Staatsbankett in der Republik Indien

Schwerpunktthema: Rede

New Delhi/Indien, , 24. März 2018

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat beim Staatsbankett, gegeben vom indischen Präsidenten, Ram Nath Kovind, am 24. März eine Ansprache gehalten: "Indien und Deutschland haben einander viel zu bieten. Wir können gemeinsam Technologien weiterentwickeln, neue Entwicklungschancen erarbeiten und im Umweltschutz gemeinsam vorankommen. Wir können aus der bilateralen Zusammenarbeit Beiträge zur Lösung globaler Fragen leisten, etwa im Bereich des Klimaschutzes – gerade wenn diese Fragen derzeit von anderen ignoriert werden."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede beim Staatsbankett gegeben vom Präsidenten der Republik Indien, Ram Nath Kovind, und seiner Frau Savita Kovind in ihrem Amtssitz in New Delhi anlässlich des Staatsbesuchs in Indien

Zunächst möchte ich Ihnen, Herr Präsident, sehr für Ihre Gastfreundschaft danken. Uns verbindet, dass wir beide im vergangenen Jahr neu ins das Präsidentenamt unserer Länder gekommen sind. Umso mehr freue ich mich, Sie bei diesem Staatsbesuch nun auch persönlich kennenzulernen. Ihre großzügige Einladung zu diesem Staatsbankett in den Rashtrapati Bhavan sehe ich als Zeichen der guten Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Herzlichen Dank dafür.

Auch bei Ihnen, lieber Herr Premierminister, möchte ich mich bedanken. Ich empfinde es als eine große Ehre, dass Sie uns mit dem gemeinsamen Besuch der wunderbaren Gärten der Sunder Nursery heute eine Gelegenheit gegeben haben, an unser Gespräch im Schlossgarten von Bellevue in Berlin vergangenes Jahr anzuknüpfen. Da scheint sich eine schöne Tradition zu entwickeln.

Ich war schon als Außenminister einige Male in Indien und freue mich umso mehr, dass ich in den letzten Tagen in Varanasi und in Delhi so viele neue Eindrücke sammeln und so viele interessante Persönlichkeiten kennenlernen konnte. Ich sehe aber auch viele altbekannte Gesichter, und deute das gern als Zeichen der Verbundenheit unserer beiden Länder. Sie hören es schon heraus. Ich bin gern hier in Indien – in meinen deutschen Augen ist jeder Besuch hier immer wieder eine bemerkenswerte Erfahrung.

Dabei bin ich weder der erste noch der einzige Deutsche, der von Indien fasziniert ist. Spätestens seit den bahnbrechenden Forschungen von Max Müller gibt es in Deutschland eine große Neugier auf Ihr Land und auf die indische Zivilisation. Sie zieht sich bis in die Gegenwart, man kann sie am Straßenbild unserer Städte und in manchen Teilen unserer Alltagskultur buchstäblich ablesen. Mein Eindruck ist, dass es sich auch um ein gegenseitiges Interesse handelt, wenn ich etwa auf die vielen indischen Studierenden und Forscher blicke, die gern und in großer Zahl an deutsche Universitäten kommen. All das sehe ich als eine wertvolle Grundlage für die Beziehungen zwischen unseren Ländern – darauf können und sollten wir aufbauen.

Ich jedenfalls habe größten Respekt vor dem, was in Indien über die vergangenen Jahrzehnte geleistet wurde. Die Menschen hier ringen schon seit vielen Jahrhunderten darum, in Toleranz und gegenseitigem Respekt mit einer immensen kulturellen und religiösen Vielfalt umzugehen. Trotz aller Rückschläge verfügt Indien damit über einen Schatz, um den andere Länder Sie beneiden. So ist es nur naheliegend, dass eines der Ziele meines Besuchs auch darin liegt, diese Erfahrung besser zu verstehen.

Ich habe allerdings ebenso großen Respekt vor den Herausforderungen, die noch vor Ihnen liegen. Immer neue Generationen junger Menschen in Indien fordern Jahr für Jahr eine Perspektive auf Teilhabe und Beschäftigung. Wir können nur ahnen, wie groß diese Aufgabe ist. Auch in Deutschland beruhen wirtschaftlicher Erfolg und soziale Stabilität zu einem guten Teil darauf, dass die Menschen eine faire Chance haben, ihre Talente zu entwickeln und zu entfalten. Natürlich ist es alles andere als einfach, diesen Zustand zu erhalten. Stillstand können wir uns in beiden Ländern nicht leisten – und auf der Suche nach neuer Dynamik richtet sich der deutsche Blick selbstverständlich auch auf Indien. Wir erkennen die vielen hervorragenden Talente als große Chance, und wir sehen viele Gelegenheiten für Investitionen sowie für wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit. Ich bin auch hier, um diese Chancen sichtbar zu machen und zu befördern.

Aber in einer Welt, in der vielerorts dem Prinzip Jeder gegen Jeden das Wort geredet wird, setzen wir auch auf Indien als einen Partner, der sich für eine internationale Ordnung einsetzt, die auf gegenseitigem Respekt und vereinbarten Regeln gründet. Wir werden uns immer klarer darüber, was Indien und Deutschland gemeinsam für eine solche Ordnung tun können – etwa für die Sicherheit und Freiheit der Seewege oder für die Zukunft des internationalen Handels. In beiden Bereichen können wir als große Handelsnationen nicht daran interessiert sein, dass bestehende Ordnungssysteme und das Völkerrecht ausgehöhlt werden.

Indien und Deutschland haben einander viel zu bieten. Wir können gemeinsam Technologien weiterentwickeln, neue Entwicklungschancen erarbeiten und im Umweltschutz gemeinsam vorankommen. Wir können aus der bilateralen Zusammenarbeit Beiträge zur Lösung globaler Fragen leisten, etwa im Bereich des Klimaschutzes – gerade wenn diese Fragen derzeit von anderen ignoriert werden. Und wir können uns gemeinsam für eine offene, regelbasierte internationale Ordnung einsetzen. Mein Staatsbesuch ist Ausdruck unseres Wunsches nach einer neuen Dynamik in unseren Beziehungen. Ich bin zuversichtlich, dass das enorme Potential unserer Zusammenarbeit in Kultur, Wirtschaft, und auf internationaler Ebene in den nächsten Jahren reiche Früchte tragen wird.

Vielen Dank für Ihren freundlichen Empfang und für Ihre Aufmerksamkeit.