahre Unabhängigkeit und wir feiern mit!

Und nichts weniger als ein Wunder war es auch, als mutige Frauen und Männer, auf beiden Seiten, in Israel und in Deutschland, sich auf den unendlich schweren, unendlich schmerzhaften Weg der Annäherung gemacht haben. Über den Abgrund der Geschichte hinweg, haben sich Deutsche und Israelis die Hand gereicht.

Die jüngste Geschichte ist wahrlich nicht reich an Wundern. Umso dringender müssen wir die bewahren, die es gab. Nes Gadol Haja Scham. Nes Gadol Haja Po.Ein großes Wunder geschah dort. Ein großes Wunder geschah hier.

Bewahren wir dieses, unser Wunder.

Herzlichen Dank.