Wandelkonzert zum 100. Geburtstag von Leonard Bernstein

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 12. November 2018

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 12. November beim Wandelkonzert zum 100. Geburtstag von Leonard Bernstein in Schloss Bellevue eine Ansprache gehalten: "Gerade in diesen Zeiten sollte uns bewusst werden, welcher kostbare Reichtum in der kulturellen Verbindung zwischen Europa und Amerika besteht, und dass wir alle nur verlieren können, wenn wir diese Verbindung vernachlässigen oder abreißen lassen."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Wandelkonzert "Bernstein in Bellevue" des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin zum 100. Geburtstag von Leonard Bernstein  im Langhanssaal von Schloss Bellevue

Es ist schön, dass heute Abend hier im Schloss Bellevue manches zusammenkommt, was auch zusammen gehört: Leonard Bernstein und Berlin, das RSB und das Schloss Bellevue, Jazz und Klassik, Bernstein und Mahler, und nicht zuletzt: Amerika und Europa.

Leonard Bernstein, der in diesem August vor einhundert Jahren geboren wurde, war – und hier ist der Ausdruck wirklich einmal angebracht – eine Jahrhundertgestalt. Wo sonst kam so viel Talent und Leidenschaft, so viel Können und glückliches Gelingen zusammen? Ein Komponist hoch anspruchsvoller Werke, aber auch Erfinder unsterblicher Melodien, die zu Welthits wurden. Wir werden gleich einige davon hören.

Dann ein Dirigent, der mit den großen Orchestern der Welt musiziert hat – der aber vor allem in New York mit den Philharmonikern eine Tradition europäisch inspirierten Musizierens fortgesetzt hat, zu der auch Gustav Mahler wesentlich beigetragen hatte.

Und dann noch ein begnadeter Pädagoge, der sich auch als weltberühmter Musiker nicht zu schade war, im Fernsehen übertragene Konzerte für Kinder und Jugendliche zu gestalten, um sie auf spielerische und doch hoch seriöse Weise an die Geheimnisse der Musik heranzuführen. Seine Fernsehserie Young People‘s Concerts war ein unschätzbarer Beitrag zur musikalischen Bildung Hunderttausender junger Amerikaner.

Also: Ein Autor, ein Philanthrop, ein Anreger, ein unermüdlicher Musikvermittler und so könnte man fortfahren, ein überreiches Leben zu beschreiben. Leonard Bernsteins Leben war so voller Erfüllung – gerade weil er so vielen anderen so viel Freude gemacht hat.

Mit Berlin verband ihn natürlich die Musik. Er dirigierte hier seit 1959 immer wieder. Unvergessen für alle in Berlin und in ganz Deutschland sind seine beiden Aufführungen der 9. Symphonie Ludwig van Beethovens zu Weihnachten 1989. Einmal in der Philharmonie im Westen und einmal im damals noch so genannten Schauspielhaus im Osten. Die Musiker kamen aus beiden Teilen Deutschlands sowie aus vier großen Orchestern der Vier Mächte. Und für dieses eine Mal – Weihnachten 1989 – änderte er den Text der Schillerschen Ode und ließ statt Freude singen: Freiheit, schöner Götterfunken! Am Ende jenes Jahres sicherlich zu Recht und ich bin mir sicher, Schiller hätte nichts dagegen gehabt.

Unter seinen eigenen Kompositionen finden sich manche in der Tradition der europäischen Klassik, manches andere ist geprägt vom Jazz oder von Rhythmen Lateinamerikas. Nicht zuletzt auch von der liturgischen Musik jüdischer Gottesdienste. Alles gehörte für ihn zusammen und wir werden heute Abend hören können, wie vielfältig seine Kompositionen sind.

Und wir hören Gustav Mahler, den er tief verehrte. Leonard Bernstein vor allem hat ja die Musik Mahlers wieder – oder überhaupt erst – populär gemacht, der einer seiner Vorgänger als Chef des New York Philharmonic Orchestra war. Mit der Kopie der Partitur von Mahlers fünfter Symphonie auf seinem Herzen wurde Leonard Bernstein beerdigt.

Leonard Bernstein verkörpert in seinem Leben, in seinem Komponieren und in seinen Verpflichtungen als Dirigent wie kaum ein anderer die kulturelle Verbindung zwischen Amerika und Europa.

Wo haben die Walzer von Johann Strauß außerhalb von Wien so wienerisch geklungen wie in New York? Und wer hat Mahler und Beethoven in der Alten Welt so ergreifend dirigiert wie dieser leidenschaftliche Maestro von der anderen Seite des Atlantiks? Und wie viel vom musikalischen Spirit Amerikas konnten wir Europäer nicht in der West Side Story erspüren?

Gerade in diesen Zeiten sollte uns bewusst werden, welcher kostbare Reichtum in der kulturellen Verbindung zwischen Europa und Amerika besteht, und dass wir alle nur verlieren können, wenn wir diese Verbindung vernachlässigen oder abreißen lassen.

Ich freue mich sehr darüber, dass die Musiker heute Abend vom RSB sind, vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Ab 1925 als Berliner Funk-Orchester tätig, später Sinfonie-Orchester des DDR-Rundfunks, ist es nicht nur eines der Berliner Spitzenorchester: Es verkörpert die besondere Geschichte dieser Stadt. Wir sind stolz, es heute zu Gast zu haben und wir sind froh, dass es zu dieser Stadt gehört.

Ich danke Herrn Adrian Jones, dem Orchesterdirektor, dass er so tatkräftig mithalf, dieses ungewöhnliche Konzert zu ermöglichen, und ich danke allen Musikerinnen und Musikern des RSB, den Solistinnen und Solisten und dem Dirigenten Garrett Keast.

Wir freuen uns auf ein wunderbares Programm!