"Die Stärke unserer Medienlandschaft liegt in ihrer Vielfalt"

Schwerpunktthema: Rede

Leipzig, , 17. April 2024

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zur Eröffnung der Medientage Mitteldeutschland in Leipzig ein Videogrußwort übermittelt.

Hallo, hallo – hier ist Leipzig! So ging vor fast genau hundert Jahren der "Leipziger Meßamtssender" on air. Nach Berlin der zweite Sender im Land überhaupt und der erste Mitteldeutsche Rundfunk.

Heute heißt es: Hallo, hallo, Leipzig – hier ist der Bundespräsident! Und ich sende Ihnen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Medientage Mitteldeutschland, meine herzlichen Grüße zu Ihrer Konferenz!

In den kommenden beiden Tagen werden Sie sich längst nicht allein mit Radio beschäftigen. Die Stärke unserer Medienlandschaft liegt in ihrer Vielfalt aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk, privaten Medien und Verlagen und gemeinnützigem Journalismus. Diese Vielfalt schafft Resilienz und Vertrauen. Und diese Vielfalt spiegelt sich natürlich auch in Ihrem Programm: von der Frage, ob Künstliche Intelligenz den Lokaljournalismus retten kann, über Fördertöpfe für private Medien hin zum Programm-TÜV für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Gerade in diesem Superwahljahr mit Europawahl, Kommunalwahlen und drei Landtagswahlen wird überdeutlich, welch wichtige Rolle Medien als Quelle von seriösen Informationen und Meinungsbildung in unserer Demokratie erfüllen. Wie wichtig diese Funktion ist, das merkt man oft gerade erst dann, wenn sie fehlt: Wenn die Lokalzeitung verschwindet, verschwinden oft auch ein Stück Identität und Identifikation und vor allem Information. Darunter leidet auch unsere Demokratie: je weniger Lokaljournalismus, umso niedriger die Wahlbeteiligung. Diese Erkenntnis ist bei Weitem nicht neu.

Wir befinden uns heute aber in einem Spannungsfeld zwischen Medienmündigkeit und Medienmüdigkeit. Wir sehen, dass wir gerade eine Art Rollback erleben und fast wie vor hundert Jahren, als nur die Städter den Rundfunk empfingen, einen signifikanten Teil der Menschen schwer oder gar nicht mehr erreichen. Während ältere Menschen nach wie vor stärker analoge Medienangebote nutzen, finden junge Menschen vor allem digitalen Zugang zu Medien. Doch ob Nachrichtensendung, gedruckte Zeitung, Podcast oder Insta-Story: Die Vielfalt der Formate unserer Medienlandschaft ist auch eine Chance, möglichst allen Menschen ein gutes und passendes Informationsangebot machen zu können. Das hat etwas mit Zugang zu tun. Nur wer weiß, worum es geht, kann überlegt mitentscheiden. Es geht um demokratische Mündigkeit.

Die Vielfalt fordert uns aber auch. Um die Vielzahl an Informationen und Formaten besser einordnen zu können, Berichte von Kommentaren oder auch Werbung zu unterscheiden und fundierten Journalismus erkennen zu können, brauchen wir Medienkompetenz. Während es bei den Älteren eher darum geht, technologische Zugangshürden zu überwinden, müssen Jüngere den qualitativen Unterschied zwischen Tiktok und Tagesschau verstehen lernen – und wir alle einen kritischen Umgang mit Informationsquellen. Das ist der Schlüssel, um der Medienmüdigkeit etwas entgegenzusetzen und möglicherweise verlorene Zielgruppen zurückzugewinnen.

Nicht nur in Ihrem Sendegebiet, doch auch hier kämpfen immer mehr Medienschaffende in einem Umfeld des Misstrauens, bis hin zu Ablehnung und Hass. Es ist kein Zufall, dass für die Feinde der Demokratie Journalistinnen und Journalisten ein bevorzugtes Angriffsziel sind. Das kann eine Demokratie, das können und dürfen wir nicht hinnehmen! Als Bundespräsident bin ich überparteilich, aber nicht unparteiisch, wenn es um die Demokratie selbst geht. Journalisten vor politisch motivierter Gewalt zu schützen und ihnen gegen jede Form von Einschüchterungsversuchen den Rücken zu stärken, das ist in unserer Demokratie praktizierter Verfassungsschutz.

Und auch Sie, liebe Medienschaffende, sind nicht unparteiisch, wenn es um die Demokratie geht. Im Gegenteil: Sie schaffen mit Ihrer Arbeit die unverzichtbare Grundlage für demokratische Debatten und Selbstbestimmung. Sie sind nah dran an den Menschen vor Ort. Wie wertvoll diese Nähe für unsere Demokratie ist, habe ich eingangs erwähnt. Sie arbeiten gerade dort, wo es drauf ankommt, Tag für Tag gegen die Medienmüdigkeit, und Sie tragen Verantwortung für die Demokratie. Dafür danke ich Ihnen!

Mit diesem Dank verabschiede ich mich und gebe ab nach Leipzig. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Konferenz!