Medienpreis der Kindernothilfe

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 15. November 2018

Der Bundespräsident hat am 15. November bei der 20. Verleihung des Medienpreises Kinderrechte in der Einen Welt in Schloss Bellevue eine Ansprache gehalten: "Seit schon fast 30 Jahren gibt es die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. In diesen drei Jahrzehnten haben wir lange und teils mühsam gelernt, dass Kinder eben nicht nur Schutzbefohlene sind, sondern Trägerinnen und Träger von eigenen, unveräußerlichen Rechten."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache bei der 20. Verleihung des Medienpreises "Kinderrechte in der Einen Welt" der Kindernothilfe im großen Saal in Schloss Bellevue

Herzlich willkommen im Schloss Bellevue! Ein ganz besonderer Gruß geht an Euch, die Mitglieder der Kinderjury: an Emma, an Johann, an Kila, an Bendix, an Maja und an Friedrich. Toll, dass Ihr mit dabei seid. Viel Vergnügen Euch heute Abend!

Kinder sollten wir im Schloss Bellevue häufiger haben! Ab und zu gibt’s das schon: Demnächst müssen wir den Weihnachtsbaum erleuchten, da werden natürlich Kinder dabei sein. Sternsinger gibt’s am 6. Januar. Beim Bürgerfest auch Pfadfinder, die uns ein bisschen helfen. Und meine Frau und ich haben schon über Schools of Tomorrow mit Kindern geredet. Aber was wir zu selten haben, sind Kinder in einer wirklich aktiven Rolle hier im Schloss Bellevue. Heute habt Ihr nicht nur eine aktive, sondern sogar eine tragende Rolle. Ich freue mich, Euch heute hier zu haben!

Liebe Christina Rau,

Ihnen ist es zu verdanken, dass die Kinder seit der Amtszeit Ihres Mannes hier in Bellevue eine größere Rolle spielen, als das vorher der Fall war. Das Engagement für die Rechte der Kinder ist für Sie Herzenssache! Deshalb auch Ihnen ein ganz besonders herzliches Willkommen. Wir freuen uns, dass Sie da sind!

Seit vielen Jahren sind Sie Botschafterin der Kindernothilfe, die im kommenden Jahr ihren 60. Geburtstag feiert – und Sie engagieren sich dabei besonders als Schirmherrin für den Medienpreis Kinderrechte in der Einen Welt. Diesen Preis verleiht die Kindernothilfe heute Abend zum 20. Mal. Ich finde es großartig, dass der Preis zum runden Jubiläum wieder hierher, wieder an seinen Geburtsort zurückkehrt. Und ich will vor allem Ihnen, liebe Christina Rau, im Namen der ganz vielen Engagierten, die hier im Saal versammelt sind, und auch im Namen unseres Landes danken: für Ihre Arbeit für die Rechte der Kinder, für Ihre Hingabe, Ihr Engagement in all den vergangenen zwei Jahrzehnten. Herzlichen Dank dafür!

Mit dem Medienpreis Kinderrechte in der Einen Welt zeichnet die Kindernothilfe solche Journalistinnen und Journalisten aus, die uns in bewegenden Geschichten von jungen Menschen erzählen, die um ihre Würde, um ihre Rechte kämpfen müssen. Und diesen Kampf häufig genug verlieren.

Wenn wir heute Abend auf die zwölf nominierten Beiträge schauen, dann wird schnell klar, warum dieser Preis so wichtig ist. Es sind Berichte, die nahegehen, von denen manche erschüttern und uns nicht so schnell aus dem Kopf gehen werden. Sie erzählen von der Verstümmelung von Kindern, von Missachtung und Diskriminierung, von mangelnden Zukunftschancen, vom steinigen und bei vielen sogar gefährlichen Weg junger Menschen auf dem Weg ins Leben. Es geht um Hunger – und um Kinder, die mit Sprengstoffwesten behängt in den Tod geschickt werden.

Wer von solchem Grauen hört, dem versagt die Sprache. Der erkennt, wie wenig die Rechte von Kindern und Jugendlichen an viel zu vielen Orten der Welt gelten, auch heute noch, in der Welt des Jahres 2018!

Wer diese Geschichten hört, der erkennt aber auch, wie wichtig es ist, die Sprache wieder zu finden. Wir brauchen Menschen, die uns von solchem Grauen erzählen, damit Wahrnehmung entsteht, Sensibilität wächst. Das ist Voraussetzung dafür, dass Veränderung überhaupt erst möglich wird. Wir brauchen die in jeder Hinsicht harte journalistische Arbeit, die hinter all diesen Erzählungen steht. Journalistische Arbeit, aus der sowohl Können als auch Haltung spricht. Journalistische Arbeit also, die uns ermahnt: Wir dürfen uns nicht ausruhen. Im Gegenteil: Wir müssen Wertschätzung, Wohlergehen und Rechte der Kinder immer wieder einfordern!

Und zuallererst denken wir natürlich an den Schutz des Kindes – und das ist auch heute nicht weniger wichtig als vor zehn, 20 und 30 Jahren. Darauf muss natürlich das Schwergewicht liegen! Aber, auch das ist mir heute wichtig: Es ist allein mit dem Schutz auch nicht getan! Denn Kinderrechte sind mehr als Kinderschutz. Seit schon fast 30 Jahren gibt es die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen.

In diesen drei Jahrzehnten haben wir lange und teils mühsam gelernt, dass Kinder eben nicht nur Schutzbefohlene sind, sondern Trägerinnen und Träger von eigenen, unveräußerlichen Rechten. Dass ihnen mehr Rechte zustehen, als das bloße Recht auf Schutz und Obhut. Dass Sie zum Beispiel auch das Recht auf bestmögliche Entwicklung haben oder auf Beteiligung in eigener Sache.

Ich bin froh, dass einige der nominierten Beiträge des heutigen Abends auch diese weniger bekannten Aspekte der Kinderrechte in den Blick genommen haben. Wir werden Beispiele sehen oder hören von selbstbewussten Kindern – wie zum Beispiel ein junges Mädchen in Bangladesch, das gegen alle Erwartungen, gegen alle Konventionen und vor allen Dingen gegen die öffentliche Moral am Strand von Cox’s Bazar ihrer großen Leidenschaft nachgeht: dem Wellenreiten! Wer könnte eindrucksvoller vom Recht auf Mitsprache in eigener Sache erzählen, als vier Kinder auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Umgang mit ihrer eigenen Geschlechteridentität?

Solche Berichte zeigen uns, was möglich ist, wenn wir Erwachsene Euch, liebe Kinder, ernst nehmen. Und das können wir, finde ich, bei uns in Deutschland durchaus häufiger tun. Auch in der Politik! Denn wer weiß am Ende besser als die Kinder selbst, was Eure Erwartungen sind, wo Euch der Schuh drückt, vielleicht auch welche Ideen Ihr habt für unser Land? Kinder haben eigene Perspektiven, Kinder haben eigene Interessen und – das habe ich vor allen Dingen sagen wollen: Kinder haben eigene Rechte!

Eins ist klar: Mit dem Medienpreis der Kindernothilfe macht unser Land, ganz abseits der großen Politik, seit 20 Jahren alljährlich einen Schritt hin – wenigstens das! – zu genau diesem Ziel: die Kinderrechte bekannter zu machen und damit hoffentlich auch zu ihrer langfristigen Verwirklichung beizutragen.

Es ist mir eine wirklich große Freude, heute Abend Ihr und Euer Gastgeber zu sein! Ich gratuliere den Gewinnerinnen und Gewinnern schon einmal jetzt ganz herzlich – und zum Schluss will ich dem Medienpreis und dem ganzen Team noch eins wünschen, nämlich: Alles Gute zum 20. Geburtstag!