Neujahrsempfang zu Ehren engagierter Bürgerinnen und Bürger

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 9. Januar 2018

Der Bundespräsident hat am 9. Januar beim Neujahrsempfang zu Ehren engagierter Bürgerinnen und Bürger eine Ansprache gehalten: "Sie alle haben etwas gemeinsam: Ihnen ist nicht gleichgültig, wie wir miteinander und wie wir mit unserer Umwelt umgehen. Sie finden sich nicht einfach ab mit den Gegebenheiten. Sie klagen nicht in der Sofaecke, sondern packen da an, wo es etwas zu tun gibt. Sie alle stärken, auf ganz verschiedene Weise, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenebnder bei der Begegnung mit Hatice Arslan und Zühre Arslanca aus Waldkirch beim Defilee in Schloss Bellevue anlässlich des Neujahrsempfangs des Bundespräsidenten 2017

Das neue Jahr beginnt ungefähr so, wie das alte aufgehört hat: Die Regierungsbildung ist Gesprächsthema Nummer eins, hier in Berlin und ich vermute auch außerhalb von Berlin, in allen Regionen Deutschlands. Alle Blicke richten sich auf die Parteien, auf die Spitzenvertreter, von denen Sie vielleicht eben ein paar gesehen haben. Alle fragen sich, wie es nun weitergehen kann, wie es weitergehen soll – und das völlig zu Recht.

Aber dieser Neujahrsempfang hier im Schloss zeigt eben auch: Unsere Demokratie, unser Land ist stark, und das auch in politisch bewegten Zeiten. Sie ist stark, diese Demokratie, weil es unzählige Menschen gibt, die sich auf vielfältige Art und Weise für das Gemeinwesen engagieren, auch jenseits der Hauptstadt und abseits des Scheinwerferlichts.

Meine Damen und Herren, unsere Demokratie ist stark, weil es in allen Teilen der Republik Menschen wie Sie gibt: Bürgerinnen und Bürger, die freiwillig Verantwortung übernehmen und für andere da sind, die sich ehrenamtlich engagieren in Vereinen und Institutionen, die in Städten und Dörfern Lebensqualität erhalten oder wieder schaffen – und das Tag für Tag, oft neben Beruf und Familie und über Jahre und Jahrzehnte hinweg.

Unser Land, unsere liberale Demokratie, ist stark und wehrhaft, weil es Menschen wie Sie gibt, die Menschenwürde, Weltoffenheit und Toleranz gegen alle Anfechtungen verteidigen, und zwar mitten im öffentlichen Leben, in Ratsstuben und Sporthallen, auf Straßen und auf Plätzen.

Und ich weiß, oft sind es ehrenamtlich Engagierte, die als erste in Situationen geraten, in denen es gilt, Zivilcourage zu zeigen, auch Hass und Gewalt die Stirn zu bieten – etwa dann, wenn andere Menschen beleidigt, bedroht oder ausgegrenzt werden oder wenn, wie neuerdings, aggressiver Nationalismus, religiöser Fanatismus, Fremdenfeindlichkeit, auch Antisemitismus, wenn die alle ihr böses Gesicht zeigen.

Oft sind es Menschen wie Sie hier im Saal, die dann nicht wegsehen oder weghören, sondern immer wieder Mut und Rückgrat zeigen.

Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass Sie heute hier sind. Frauen und Männer, Jüngere und Ältere, Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Glaubens aus allen 16 Bundesländern. Herzlich willkommen Ihnen allen hier im Schloss Bellevue.

Sie alle haben etwas gemeinsam: Ihnen ist nicht gleichgültig, wie wir miteinander und wie wir mit unserer Umwelt umgehen. Sie finden sich nicht einfach ab mit den Gegebenheiten. Sie klagen nicht in der Sofaecke, sondern packen da an, wo es etwas zu tun gibt. Sie alle stärken, auf ganz verschiedene Weise, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Das Wichtigste, was ich Ihnen sagen will, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Dankeschön! Ich danke Ihnen von Herzen für Ihr wirklich großes Engagement. Ohne das, was jede und jeder Einzelne von Ihnen tut, ohne das wäre unser Land ärmer und unsere Demokratie bei Weitem nicht so stabil.

Man muss sich nur einmal vorstellen, was alles in Deutschland fehlen würde, wenn es Menschen wie Sie nicht gäbe.

Viele der Ehrengäste, die heute hier sind, begleiten und unterstützen zum Beispiel Flüchtlinge, helfen ihnen beim Ankommen in unserer Gesellschaft. Sie leisten damit auch einen unverzichtbaren Beitrag für das friedliche Zusammenleben von Menschen hier bei uns, von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, ganz unterschiedlicher Kultur und ganz unterschiedlicher Religion.

Andere pflegen und bewahren Brauchtum, Traditionen, Sprachen ihrer Region – oder sie erhalten und wecken ganz allgemein das Interesse an Geschichte, Kunst und Kultur, nicht zuletzt auch bei Kindern und Jugendlichen. Sie alle tragen dazu bei, dass in unserem weltoffenen Land viele unterschiedliche Menschen tatsächlich ein Zuhause finden können.

Ich freue mich, dass heute eine Frau aus Baden-Württemberg hier ist, die sich für die Entwicklung des jüdischen Lebens in Deutschland einsetzt. Das kann man gar nicht genug würdigen, gerade in einer Zeit, in der wir – auch hier in Berlin – jüngst erleben mussten, wie auf deutschen Plätzen israelische Fahnen verbrannt wurden.

Wir haben heute Bürgerinnen und Bürger hier, die sich für Obdachlose und Bedürftige engagieren oder sich um die Opfer von Gewalt und Vernachlässigung kümmern. Andere setzen sich für Umwelt- und Naturschutz ein. Sie fördern das Bewusstsein, das wir brauchen, um unsere Lebensgrundlagen auch für die kommende Generation zu erhalten.

Wir haben Männer und Frauen hier, die dafür arbeiten, dass Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können – gleichberechtigt, vor allen Dingen auch möglichst selbstbestimmt. Wieder andere betreuen alte Menschen und engagieren sich für ein gutes Miteinander von Jung und Alt in unserer Gesellschaft.

Besonders schön finde ich, dass auch eine junge Frau hier im Saal ist. Eine Frau aus dem Saarland, die sich in einer überparteilichen Jugendbewegung für ein vereintes Europa einsetzt – auch das kann man in diesen Zeiten gar nicht genug würdigen.

Auf keinen Fall will ich die Feuerwehrleute und Lebensretter vergessen, die stillen Helden, die immer da sind, wenn irgendwo Hilfe gebraucht wird.

Eine dramatische Geschichte, die wir so oder so ähnlich immer wieder hören, hat sich im vergangenen Winter im Saarland zugetragen: Ein Mann brach dort während der Arbeit zusammen, mitten in der Werkhalle. Er wurde ohnmächtig, erlitt einen Herzinfarkt. Und unter uns ist heute sein Kollege, der damals sofort zur Stelle war, fachgerecht Erste Hilfe leistete – und ihm auf diese Weise nicht weniger als das Leben rettete.

Ich will auch diejenigen nicht vergessen, die, fernab der Städte, das Leben auf dem Land, in den Dörfern attraktiv halten: Die vielen, die in Sportvereinen aktiv sind, die sich in Gemeinde- und Kreisräten engagieren, die Tanzfeste organisieren oder Bürgerbusse auf die Straße bringen. Besonders beeindruckend finde ich, dass die meisten von Ihnen gleich in mehreren Vereinen und Initiativen mitmachen. Manche von Ihnen haben auf diese Weise eine Vielzahl von Ämtern, ich sollte eher sagen: von unterschiedlichen Verantwortungen auf ihre eigenen Schultern geladen.

Wir haben heute Mittag Menschen hier, die ihr Dorf oder ihre Kleinstadt ganz einfach deshalb beleben, weil sie da sind und andere mit ihrer positiven Lebenseinstellung anstecken. Es sind Menschen, die oft nicht mit spektakulären Aktionen auffallen – so wie der Schuhmacher aus Osterwieck in Sachsen-Anhalt, der nicht nur ein großartiger Handwerker ist, sondern, wie uns berichtet worden ist, immer auch ein Ohr für die Sorgen seiner Mitbürger hat. Heute muss seine Stadt im Harz allerdings mal ohne ihn auskommen, denn er ist natürlich hier unter uns.

Sie alle haben sich in besonderer Weise verdient gemacht um das Gemeinwohl. Ihre Ideen und Ihre Tatkraft sind es, die unser Land lebenswert und unsere Demokratie stark machen. Wir wissen auch: Oft sind es die engagierten Bürger, die der Politik entscheidende Impulse zur Veränderung geben.

Für das Jahr 2018, für dieses neue Jahr, wünsche ich Ihnen die Kraft, Ihre Arbeit fortzuführen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder neue Mitstreiter finden. Und Sie dürfen ruhig weitersagen, was Sie alles Gutes tun und was Sie dabei antreibt. Ich sage das deshalb, weil ich weiß: bürgerschaftliches Engagement kostet ja nicht nur viel Zeit, es kostet manchmal auch Nerven, aber es gibt einem auch viel zurück, weil es Sinn stiftet und Freude macht.

Bei einem Bürgerempfang in Bayern habe ich vor Kurzem eine schon etwas betagtere Frau getroffen, die sage und schreibe 65 Jahre lang ehrenamtlich für das Rote Kreuz gearbeitet hat. Als ich mich bei ihr bedankt habe, sagte sie: Wissen Sie, es ist kein Dank notwendig. Wenn ich zurückschaue, habe ich in den 65 Jahren mehr bekommen, als ich gegeben habe.

Meine Damen und Herren, auf eines können Sie sich verlassen: Es wird gesehen, was Sie leisten, und es wird anerkannt.

Jetzt habe ich doch mehr gesagt als nur ein Wort, ich will das Wichtigste aber noch mal wiederholen:

Ihnen allen ein herzliches Willkommen und einen herzlichen Dank. Schön, dass Sie hier sind. Danke.