Empfang für Stipendiaten der Initiative "Afrika kommt!"

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 10. Juli 2019

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 10. Juli die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Programms "Afrika kommt!" bei einem Empfang in Schloss Bellevue mit einer Ansprache begrüßt: "Wir müssen genauer hinschauen, dann können wir von Afrika lernen, auch wir Europäer. Deshalb ist es so wichtig, sich selbst ein Bild zu machen. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir uns austauschen und mehr miteinander statt übereinander reden."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache beim Empfang der Stipendiatinnen und Stipendiaten von "Afrika kommt!" im Langhanssaal von Schloss Bellevue.

Afrika kommt! – das ist ein Versprechen im doppelten Sinn. Afrika kommt – das heißt erst einmal ganz wörtlich: Afrika kommt nach Deutschland, Afrika kommt auch hierher ins Schloss Bellevue. Dafür sind wir sehr dankbar. Es ist mir und meiner Frau eine ganz besondere Freude, schon zum zweiten Mal Stipendiatinnen und Stipendiaten des Programms Afrika kommt! hier willkommen zu heißen.

Wir möchten mit diesem Empfang auch ein Zeichen setzen. Denn Afrika kommt!, das heißt auch: Afrika ist im Kommen. Afrika geht nach vorn. Ja, das widerspricht der landläufigen Wahrnehmung von Afrika als Kontinent der Krisen, Konflikte und Hungersnöte. Das widerspricht der Wahrnehmung von Afrika als einem Kontinent, den vor allem junge Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben so schnell wie möglich verlassen. Das ist nicht nur eine einseitige, sondern auch eine falsche Wahrnehmung. Meine Reisen führen mich immer wieder in afrikanische Länder – gerade die letzte nach Äthiopien ist mir noch in bester Erinnerung. Aber wir waren zusammen auch in Südafrika und Botswana, wo wir aus nächster Nähe und ganz eindrücklich erleben konnten, wie groß dort und in vielen andern Ländern der Wille zum Aufbruch, wie groß der Wille zu Veränderungen ist.

Wir sprechen in Europa immer noch zu viel über Afrika statt mit Afrika. Und wir übersehen deshalb allzu oft, wie vielfältig der afrikanische Kontinent ist. Afrika lässt sich in keine Schablone pressen: Das eine Afrika gibt es nicht, sondern 54 afrikanische Länder mit sehr verschiedenen Kulturen, verschiedenen Sprachen. Und das macht Afrikas Vielfalt und seinen Reichtum aus.

Afrika, das steht auch für Inspiration, Kreativität, Überraschung. Ich würde Ihnen am liebsten von meinen Erfahrungen mit der unendlich kreativen afrikanischen Musikszene erzählen, aber das kennen Sie alles besser als ich. Aber viele Menschen in Deutschland und in ganz Europa wären überrascht zu erfahren, dass afrikanische Länder Spitzenplätze belegen, wenn es darum geht, weniger oder gar keine Plastiktüten mehr zu verwenden – ein Thema, das im Augenblick hier heiß diskutiert wird. Oder dass in Südafrika und Äthiopien mehr Frauen am Kabinettstisch sitzen als bei uns in Deutschland. Stereotypen und Vereinfachungen, das sehen wir schon an diesen kleinen Beispielen, helfen uns nicht weiter, im Gegenteil. Sie verstellen uns den Blick. Mein Plädoyer: Wir müssen genauer hinschauen, dann können wir von Afrika lernen, auch wir Europäer.

Deshalb ist es so wichtig, sich selbst ein Bild zu machen. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir uns austauschen und mehr miteinander statt übereinander reden. Sie, liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten, haben genau das getan: Sie haben sich ein Bild gemacht. Sie haben ein Jahr lang in Deutschland gelebt, Sie haben die Sprache gelernt und Freunde gefunden, Sie haben deutsche Unternehmen kennengelernt und sich weiterqualifiziert. Darüber freuen wir uns genauso wie Sie.

Afrika kommt! ist auch deshalb so wichtig, weil es keine Einbahnstraße ist. Sie, liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten aus vielen Ländern Afrikas, welche Vielfalt, welches Wissen, welchen Erfahrungsschatz bringen Sie mit! Sie sind schon jetzt Brückenbauer zwischen Deutschland und vielen afrikanischen Ländern, und das im besten Sinne! Afrika kommt, das heißt: Sie lernen von uns, und wir lernen von Ihnen.

Wir freuen uns auf das Gespräch mit Ihnen, wir freuen uns darauf, Ihnen zuzuhören und zu erfahren, wie Sie Ihre Zeit in Deutschland erlebt haben und welche Pläne Sie jetzt haben. Die Geschichten einiger Alumni kann man jetzt auch nachlesen. Farirai Mubvuma aus Simbabwe hatte die wunderbare Idee, diese Geschichten aufzuschreiben und sie in einem Buch zu sammeln. Ganz herzlichen Dank dafür, ich freue mich auf die Lektüre!

Sie gehören zu den jungen, hervorragend ausgebildeten Nachwuchsführungskräften, von denen ich viele in den letzten Jahren in Afrika persönlich kennengelernt habe. Auch das nimmt man in Europa viel zu wenig wahr. Und viele von Ihnen brennen schon darauf, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft ihrer Länder mitzugestalten. Ich möchte Ihnen ganz herzlich danken für Ihr Engagement, für Ihre Leidenschaft! Danken möchte ich auch den deutschen Unternehmen, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, der Bosch- und der Zeit-Stiftung, die sich im Programm Afrika kommt! engagieren und es nun schon seit elf Jahren tragen – und der Dank ist besonders groß, weil sie das ohne staatliche Unterstützung leisten.

Ich glaube, man muss jetzt gar nicht mehr viel Ermunterndes sagen. Es spricht für sich, dass das Programm immer bekannter und immer beliebter wird. Ich wünsche Afrika kommt! weiterhin viel Erfolg! Und Ihnen allen, liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten, die Sie nun in Ihre Länder zurückkehren, wünsche ich ganz persönlich viel Erfolg!