Empfang anlässlich der 27. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 8. Juli 2018

Der Bundespräsident hat am 8. Juli beim Empfang anlässlich der 27. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE eine Ansprache gehalten: "Auch heute gibt es – nicht zuletzt in Europa – wieder Orte, wo die Rede von der Gewaltfreiheit wie eine entfernte Utopie klingt. So sehr die OSZE heute für diese Ideale einsteht – über den Dialog, über ihre Missionen, über ihre Arbeit an Frieden und Sicherheit, Wirtschaft und Umwelt, an der menschlichen Dimension – so sehr bleibt es deshalb unsere Aufgabe, gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Organisation auch in Zukunft für den Frieden einstehen kann!"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache beim Empfang anlässlich der 27. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE im Schlosspark von Schloss Bellevue

Herzlich willkommen hier im Schlosspark von Bellevue! Bellevue, das bedeutet schöne Aussicht. Aber schön sind die Aussichten nicht mit Blick auf den Zustand der Welt, die Vielzahl von Krisen und gewaltsamen Konflikten, die Erosion des Multilateralismus und vieles andere mehr, was uns Sorgen macht. Nur von hier vorn ist die Aussicht in Bellevue wirklich schön! Denn ich schaue in viele Gesichter, die mir aus langen Jahren in der Außenpolitik und insbesondere aus meiner Zeit im OSZE-Vorsitz vertraut sind. Und ich freue mich, gleich noch viele neue kennenzulernen. Seit gestern sind Sie zur 27. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Berlin zusammengekommen – und als Bundespräsident ist es mir eine Ehre, Sie heute Abend hier begrüßen zu können! Noch einmal herzlich willkommen!

Schloss Bellevue, das Sie hier vor sich sehen, wurde erbaut von Prinz August Ferdinand von Preußen, dem jüngsten Bruder von König Friedrich II. Im Jahr 1786 wurde der Hauptflügel fertig – und im gleichen Jahr starb auch der Monarch. Mit Friedrich dem Großen ging damals eine fast 50-jährige Epoche in Europa zu Ende. Bei allem aufgeklärten Absolutismus: Der Alte Fritz blieb immer auch Kriegsherr. Von den Schlesischen Kriegen über den Siebenjährigen Krieg bis zum bayerischen Erbfolgekonflikt, und während der Ersten Teilung Polens: Der Frieden kam nur in Form von kürzeren Verschnaufpausen ins friderizianische Mitteleuropa. Schloss Bellevue wurde also in die Mitte eines damals unruhigen Kontinents gebaut.

Wenn Friedrich der Große und Prinz Ferdinand heute hier bei uns wären, dann wären sie wahrscheinlich sehr erstaunt. Denn das, was für die Weltgemeinschaft seit Inkrafttreten der VN-Charta und für die OSZE-Teilnehmerstaaten insbesondere seit der Schlussakte von Helsinki 1975 erklärter Wille ist, was auch Ihre Jahrestagung hier in Berlin verkörpert – das muss damals wie eine weit entfernte Utopie geklungen haben: Die Ächtung von Gewalt als Mittel der Politik. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit gerade da, wo Spannungen bestehen. Die Fähigkeit zum Kompromiss gerade dann, wenn Konflikte zu eskalieren drohen. Und der Dialog in Krisenzeiten gerade deshalb, weil nur so Gewalt verhindert, neues Vertrauen geschaffen und die Grundlagen für friedliche Konfliktlösung gelegt werden können.

Ja, es stimmt: Die Welt wird diesen Idealen auch heute nicht gerecht. Auch heute gibt es – nicht zuletzt in Europa – wieder Orte, wo die Rede von der Gewaltfreiheit wie eine entfernte Utopie klingt. So sehr die OSZE heute für diese Ideale einsteht – über den Dialog, über ihre Missionen, über ihre Arbeit an Frieden und Sicherheit, Wirtschaft und Umwelt, an der menschlichen Dimension – so sehr bleibt es deshalb unsere Aufgabe, gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Organisation auch in Zukunft für den Frieden einstehen kann! Wir alle sollten den Geist von Helsinki bewahren und für die Zukunft immer wieder neu fruchtbar machen. Ich sage auch: Diesem Geist widerspricht es, wenn einzelne Staaten das Konsensprinzip für die eigene Agenda missbrauchen oder wenn einzelne Mitglieder durch ihr Handeln das grundlegende Prinzip der OSZE gefährden, nämlich die Unverletzlichkeit der Grenzen und damit den Frieden in Europa!

Gerade Sie als Parlamentarier sind wichtige Mittler zwischen der multilateralen Ebene und der Politik in ihren Ländern. Wenn heute auf der internationalen Bühne der Sinn von Dialog, Verständigung und der Suche nach friedlichem Interessenausgleich offen infrage gestellt wird, ja wenn der Wert von multilateraler Diplomatie an sich bezweifelt wird, und wenn zugleich Konfrontation, Kompromisslosigkeit und das Prinzip jeder gegen jeden in Mode kommt – dann, finde ich, sind gerade Sie als Parlamentarier dazu aufgerufen, die Errungenschaften der OSZE immer wieder zu bekräftigen und wo notwendig auch zu verteidigen!

Liebe Gäste, es ist uns eine große Ehre, Sie hier in Berlin zu Gast zu haben und ich freue mich, dass Sie heute Abend bei uns sind, hier im wunderbaren Park des Schloss Bellevue – und ich hoffe, dass es Ihnen bei uns gefällt.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, anregende und ergebnisreiche Tage in Berlin – und der OSZE wünsche ich allen denkbaren Erfolg bei ihren wichtigen Missionen für unseren Kontinent!

Vielen Dank.