Staatsakt für die Opfer der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz

Schwerpunktthema: Rede

Nürburg, , 1. September 2021

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 1. September bei einem Staatsakt für die Opfer der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz eine Rede am Nürburgring gehalten: "Wir stehen an Ihrer Seite. Wir wissen, dass in Ihrem Leben nichts mehr ist, wie es war. Aber Sie sollen wissen: Auf Ihrem Weg zurück ins Leben lässt Sie Ihr Land nicht allein."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede nach dem ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer der Hochwasserkatastrophe im Hohen Dom zu Aachen

Das Liebste ist mir genommen. Wofür soll ich noch leben? Wofür weiterleben? Nichts ist mehr, wie es war.

So viel Verzweiflung. So viel Schmerz. So wenig Trost.

Wofür noch leben, wenn nichts mehr ist, wie es war? Diese Worte eines Mannes aus den Tagen der Flut treiben mich um. Sie lassen mich nicht mehr los, seitdem mir davon berichtet wurde.

Ich weiß: Viele von Ihnen, die heute hier sind, viele Menschen hier an Rhein, Mosel und Ahr sind zutiefst verzweifelt – wissen nicht, wie es weitergehen soll, seit jener so furchtbares Unheil bringenden Nacht Mitte Juli. Jener Nacht, in der das Wasser kam, das schlimmste Hochwasser seit Menschengedenken hier in der Region, das beschauliche Bäche und Flüsschen zu reißenden Strömen werden ließ, die alles mit sich fortrissen. Schuld, Insul, Dümpelfeld, Altenahr, Mayschoß, Ahrbrück, Dernau, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Sinzig – so viele, viele andere Orte versanken in den Fluten. Meine Gedanken sind heute auch bei den Menschen, die in anderen Teilen unseres Landes und in unseren Nachbarländern schwer getroffen wurden.

Nichts ist mehr, wie es war für Sie, die um Ihre Liebsten trauern, um Ihre Nachbarn, Ihre Freunde. Ich möchte Ihnen, den Angehörigen und Hinterbliebenen, heute mein tiefes Beileid und meine Anteilnahme aussprechen. Wir, das ganze Land, trauern mit Ihnen.

Als Bundespräsident ist es mir ein Anliegen, heute hier bei Ihnen und mit Ihnen zu sein. Ich danke Ihnen, verehrte Frau Ministerpräsidentin, sehr herzlich für die Einladung.

Nichts ist mehr, wie es war – das gilt auch für Sie, die alles verloren haben: Ihre Häuser, Ihren Besitz, Ihre Zukunftspläne, Ihre Träume, Ihre Erinnerungen. Die Bilder der Zerstörung, der Verzweiflung, des Leids, diese Bilder haben mich erschüttert. Sie haben Menschen überall in Deutschland erschüttert. Und überall in Deutschland fühlen die Menschen mit Ihnen.

Ich habe enormen Respekt davor, dass Sie trotz Ihrer Verzweiflung nicht aufgegeben haben. Dass Sie trotzdem anpacken, nach vorne blicken, so unendlich schwer es auch oft fallen mag. Und auch dafür möchte ich Ihnen danken!

Dankbar bin ich auch für die überwältigende Hilfsbereitschaft, die Sie in den letzten Wochen gezeigt haben, auch hier am Nürburgring. Sie haben Leben gerettet, Sie haben geholfen, Sie haben Kleider, Decken, Essen, Getränke gebracht und verteilt: Sie, die professionellen Helferinnen und Helfer, aber auch die vielen Freiwilligen, die aus dem ganzen Land angereist sind. Mein Dank gilt auch den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen. Und ich danke all jenen, die so großzügig gespendet haben.

Als Bundespräsident weiß ich: In der Stunde der Not sind wir ein starkes, ein solidarisches Land. Wir stehen zusammen.

Ich weiß aber auch: Sie, die Sie so schwer getroffen wurden, Sie brauchen dringend finanzielle Unterstützung, und ich begrüße den umfangreichen Hilfsfonds, den die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Auch die Länder haben Gleiches getan. Die Gelder müssen so schnell wie möglich zu Ihnen kommen, zu denen die diese Hilfe dringend brauchen!

Aber das wird nicht reichen. Sie brauchen unsere Hilfe und unsere Aufmerksamkeit nicht nur jetzt, in der akuten Not, sondern für lange Zeit. Das Unheil, das über Sie hereingebrochen ist, es geht uns alle an. Wir alle müssen uns die Frage stellen: Was können wir tun, um auf solche Katastrophen, auf solche Extremwetterlagen besser vorbereitet zu sein?

Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen: Wir stehen an Ihrer Seite. Wir wissen, dass in Ihrem Leben nichts mehr ist, wie es war. Aber Sie sollen wissen: Auf Ihrem Weg zurück ins Leben lässt Sie Ihr Land nicht allein.

Vielen Dank!