Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an die Medaillengewinner der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018, der Deaflympischen Winterspiele 2015 sowie Verleihung des Verdienstordens für Engagement gegen Doping

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 7. Juni 2018

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 7. Juni bei der Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an die Medaillengewinner der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018, der Deaflympischen Winterspiele 2015 sowie der Verleihung des Verdienstordens für Engagement gegen Doping in Schloss Bellevue eine Ansprache gehalten: "Sport lässt uns nationalen Zusammenhalt vielleicht in seiner schönsten Form erleben: friedlich, fröhlich und fair."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Übergabe des Silbernen Lorbeerblatts an die Medaillengewinnerinnen und -gewinner aus den Gruppen Ski Nordisch und Biathlon der Olympischen und Paralympischen Winterspiele in Pyeongchang 2018

Herzlich Willkommen im Schloss Bellevue. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, und will Ihnen allen danken für die wirklich wunderschönen Tage, die Sie den Deutschen, und nicht zuletzt meiner Frau und mir, geschenkt haben. Ob beim wunderbaren stimmungsvollen Abschied des paralympischen Teams in Frankfurt oder beim Besuch der Winterspiele in Pyeongchang – wir haben diese Tage mit Ihnen allen wirklich von Herzen genossen. Und das, obwohl es in Pyeongchang bitterkalt begann. Schon im Stadion bei der tollen Eröffnungsfeier, aber dann erst recht bei den Wettbewerben: bei den Biathleten und Skispringern der ersten Tage.

Aber wer spürt schon die Kälte bei der Spannung, die damals, über den Stadien lag. Und belohnt wurden wir alle mit zwei Goldmedaillen schon am ersten Abend. Laura Dahlmeier nach einem furiosen Rennen und Nerven aus Stahl beim Schießen. Und kurz vor Mitternacht sprang dann auch noch Andreas Wellinger an den zwei führenden polnischen Skispringern vorbei, holte das zweite Gold. Ein Auftakt, der Laune machte, und in den nächsten Tagen ging es ja auch munter weiter. Und gute Laune gab es ja nicht nur wegen der Medaillen. Schon vor ihren Wettkämpfen konnten wir die Rodlerinnen und die Eiskunstläuferinnen und -läufer in Gangneung besuchen, die gut drauf waren damals und zu Recht schon voller Optimismus! Ganz zu schweigen von den Gute-Laune-Bären vom Eishockey, die uns nicht nur zu nachtschlafenden Zeiten an die Fernsehgeräte gezwungen haben, sondern eine ganz neue Eishockey-Euphorie in ganz Deutschland ausgelöst haben.

So viele schöne Erlebnisse wären in Erinnerung zu rufen, aber Sie haben Verständnis dafür, dass ich jetzt nicht alle Einzeldisziplinen durchgehen kann. Stattdessen will ich hinzufügen, dass wir uns auch besonders gerne an Begegnungen und Feiern im Deutschen Haus erinnern. Und zu feiern gab es ja während dieser Winterspiele wirklich eine Menge. Es war ein echtes Wintermärchen, und ich freue mich sehr, dass wir es heute um ein kleines, weiteres Kapitel fortschreiben können. Schön, dass Sie alle da sind!

Die Spiele von Pyeongchang – das waren faszinierende Wettkämpfe, dramatische Finals, märchenhafte Erfolge und begeisterte Fans: 230 Stunden haben bei uns allein die Öffentlich-Rechtlichen live aus Korea berichtet. Und die Spiele haben alles geboten: Drama und Triumph – und immer wieder Gänsehautgefühl, wenn bei der Siegerehrung die eigene Hymne erklingt und die Flagge am Mast aufsteigt.

Sport lässt uns nationalen Zusammenhalt vielleicht in seiner schönsten Form erleben: friedlich, fröhlich und fair. Der Sport ist – übrigens ebenso wie die Demokratie – eine friedenserhaltende Kulturtechnik, wenn man sich darauf verständigt, dass die Spielregeln eingehalten werden. Dann, und nur dann, haben der Wettkampf der Nationen und Wettkampf der politischen Meinungen manches gemeinsam: Sie bändigen nämlich beide Rivalität durch faire Verfahren.

Ich würde mir wünschen, dass der Sport noch viel öfter diese friedensstiftende Funktion erfüllen kann, vor allen Dingen durch persönliche Begegnungen. Sie lassen uns spüren, dass es viel mehr Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen gibt, als politische und ideologische Grenzen oftmals suggerieren. Wir Deutschen wissen das aufgrund der eigenen Teilungsgeschichte unserer Nation, und heute ist diese friedensstiftende Funktion des Sports besonders in Korea wichtig. Und ich hoffe, dass das, was der Sport in Korea zwischen dem Norden und dem Süden angestoßen hat, weiter geht und politische Konsequenzen hat. Ich freue mich deshalb sehr, dass wir gleich bei der Ordensverleihung noch von weiteren guten Beispielen in dieser Kategorie hören.

Meine eigenen sportlichen Erfahrungen im Mittelfeld des TuS 08 Brakelsiek in der Fußball-Kreisliga liegen eine Weile zurück. Dafür bin ich heute gelegentlich eher am Berg unterwegs. Und auch wenn Alpinhochtouren und Bergsteigen keine olympische Disziplin sind, habe ich am Gipfelkreuz manchmal ein ganz ähnliches Gefühl wie vielleicht Sie: Diese Mischung aus Stolz und Dankbarkeit – bei mir Stolz, wenn ich oben ankomme, und Dankbarkeit, wenn ich wieder unten bin.

Sie alle, die wir heute auszeichnen, können mit wirklich berechtigtem Stolz auf Ihre sportlichen Leistungen blicken. Sie sind die Weltbesten in Ihrer Disziplin. Sie haben erreicht, wonach Millionen Menschen streben. Und gerade für junge Menschen sind Sie Idole und Vorbilder.

Und wenn ich Sie heute auszeichne, dann gilt mein Dank auch denjenigen, die mitgeholfen haben, Ihre Erfolge möglich zu machen: den Vereinen und Verbänden – an der Spitze dem Deutschen Olympischen Sportbund, dem Deutschen Behindertensportverband und dem Deutschen Gehörlosenverband; ich danke den Trainerinnen und Trainern, den Betreuerinnen und Betreuern; ich danke den Förderern der Sportlerinnen und Sportler, ihren Arbeitgebern – auch den öffentlichen: Polizei, Bundeswehr und Zoll sind heute hier – und schließlich danke ich den Familien, den Freunden und Partnern, ohne deren vielfältige Unterstützung vermutlich kaum einer der Sportlerinnen und Sportler, die wir heute auszeichnen, ganz nach oben gekommen wäre.

Ihnen allen gilt heute mein und unser ausdrücklicher Dank!

Pyeongchang – das waren für Deutschland die erfolgreichsten olympischen Winterspiele seit der Deutschen Einheit. Und auch das Paralympische Team hat mehr Medaillen gewonnen als vor vier Jahren in Sotschi. Das verdanken wir vor allem unseren beiden Andreas, nämlich Andrea Eskau und Andrea Rothfuss. Sie beide allein haben elf Medaillen erkämpft!

Wir sind stolz und glücklich über alle diese Erfolge, aber wir sollten ganz selbstbewusst auch immer wieder klarstellen: Es ist schön, im Medaillenspiegel ganz oben zu sein. Aber wir wollen keine Wettkämpfe, wir wollen keine Medaillen um jeden Preis. Wir wissen: Mit der Zerstörung von Gesundheit, mit Betrug wären sie zu teuer erkauft. Doping und Korruption untergraben die wahren Werte des Sports.

Leistungsdruck und Erwartungshaltungen an Spitzensportler sind hoch – ungeheuer hoch. Und gerade deshalb habe ich großen Respekt vor allen, die sich nicht zu unfairen Mitteln verleiten lassen. Ich habe großen Respekt vor denen, die standhaft bleiben, auch wenn sie ahnen, dass sich ihre Konkurrenten vielleicht um Fairness nicht scheren. Ich habe Respekt vor denen, die sich geduldig den Dopingkontrollen unterwerfen, obwohl sie oft schwer in die Privatsphäre eingreifen. Aber wenn trotz alledem dabei am Ende solche Medaillenerfolge wie die stehen, die wir heute würdigen, dann kann man mit Recht sagen: Sie sind die legitimen Helden und die wahren Vorbilder eines sauberen Sports!

Ich bin den deutschen Sportverbänden, der Nationalen Anti-Doping-Agentur, den Wissenschaftlern und Sportpolitikern sehr dankbar für die gemeinsamen Anstrengungen gegen das Doping. Aber Fairness lässt sich nur sichern, wenn wir ein internationales System der Dopingkontrolle haben, das nicht nur effektiv, sondern vor allen Dingen auch glaubwürdig ist. Und da sind auch viele internationale Organisationen nicht ganz unbelastet. Fehlverhalten lässt sich nur durch konsequente Aufklärung beseitigen – von außen durch engagierte Journalisten und kritische NGOs, aber hoffentlich auch immer wieder von innen durch engagierte Entscheidungsträger. Und dort, wo der Staat zum Dopingtäter wird, da können mutige Journalisten sich verdient machen, indem sie durch ihre Recherche Betrug aufklären, die Schuldigen namhaft machen und die Einhaltung von Regeln immer wieder fordern.

Transparenz, Ethos, ein Klima der Offenheit – das sind die besten Mittel, um die Werte des Sports tatsächlich zu schützen. Wer sich dafür engagiert, der macht sich um den Sport verdient, und der verdient Anerkennung und Unterstützung.

Vor allem aber müssen die Prioritäten klar bestimmt sein, und das heißt für mich: Die Athletinnen und Athleten müssen im Mittelpunkt stehen. Ihr Wort und Ihre Belange müssen Gehör finden. Ihre Belange müssen Gewicht haben. Alle anderen – Verbände, Sponsoren, erst recht die Politik – haben letztlich nur eine dienende Funktion. Ohne Athletinnen und Athleten gäbe es keine Wettkämpfe, keine Siege, keine Medaillen – und deshalb auch keine Silbernen Lorbeerblätter zu verteilen.

Herzlichen Dank!