Mittagessen mit dem Präsidenten der Italienischen Republik

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 18. Januar 2019

Der Bundespräsident hat am 18. Januar beim Mittagessen mit dem Präsidenten der Italienischen Republik, Sergio Mattarella, eine Ansprache gehalten: "Italien und Deutschland sind Gründungsmitglieder der Europäischen Union. Italien ist zu Recht stolz darauf, dass in seiner, in Ihrer Hauptstadt die Römischen Verträge unterzeichnet wurden. Sie in Italien, wir in Deutschland haben uns immer in besonderer Weise den Grundsätzen und Überzeugungen verpflichtet gefühlt, auf denen die Europäische Union beruht."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während der Rede beim Mittagessen anlässlich des Besuchs des Präsidenten der Italienischen Republik in Schloss Bellevue

Man sieht es nicht auf den ersten Blick, aber Italien ist auch hier im Schloss Bellevue zu Hause. Die Aussicht auf den Schlossgarten, die wir gerade genossen haben, ist – nicht nur in Januartagen – nicht so atemberaubend wie die aus dem Quirinale auf Rom, aber es ist noch nicht lange her, da lockte der Viale Italia hier draußen im Schlosspark Tausende von Besuchern an. Italien, und das war mir eine große Freude, war das Partnerland unseres Bürgerfestes im vergangenen Sommer – einem Sommer, der so heiß und trocken war, dass man sich oft gefragt hat, ob Berlin nicht auch am Mittelmeer liegt.

Ich freue mich sehr, lieber Herr Präsident Mattarella, Sie heute hier begrüßen zu dürfen, und den sehr vertrauensvollen Dialog, den wir in Rom begonnen haben, mit Ihnen fortzusetzen. Benvenuto, Benvenuti tutti al castello Bellevue!

Italien ist ein Sehnsuchtsort für viele Deutsche, und das bleibt es. Ihre Kunst und Kultur, Ihre wunderbaren Landschaften und Städte, die bewundern wir Deutschen seit Jahrhunderten, und viele von uns zieht es Jahr für Jahr gen Süden. Auch ich, Herr Präsident, gehöre, wie Sie wissen, zu den Deutschen, die diese Sehnsucht nach Italien in sich tragen. Und ich fürchte, das ist nicht heilbar.

Umgekehrt, Herr Präsident, gibt es aber auch sehr viele Italiener, die nach Deutschland kommen, nicht nur, um Urlaub zu machen, sondern um hier zu studieren, zu leben und zu arbeiten. Allein hier in Berlin leben über 20.000 italienische Staatsbürger! Die italienische community ist weder aus Berlin noch aus den anderen deutschen Großstädten wegzudenken.

Lieber Herr Präsident, unsere beiden Länder verbindet viel. Italien und Deutschland sind Gründungsmitglieder der Europäischen Union. Italien ist zu Recht stolz darauf, dass in seiner, in Ihrer Hauptstadt die Römischen Verträge unterzeichnet wurden. Sie in Italien, wir in Deutschland haben uns immer in besonderer Weise den Grundsätzen und Überzeugungen verpflichtet gefühlt, auf denen die Europäische Union beruht. Wir sehen heute, dass Prinzipien wie diese infrage gestellt werden. Bei Ihnen in Italien gerät die Idee des vereinten Europa bei vielen in Misskredit, und auch hier in Deutschland werden solche Stimmen immer lauter.

Aber ich bin zutiefst überzeugt: Nur vereint können wir das große Friedensprojekt Europa bewahren. Und in der Welt von morgen werden wir Europäer uns nur vereint Gehör verschaffen und die Antworten auf die großen Herausforderungen dieser Zeit mitgestalten können: Klimawandel, Digitalisierung, Migration.

Im Mai finden die so wichtigen Europawahlen statt. Das wird ein entscheidender Moment, welchen Weg Europa nehmen wird. Ich werde dafür werben, wir werden gemeinsam dafür werben, vor allem bei jüngeren Menschen, diesen Weg Europas – der Zusammenarbeit und des Friedens – zu bewahren.

Ich bin sehr dankbar, lieber Sergio Mattarella, dass ich Sie dabei als überzeugten Europäer an meiner Seite weiß. Ich weiß Sie an meiner Seite, weil Sie, wie ich, vor dem Rückfall in Nationalismus warnen. Und Sie machen den Menschen Mut. Mut, auf Dialog und gesellschaftlichen Ausgleich zu setzen. Mut, sich zu Europa als unserer gemeinsamen Zukunft zu bekennen und in Europa der Stimme Italiens weiterhin Gewicht zu verleihen. Es gibt in Italien viele Menschen, die Ihre Stimme der Vernunft sehr schätzen und das auch so deutlich zeigen, wie vor einigen Wochen in der Mailänder Scala.

Ich darf Ihnen versichern: Sie machen damit auch uns Mut. Europa braucht ein starkes, ein stabiles, ein verlässliches Italien und, Herr Präsident, Sie sind ein Garant dafür, dass das so bleibt.

Ich freue mich, dass in diesen Zeiten der Umbrüche und Irritationen Freundschaften wie die unsere gelingen. Sie sind wertvoller, als das in der Vergangenheit je der Fall war. Ich erhebe mein Glas auf Ihre Gesundheit und auf die Freundschaft unserer beiden Länder und Völker!