Mittagessen mit dem Präsidenten der Republik Kolumbien

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 9. Mai 2018

Der Bundespräsident hat am 9. Mai bei einem Mittagessen mit dem kolumbianischen Präsidenten Santos in Schloss Bellevue eine Ansprache gehalten: "Obwohl das Risiko des Scheiterns immens war und es viele strukturelle Hindernisse zu überwinden galt, haben Sie bewiesen, dass Frieden möglich ist. Sie haben damit weit über Kolumbien hinaus ein Zeichen gesetzt: Dafür, dass die Zukunft gestaltbar ist und dass der Wille und die Beharrlichkeit eines mutigen Menschen den Lauf der Geschichte in Richtung einer besseren, friedlicheren Zukunft ändern können."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Tischrede anlässlich des Besuchs des Präsidenten der Republik Kolumbien, Juan Manuel Santos Calderón, im Schinkelsaal von Schloss Bellevue

Nochmals ein herzliches Willkommen in Schloss Bellevue! Es ist mir eine große Ehre und Freude, mich für die Gastfreundschaft revanchieren zu können, die Sie mir im vergangenen Jahr bei meinem Besuch Kolumbiens auf meiner allerletzten Reise als Außenminister zuteilwerden ließen.

Wenn ich unseren Archiven glauben darf, waren Sie in Berlin zuletzt 2011 zu Gast, kurz nach Ihrer Wahl in das Präsidentenamt. Nun nähert sich Ihre zweite Amtszeit als Präsident dem Ende. Dies bietet uns einen passenden Rahmen, um eine Würdigung dessen zu versuchen, was Sie in diesen acht Jahren für Kolumbien und weit darüber hinaus erreicht haben.

Nach Ihrem ersten Amtsantritt haben Sie rasch die Beziehungen zu Kolumbiens Nachbarstaaten Ecuador und Venezuela verbessert. Es gab auch schon deutliche Fortschritte in der allgemeinen Sicherheitslage. Aber kaum jemand hätte damals auch nur im Entferntesten für möglich gehalten, dass ein Friedensabkommen mit den wesentlichen Guerilla-Gruppen geschlossen werden könnte.

Sie schritten jedoch ohne zu zögern zur Tat. Die Friedensgespräche zwischen Ihrer Regierung und der FARC begannen 2012 in Oslo, wobei die Länder Kuba und Norwegen als Garanten dienten und Venezuela und Chile den Prozess begleiteten. Ich will hier nicht das ganze Auf und Ab in einem komplexen Verhandlungsprozess nachzeichnen. Aber immer wieder waren Sie es, der mit entschlossenem persönlichem Einsatz dafür sorgte, dass der Prozess in der Spur blieb. Im September 2016 wurde das Friedensabkommen mit der FARC unterzeichnet. Sie konnten sich bei einer Volksabstimmung über das Abkommen nicht durchsetzen, dafür aber erneut gewährleisten, dass der Friedensprozess im Kern erhalten blieb, so dass das Abkommen im November 2016 doch noch in Kraft treten konnte. Die Verleihung des Friedensnobelpreises im Dezember 2016 war die verdiente internationale Anerkennung Ihres leidenschaftlichen Kampfes für den Frieden nach Jahrzehnten der Gewalt, die mehr als 300.000 Menschen das Leben gekostet und Millionen zu Vertriebenen gemacht hat.

Für das, wofür Sie angetreten sind und was Sie dann auch erreicht haben, empfinde ich persönlich den allergrößten Respekt. Und dass es dabei auch Gegenstimmen und Auseinandersetzungen gibt, schmälert Ihre Verdienste in keiner Weise – ganz im Gegenteil. Obwohl das Risiko des Scheiterns immens war und es viele strukturelle Hindernisse zu überwinden galt, haben Sie bewiesen, dass Frieden möglich ist. Sie haben damit weit über Kolumbien hinaus ein Zeichen gesetzt: Dafür, dass die Zukunft gestaltbar ist und dass der Wille und die Beharrlichkeit eines mutigen Menschen den Lauf der Geschichte in Richtung einer besseren, friedlicheren Zukunft ändern können. Wir alle schulden Ihnen Dank für die Ermutigung, die von Ihrem Beispiel ausgeht.

Und, mein teurer Freund: Es ist die Ermutigung, den Weg zum Frieden einzuschlagen, die wir in diesen Tagen wirklich brauchen. Die gestrige Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, sich einseitig aus dem Abkommen mit Iran zurückzuziehen, hat einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten nicht eben wahrscheinlicher werden lassen. Der Geist des Abkommens – die Eskalationsspirale durch Verhandlungen und eine verbindliche Vereinbarung zu durchbrechen – wird nun erneut verdrängt durch mehr Konfrontation und Unwägbarkeit in dieser von Spannungen geprägten Region. In meinen Augen hat die Diplomatie einen weiteren Rückschlag erlitten. In Zeiten, in denen wir mehr denn je auf sie angewiesen sind, sind das bittere Neuigkeiten.

Verehrter Herr Präsident, mein Land hat sich nach Kräften bemüht, Kolumbien in seinem Friedensprozess zu unterstützen, und Tom Koenigs, der hier am Tisch sitzt, ist der lebende Beweis dafür. Wir werden Kolumbien auf seinem ganz gewiss nicht leichten Weg der Umsetzung aller Bestimmungen eines komplexen Friedensabkommens weiterhin unterstützen.

In Kürze werden Sie diese mühevolle Aufgabe an Ihren demokratisch gewählten Amtsnachfolger übergeben. Hier und heute aber, verehrter Herr Präsident, wollen wir in Dankbarkeit und mit großem Respekt dafür, dass Sie die Geschicke Ihres Landes zum Besseren gewendet haben, unser Glas erheben. Auf eine friedliche Zukunft für alle Kolumbianer und auf die deutsch-kolumbianische Freundschaft!