13. Bestenehrung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 3. Dezember 2018

Der Bundespräsident hat am 3. Dezember bei der 13. Bestenehrung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in Berlin eine Ansprache gehalten: "Unsere Wege sind nicht immer gerade und auch nicht immer vorhersehbar. Ein Bildungssystem, das dieser Erfahrung Rechnung trägt, das vielfältige Möglichkeiten und Chancen, auch Ausbau- und Wechselmöglichkeiten, offen hält, hilft jungen Menschen, ihren Weg ins Leben zu finden. Die beste Bildung ist eine, die zu einem jungen Menschen wirklich passt und die er im Laufe seines Berufslebens noch erweitern kann."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede bei der 13. Bestenehrung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in Berlin

Haben Sie vielen Dank für den herzlichen Empfang. Ich freue mich sehr, hier bei Ihnen zu sein, unter den besten Absolventen dieses Jahres! Danken möchte ich Ihnen aber auch für die Freude über Ihren Erfolg, an der Sie mich teilhaben lassen!

Es muss nicht immer der eigene Erfolg sein, das eigene Glück. Es kann auch Freude über den Erfolg eines Anderen sein. Und die empfinde ich, wenn ich in Ihre Gesichter sehe!

Sie haben etwas Einzigartiges erreicht. Unter rund 300.000 Absolventen in 205 Ausbildungsberufen die Besten zu sein – das ist ein wirklich ein Riesenerfolg! Seien Sie stolz auf sich! Genießen Sie die Freude über das Erreichte und genießen Sie auch die Freude der anderen, Ihrer Eltern und Großeltern, Geschwister und Freunde, ich nehme auch an, die Ihrer Ausbilder, und gern auch meine, wenn Sie mögen.

Herzlichen Glückwunsch Ihnen allen!

Denn Grund zur Freude haben hier viele: Sie, weil Sie sich mit Ihrem exzellenten Abschluss selbst in die beste berufliche Startposition gebracht haben, die man sich denken kann. Ihre Ausbilder haben Grund, stolz zu sein auf das gemeinsam Erreichte. Und wir, wir anderen haben auch Grund zur Freude, weil wir Ihre Fähigkeiten und Talente brauchen und dankbar sind, wenn ein Werk gelungen ist oder wir von den vielen anderen Dienstleistungen, für die Sie Verantwortung tragen, profitieren, die Sie zu bieten haben.

Die Wirtschaft unseres Landes lebt von solchen Leistungen. Sie lebt von gut ausgebildeten Fachkräften, von Ihrer Qualifikation, Ihrer Motivation und Ihrem Erfolg. Und sie lebt von den Lehrern und Ausbildern, die Sie, liebe Absolventen, dazu motiviert haben, zu den Besten Ihres Jahrgangs zu werden. Dafür danke ich Ihnen allen. Und dafür dankt Ihnen Ihr Land.

Denn es sind nicht zuletzt diese Erfolge, die wir hier Jahr für Jahr feiern, die zum außergewöhnlich guten Ruf der beruflichen Bildung in Deutschland beigetragen haben. Sie ist über die Jahrzehnte zu einem Wert geworden, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, zu einem Leuchtturm, der wahrgenommen wird, auch über die Landesgrenzen hinaus. Auf Reisen werde ich immer wieder gefragt: Wie macht ihr das in Deutschland eigentlich mit der beruflichen Bildung? Erst vor zwei Wochen wieder, in Botsuana, wo ich ein Ausbildungszentrum besucht habe – dort finanziert vom Verband der Deutschen Maschinenbauer und mitfinanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Wer zusammen arbeitet, kann auch erfolgreich zusammen etwas bewirken – das ist das Prinzip und der Schlüssel zum Erfolg der dualen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule. Es ist aber auch die Kooperation von Staat, Wirtschaft und Sozialpartnern in der beruflichen Bildung, die den Absolventen Perspektiven auf einen Berufseinstieg und – das kann ich Ihnen versichern – den Einstieg in ein erfolgreiches Berufsleben eröffnet. Viele wollen sich etwas davon abschauen, weltweit. Darauf können wir alle miteinander stolz sein.

Ich freue mich darüber, denn meiner Frau, die selbst, wie viele von Ihnen, Industriekauffrau gelernt hat, und mir liegt dieses Thema besonders am Herzen. Wir kommen beide aus Handwerkerfamilien. Beide unsere Väter waren Tischler und wer damit groß geworden ist – wer als Kind neben einer Hobelbank gestanden hat und zuschauen durfte, wie unter den Händen eines Menschen, der einen Beruf von der Pike auf erlernt hat, etwas entsteht –, der bekommt ein Gefühl dafür, dass Arbeit nicht nur Mühe und Broterwerb ist, sondern auch Freude und Befriedigung.

Und das gilt nicht nur für die Kinder von Tischlern!

Es sind Handwerker unter Ihnen, aber auch andere Berufe, die in Handel und Industrie gelernt werden. Gemeinsam ist Ihnen allen, dass Sie sich für einen Beruf entschieden haben, in dem die duale Ausbildung der Schlüssel ist. Im Handel und in der Industrie zeigt sich noch deutlicher, wie stark sich Ausbildung auch immer wieder verändert und verändert hat in den vergangenen Jahren; dass manche alten Ausbildungsberufe wegfallen und neue hinzukommen. Auch Ausbildungsordnungen traditionsreicher Berufsbilder müssen den veränderten Anforderungen immer wieder angepasst werden. Und wir alle wissen, oder ahnen doch wenigstens, dass die Digitalisierung die Berufe und Berufsinhalte in vielen Bereichen der Industrie und des Handels weiter verändern wird.

Doch ich sage Ihnen das nicht, um Ihnen Angst zu machen vor der Veränderung, denn was trotz aller Veränderung bleibt, ist die Erfahrung, dass jede Fertigkeit, die wir erlernen und schließlich beherrschen, uns zufrieden macht – und umso mehr, je besser wir sie beherrschen.

Ganz viel davon: Die Freude am Beruf und der Ehrgeiz, besonders gut darin zu sein – das ist es vermutlich auch, was Sie alle zu diesen besonderen Leistungen, für die Sie heute ausgezeichnet werden, motiviert hat. Und ich möchte Sie ermutigen, sich die Motivation, den Ehrgeiz, Ihre Lust auf Neues zu bewahren – auch nach der Ausbildung. Denn für die Herausforderungen der Berufswelt der Zukunft brauchen Sie diese Offenheit, das jetzt so hervorragend Erlernte ein Leben lang zu erweitern, zu vertiefen – und sich auch wieder auf gänzlich Neues einzulassen.

Wenn ich den Wert der beruflichen Bildung hier und auch bei anderen Gelegenheiten – etwa während der Woche der Beruflichen Bildung im vergangenen April – besonders betone und mich über Ihre Erfolge freue, heißt das nicht, dass ich die berufliche gegen die akademische Bildung ausspielen wollte. Beides ist notwendig. Und wir brauchen die, die studieren, die akademischen Berufe. Aber wir brauchen nicht weniger dringend die, die sich für eine berufliche Ausbildung entscheiden. Erfolgreich sind wir in Deutschland, weil wir beides hatten und weil wir die richtige Balance hatten zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung: Starke akademische und starke berufliche Ausbildung – das war die Grundlage unserer Stärke. Heute kommt hinzu, dass wir große Durchlässigkeit zwischen den beiden Ausbildungssystemen haben. Wer sich heute für eine berufliche Ausbildung entscheidet, kann später im Verlauf seines Berufslebens immer noch überlegen, ob er ein Studium draufsattelt. Berufliche Ausbildung ist heute kein Ende der Karriere. Im Gegenteil: Karrieremöglichkeiten, die Chancen, gutes Geld zu verdienen, sind heute mit beruflicher dualer Ausbildung genauso gut oder besser als viele Bachelorstudiengänge. Auch deshalb kann ich Sie nur beglückwünschen, dass Sie sich für Ihren Weg entschieden haben.

Außerdem weiß man als Teenager nicht immer schon, welcher Beruf es genau sein soll, welcher Weg zum Beruf führt und welcher Beruf ein Leben lang zu einem passt.

Aus so krummen Holz, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden, hat schon Immanuel Kant gesagt. Was er damit sagen wollte: Unsere Wege sind nicht immer gerade und auch nicht immer vorhersehbar. Ein Bildungssystem, das dieser Erfahrung Rechnung trägt, das vielfältige Möglichkeiten und Chancen, auch Ausbau- und Wechselmöglichkeiten, offen hält, hilft jungen Menschen, ihren Weg ins Leben zu finden. Die beste Bildung ist eine, die zu einem jungen Menschen wirklich passt und die er im Laufe seines Berufslebens noch erweitern kann.

Auslandsaufenthalte, Weiterbildung und Qualifizierung haben schon vielen Berufswegen und Karrieren eine neue Richtung gegeben. Heute stehen Ihnen, liebe Absolventen, nicht nur die Türen in ganz Deutschland offen.

Junge Frauen und Männer mit entsprechenden Qualifikationen, mit Sprachkenntnissen und einem guten Abschluss werden auch jenseits der deutschen Grenzen gesucht, auch in der europäischen Nachbarschaft. Das gilt sowieso, aber noch mehr für Sie, die Besten des Jahrgangs 2018. Ihre Welt ist größer geworden, Ihr Horizont breiter und Ihre Möglichkeiten noch vielfältiger.

Und das gilt übrigens für Frauen ebenso wie für Männer. Ich sehe keinen Grund, warum die Berufswahl immer noch entlang der alten Grenzen zwischen klassischen Männer- und klassischen Frauenberufen verlaufen sollte. Was am Ende zählt, sind Qualifikation und Motivation – in jedem Beruf. Wenn wir uns an diese Regel halten, wird es schließlich auch ausreichend Vorbilder geben, die Männer davon überzeugen, soziale Berufe zu wählen, und die Frauen für technische Berufe begeistern können.

Wir müssen alle Talente in diesem Land nutzen, denn den Fachkräftemangel werden nur Fachkräfte ausgleichen können. Das ist übrigens ein Argument, weshalb wir mit großem Ehrgeiz und aller notwendigen Anstrengung versuchen sollten, möglichst viele derjenigen, die in den letzten Jahren als junge Flüchtlinge zu uns gekommen sind, in berufliche Ausbildung zu bringen. Gute deutsche Sprachkenntnisse sind entscheidend, aber das gelingt gerade den ganz jungen, die noch als Kinder hier bei uns die Schule besuchen, besonders gut. Wer über Schule, Ausbildung und Beruf seinen Weg gemacht hat, seinen Platz in der Gesellschaft findet und die Anerkennung dafür, der wird sich hier zuhause fühlen und neue Heimat finden. Nichts anderes ist mit dem großen Wort Integration gemeint!

Sie alle machen jetzt die Erfahrung guter Ausbildung und ich würde mir wünschen, dass Sie in Ihren Betrieben zu Vorbildern werden, Ihr Wissen weitergeben und dass der eine oder die andere von Ihnen später selbst zu den Ausbildern gehört, die hier im Publikum sitzen und stolz sind auf ihre Azubis, ihre Besten. Zunächst aber wünsche ich Ihnen von Herzen eine spannende, eine gute und erfüllende persönliche und berufliche Zukunft! Schon jetzt haben Sie Tolles geleistet, das verdient gefeiert zu werden. Tun Sie das bitte, nicht zu knapp! Bewahren Sie sich ein bisschen von der Freude und dem Stolz des heutigen Tages. Auf Ihrem Weg begleiten Sie alle meine guten Wünsche.