Entzünden der Lichter am Chanukkaleuchter

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 2. Dezember 2018

Der Bundespräsident hat am 2. Dezember beim Entzünden der Lichter am Chanukkaleuchter am Brandenburger Tor eine Ansprache gehalten: "80 Jahre nach der Pogromnacht, hier in Berlin und überall in Deutschland, nach dem Zivilisationsbruch der Shoah, ist es ein Geschenk, dass wir einander heute die Hände reichen können über den Abgrund unserer Geschichte hinweg. Ich versichere Ihnen, diese Geschichte ist uns eine Verpflichtung und eine Verantwortung. Und es ist eine Geschichte, unter die es keinen Schlussstrich geben kann und geben darf."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede bei den Feierlichkeiten zum Entzünden des Chanukkaleuchters am Brandenburger Tor

Es ist mir eine große Freude, heute mit Ihnen Chanukka feiern zu dürfen, hier am Brandenburger Tor, mitten in Berlin. Sehr geehrter Herr Rabbiner Teichtal, ganz herzlichen Dank für diese Einladung!

Chanukka, das ist ein fröhliches, ein heiteres, ein familiäres Fest. In diesem Jahr beginnt die Adventszeit fast gleichzeitig, und auch wir Christen zünden in dieser Zeit Lichter an und feiern im Kreise der Familie – auch wenn dieser Brauch sehr viel jünger ist. Die Lichter stehen in unseren beiden Religionen für Freude und sie stehen für Zuversicht.

Chanukka, das ist ein Sieg des Lichts über die Dunkelheit, ein Sieg der Hoffnung. Diese Hoffnung hat sich im zweiten Tempel in Jerusalem, so ist es überliefert, auf wunderbare Weise erfüllt. Der Tempel sollte nach der Belagerung wiedereingeweiht werden, doch es war nur noch ein Krug geweihten Öls für das ewige Feuer der Menora vorhanden, ausreichend nur für einen einzigen Tag. Und doch brannte das Licht acht Tage lang, bis neues geweihtes Öl bereitet war. Das ist das Wunder von Chanukka: Das scheinbar Unmögliche ist möglich, gegen alle Erwartungen!

Das scheinbar Unmögliche ist möglich – das gilt in Momenten des Glücks auch für uns heute. Als ein solches Glück empfinde ich jüdisches Leben in unserem Land. 80 Jahre nach der Pogromnacht, hier in Berlin und überall in Deutschland, nach dem Zivilisationsbruch der Shoah, ist es ein Geschenk, dass wir einander heute die Hände reichen können über den Abgrund unserer Geschichte hinweg. Ich versichere Ihnen, diese Geschichte ist uns eine Verpflichtung und eine Verantwortung. Und es ist eine Geschichte, unter die es keinen Schlussstrich geben kann und geben darf.

In ganz Europa und auch in Deutschland äußern sich antisemitische Hetze, antisemitischer Hass wieder offen: in Reden, auf der Straße, auf Schulhöfen, besonders im Netz. Wir dürfen das nicht dulden, weder alten noch neuen, weder leisen noch lauten Antisemitismus. Wir müssen und werden ihm, egal wie er sich zeigt, entschieden entgegentreten!

Heute aber wollen wir uns am Licht freuen, an diesem Licht, das wir gleich entzünden werden. Wir sind dankbar, dass es wieder vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland gibt und vielfältige, selbstbewusste jüdische Gemeinschaften. Und wir sind dankbar, dass wir in diesem Land wieder gemeinsam Chanukka feiern.

Das Licht hat über die Dunkelheit gesiegt. Das ist das Wunder von Chanukka.

Nes Gadol Haja SchamEin großes Wunder geschah dort.

Nes Gadol Haja PoEin großes Wunder geschah hier.

Ich wünsche Ihnen allen ein schönes, ein fröhliches und ein helles Chanukkafest!

Ganz herzlichen Dank.