Staatsbankett in der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien

Schwerpunktthema: Rede

Addis Abeba/Äthiopien, , 28. Januar 2019

Der Bundespräsident hat am 28. Januar beim Staatsbankett in Äthiopien, gegeben von der Staatspräsidentin Sahle-Work Zewde, in Addis Abeba eine Ansprache gehalten: "Wir Europäer brauchen neue, vertrauensvolle Partnerschaften mit Äthiopien und möglichst vielen anderen afrikanischen Ländern. Auf globale Herausforderungen können wir nur gemeinsam mit Ihnen Antworten finden. Der Compact with Africa, den die deutsche Bundesregierung im Rahmen der G20 angestoßen hat, steht für solche neue Partnerschaften."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede beim Staatsbankett in der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien gegeben von der Staatspräsident Sahle-Work Zewde in Addis Abeba

Ich freue mich sehr, hier bei Ihnen zu Gast zu sein, in einer Zeit des großen Wandels. Die vergangenen Monate haben gezeigt, was der Mut zur Veränderung bewirken kann: Ihr Land hat alte Gräben überwunden und einen neuen Aufbruch gewagt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich möchte Ihnen noch einmal ganz herzlich zu Ihrer Wahl gratulieren und Ihnen alles Gute wünschen! Und ich danke Ihnen für den freundlichen Empfang in Ihrem wunderschönen Land! Zuletzt habe ich es vor fast fünf Jahren besucht. Ich habe mich eben beim Hereinkommen über das Wiedersehen mit dem berühmten Löwen gefreut, aber ich bin vor allem sehr gespannt auf neue Begegnungen in den nächsten Tagen. Ganz besonders freue ich mich darauf, eine der Wiegen des Christentums zu besuchen: die weltberühmten Felsenkirchen in Lalibela.

Äthiopien und Deutschland, sehr geehrte Damen und Herren, verbindet eine lange Freundschaft. Wir verfolgen deshalb die Reformen, die Ihr Land eingeleitet hat, mit besonderem Interesse. Sie stimmen mich zuversichtlich, dass sich gesellschaftliche Teilhabe und die Demokratie weiter entfalten können.

Ja, es gibt noch immer tiefe Gräben in Ihrer Gesellschaft, alte Konflikte flammen leicht wieder auf. Sie zu überwinden, das Land zu versöhnen, ist eine riesige Aufgabe. Auch in meinem Land sehen wir übrigens, dass es in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden ist, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu wahren. Es ist richtig: Demokratie ist oft mühsam und sie verlangt ständige Kompromisse. In einem Land wie Ihrem, in dem Menschen so vieler verschiedener Kulturen und Ethnien leben, ist das eine große Herausforderung. Es ist aber auch eine große Chance!

Wenn ich von großen Chancen spreche, dann darf eines nicht unerwähnt bleiben. Der Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea ist ein Signal der Hoffnung – für die Menschen in Ihren beiden Ländern, aber auch für die Region hier am Horn von Afrika und den gesamten Kontinent. Äthiopien spielt bei der Stabilisierung dieser Region eine entscheidende Rolle. Und Deutschland ist gerne bereit, Sie bei den Reformen – im Inneren wie nach außen – weiter engagiert zu unterstützen.

Gelingt der demokratische Aufbruch, so wird das, davon bin ich überzeugt, weit über die Landesgrenzen hinaus ausstrahlen und auch die Debatten bei uns in Europa bereichern: eine Demokratiedebatte, die derzeit oft eher defensiv oder sogar pessimistisch geführt wird. Und eine Afrikadebatte, in der wir über statt mit Afrika reden und zu oft nur die Krisen wahrnehmen!

Uns in Europa fällt der Umgang mit der Komplexität des afrikanischen Kontinents manchmal schwer. Denn in Afrika erleben wir eine verblüffende Gleichzeitigkeit: Wir sehen Chancen in vielen Ländern, die sich gesellschaftlich und politisch öffnen und modernisieren, aber wir sehen auch Krisen, Konflikte und Rückschritt. Ein gutes Mittel dagegen ist es, sich selbst ein Bild zu machen und mit Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Auch deshalb bin ich so gerne bei Ihnen zu Besuch. Afrika lässt sich nicht in eine Schablone pressen. Das eine Afrika gibt es nicht. Afrika ist ein stolzer Kontinent mit 54 sehr verschiedenen Ländern und sehr verschiedenen Kulturen – und das macht seine Vielfalt und seinen Reichtum aus.

Wir Europäer brauchen neue, vertrauensvolle Partnerschaften mit Äthiopien und möglichst vielen anderen afrikanischen Ländern. Auf globale Herausforderungen können wir nur gemeinsam mit Ihnen Antworten finden. Der Compact with Africa, den die deutsche Bundesregierung im Rahmen der G20 angestoßen hat, steht für solche neue Partnerschaften. Bei den globalen Herausforderungen denke ich an den Klimawandel und seine Folgen, aber auch an die Migration. Ihr Land hat sehr viele Menschen aufgenommen, und wir schauen mit großem Respekt auf dieses Engagement.

Ich bin überzeugt: Wir, Europäer und Afrikaner, müssen gemeinsam die Lebensperspektiven vor allem für die jungen Menschen in Ihren Ländern verbessern. Und ich freue mich, Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, dabei an meiner Seite zu wissen. Ein Schlüssel dafür ist nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung: Sie brauchen Investitionen, und junge Menschen in Ihrem Land brauchen eine gute Ausbildung. Bei beidem wollen wir Ihr Land gern unterstützen.

Wir Deutschen blicken voller Respekt auf den Mut, mit dem sich Ihr Land auf einen neuen Weg gemacht hat. Ich wünsche Ihnen Geduld und Beharrlichkeit, diesen Weg weiterzugehen.

Ich erhebe das Glas auf Ihr Wohl und die Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern!