Interview von Bundespräsident Horst Köhler mit der Süddeutschen Zeitung. Die Fragen stellten Hans Werner Kilz, Heribert Prantl und Claus Hulverscheidt.

Schwerpunktthema: Interview

Berlin, , 11. Dezember 2008

Porträt Bundespräsident Horst Köhler

SZ:Herr Bundespräsident, Sie haben den deutschen Bankmanagern die Leviten gelesen und ihnen vorgeworfen, dass sie sich an zu hohen Renditen berauscht und Risiken ignoriert haben. Wie war das Echo aus der Bankenwelt?

Horst Köhler:Insgesamt einsichtig, scheint mir. Manche der Verantwortlichen sehen aber wohl weiterhin die Fehler hauptsächlich woanders. Interessant ist die Reaktion mancher Bankangestellter im Kundendienst. Einige haben mir regelrecht ihr Herz ausgeschüttet. Sie finden, dass sie für eine Sache instrumentalisiert wurden, die niemand mehr überblickte.

SZ:Die Botschaft ist also angekommen?

Horst Köhler: Es geht um mehr: Mir macht Sorge, dass bisher keine systematische Ursachenanalyse der Krise angepackt wurde. So etwas brauchen wir, und zwar auf internationaler Ebene und von sachverständigen und unabhängigen Persönlichkeiten.

SZ:Was muss also konkret getan werden?

Horst Köhler:Eine systematische Aufarbeitung sollte aus meiner Sicht vier Ansatzpunkte umfassen: Erstens müssen wir die Ordnungsfunktion des Staates auf den internationalen Finanzmärkten neu definieren und wirksam durchsetzen. Zweitens muss es um den Abbau der globalen Ungleichgewichte gehen. Die USA haben jahrelang auf Kredit konsumiert. Das hat vielen schöne Exporterfolge beschert, auch Deutschland, aber irgendwann führen solche Ungleichgewichte zu Verwerfungen. Drittens müssen wir uns klarmachen: Armut und Klimawandel bedrohen auch unsere Stabilität, nicht nur die der Armen. Also müssen wir den Kampf gegen Armut und Klimawandel als strategische Aufgabe begreifen, die alle angeht und die wir nur bewältigen können, wenn alle zusammenarbeiten. Und viertens: Wir brauchen als Weltgemeinschaft ein gemeinsames Ethos. Und Wirtschaftsführer, die danach handeln. Wir müssen lernen, mit anderen nur so umzugehen, wie wir selbst behandelt werden wollen. Egoismus im 21. Jahrhundert heißt, sich auch um die anderen zu kümmern. Und Deutschlands Mitverantwortung für die Welt ergibt sich auch aus deutschem Eigeninteresse.

SZ:Kann man sagen, dass der Kapitalismus den Zusammenbruch des Kommunismus falsch verstanden hat und seither als eine Art Heilslehre begriffen wird, die sich nicht mehr rechtfertigen muss?

Horst Köhler:Kann schon sein, dass im Lauf der Jahre die Euphorie über das Ende des Kommunismus teilweise auch in Überheblichkeit abgeglitten ist. Ich selbst habe in meiner Antrittsrede beim IWF im Jahr 2000 gesagt, dass es nicht gut gehen kann, wenn Kapitalmärkte und Realwirtschaft auseinanderdriften. Wachstum muss allen Menschen zugute kommen. Um diesen Test geht es bis heute.

SZ:Sie haben das Monster schon gesehen, als es noch kein anderer gesehen hat?

Horst Köhler:Ich war beileibe nicht der einzige, und auch nicht der erste. Aber auch der größte Skeptiker hat sich nicht ein solches Maß an Leichtgläubigkeit, ja Ignoranz von Finanzmarktakteuren vorstellen können, wie es jetzt zu Tage getreten ist.

SZ:Warum hat nie jemand laut und deutlich "Stopp" gerufen?

Horst Köhler:Es gab diese Rufe. Aber sie haben die Ohren der Verantwortlichen nicht erreicht. Und wenn Vorschläge gemacht wurden, zum Beispiel für mehr Transparenz, dann wurden sie abgeblockt, weil einige Finanzzentren Geschäftseinbußen befürchteten. Und die Politik ließ das zu. So entglitten die Finanzmärkte der Kontrolle.

SZ:Ausgerechnet viele deutsche Landesbanken haben besonders grotesk versagt. Müssen nicht die Staatsbanker komplett umdenken?

Horst Köhler:Dafür gibt es Anlass. Ich selbst war ja, wie Sie wissen, auch einmal Chef des Sparkassenverbandes. Ich habe schon damals versucht, die Landesbanken in den Griff zu bekommen ...

SZ:... und Sie sind gescheitert.

Horst Köhler:Wohl wahr. Mir schwebte vor, aus den Landesbanken ein einziges schlagkräftiges Spitzeninstitut zu formen, das den Sparkassen Dienstleistungen zur Verfügung stellt, die sie nicht selber vorhalten können, wie die Entwicklung von modernen Sparprodukten oder die Begleitung des Mittelstands im Auslandsgeschäft.

SZ:Das gibt es bis heute nicht. Woran kranken die Landesbanken?

Horst Köhler:Die meisten haben kein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell; es gibt politische Einflussnahme. So kam es zu hoch riskanten Anlagegeschäften, die mit dem ursprünglichen Auftrag der Landesbanken nichts mehr zu tun hatten.

SZ:Heißt das, dass Politiker in Bank-Aufsichtsgremien nichts zu suchen haben?

Horst Köhler:Ein politisches Mandat allein reicht jedenfalls nicht aus.

SZ:Welche Erfahrungen haben Sie persönlich als Lobbyist des öffentlich-rechtlichen Bankensektors gesammelt?

Horst Köhler:Dass es nicht so einfach ist, den öffentlichen Auftrag dieses Sektors zu verteidigen. Ich bin bis heute überzeugt, dass die Sparkassen gerade in der Globalisierung ihren Platz haben. Sie schaffen Handlungsspielräume in regionalen und kommunalen Lebenskreisen, im Sozialen, im Kulturellen und bei der Förderung des Mittelstands. Aufgrund einer Klage der deutschen Privatbanken landete das deutsche Sparkassenwesen damals vor der EU-Kommission in Brüssel. Da hieß es, die Sparkassen müssten ihren öffentlich-rechtlichen Status aufgeben, weil sie meist weniger als 15 Prozent Rendite erwirtschafteten und folglich nicht wettbewerbstauglich seien. Ich fand diese Argumentation absurd, vor dem Hintergrund eines gesamtwirtschaftlichen Wachstumstrends von zwei bis drei Prozent.

SZ:Ist das ein Plädoyer für die Sparkassifizierung der gesamten Bankbranche?

Horst Köhler:Nein, ein Plädoyer dafür, den öffentlichen Auftrag der Sparkassen auf der Grundlage solider Wirtschaftlichkeit zu bewahren.

SZ:Wer außer Politikern und EU-Kommissaren hat noch versagt?

Horst Köhler:Die Kette des Versagens schließt Staaten und Banken ein, auch Wirtschaftsprüfer, Beratungsunternehmen, Ratingagenturen, Anleger, die Medien. Peter Sloterdijk hat mit Blick auf die Finanzmärkte und ihre Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren von einem Klima allgemeiner Frivolität gesprochen. Ich finde, die Sozialpsychologen könnten sich einmal vertieft über diesen Gedanken beugen.

SZ:Haben wir, insgesamt betrachtet, das Schlimmste der Finanzkrise hinter uns?

Horst Köhler:Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz hat die Politik rasch und entschlossen gehandelt. Aber der Geldhandel zwischen den Banken ist noch nicht wirklich in Schwung gekommen. Ich höre hier und da, der Mittelstand bekommt nur noch schwer Finanzierungen.

SZ:Jürgen Habermas hat kürzlich die hohen sozialen Kosten der Krise als himmelschreiende Ungerechtigkeit bezeichnet. Da stürzen die Banken die ganze Welt in die Rezession, und wer fliegt als erster raus? Die Schwächsten.

Horst Köhler:Da ist was dran. Aber es ist komplizierter. Denn die weltweite Renditejagd wurde ja nicht nur von irgendwelchen schlimmen Kapitalisten angeheizt. Auch viele Normalsparer strebten Verzinsungen an, die nur bei Inkaufnahme hoher Risiken zu erzielen waren. Deshalb erwarte ich jetzt auch, dass die Finanzinstitutionen auch ihre Beratungskonzepte überprüfen.

SZ:Angela Merkel hat gesagt, wir müssten das Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft auf die internationale Ebene übertragen. Wie macht man das? Und klingt das nicht ein bisschen wie: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen?

Horst Köhler:Ich finde es richtig, die Idee der sozialen Gerechtigkeit auch in ihrer internationalen Dimension zu erfassen. Das Recht auf Wohlstand ist nicht für uns reserviert. Eine Zukunftsaufgabe für uns in Deutschland besteht darin, armen Ländern beim Vorankommen zu helfen und trotzdem unseren Wohlstand zu halten. Die Chance der Krise besteht darin, dass sie uns wach macht für die Erkenntnis: Globalisierung bedarf der Gestaltung. Und wir Deutsche haben mit der Sozialen Marktwirtschaft den Beweis erbracht, dass es möglich ist, Freiheit und Marktwirtschaft mit sozialem Ausgleich zu verbinden. Da haben wir etwas anzubieten. Wenn das heute deutsches Wesen ist: nur zu. Die Bundeskanzlerin verdient Unterstützung.

SZ:Und wie verschafft man diesem Modell eine internationale Dimension?

Horst Köhler:Indem man es vorstellt, dafür wirbt. So habe ich zum Beispiel meine Lateinamerikareise vor zwei Jahren unter das Leitthema "Soziale Verantwortung des Unternehmers" gestellt. In Lateinamerika gibt es einen dringenden Bedarf an mehr sozialem Ausgleich. Deshalb geht es für mich neben dem internationalen Krisenmanagement eben auch darum, dass wir uns gemeinsam den Kopf darüber zerbrechen, was sich grundlegend ändern muss, damit mehr Menschen die Erfahrung machen, dass sich ihre Anstrengung für sie und ihre Kinder lohnt. Das ist Teil der Idee, wenn ich von Bretton Woods II spreche: Die Arbeit an einer Weltwirtschaftsordnung, die für alle Wohlstand im eigenen Umfeld fassbar macht und alle Menschen am Fortschritt teilhaben lässt; die faire Handelsverträge für Entwicklungsländer garantiert und die Doppelmoral der Industrieländer abbaut. Dafür haben wir jetzt eine historische Chance.

SZ:Könnten Sie nicht als Bundespräsident, angesichts Ihrer Vita, eine neue Bretton-Woods-Konferenz einberufen?

Horst Köhler:Das kann niemand allein machen.

SZ:Könnten Sie nicht wollen?

Horst Köhler:Ehrlich gesagt: Mich pfupfert das.

SZ:Pfupfert?

Horst Köhler:So sagt man im Schwäbischen. Hochdeutsch: Das juckt mir in den Fingern. Aber in der Aufgabenbeschreibung des Bundespräsidenten kommt das nicht vor.

SZ:Sie sind ein strenger Marktwirtschaftler. Wenn Sie jetzt sehen, dass Autofirmen mit staatlichem Geld, staatlichen Krediten, staatlichen Bürgschaften gerettet werden müssen - da muss es Sie doch grausen?

Horst Köhler:Ja, natürlich graust es mir. Aber nichts zu tun, ist die schlechtere Alternative. Eine Rezession ist unvermeidlich. Das wird Arbeitsplätze kosten. Aber wir müssen und können das Ausmaß der Krise begrenzen. Ich bin da zuversichtlich. Menschen haben die Krise angerichtet, Menschen können sie auch lösen. Ich denke, es ist jetzt die Stunde für eine neue konzertierte Aktion, ein neues Miteinander von Bundesregierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften und den Banken. Die Aufgaben sind klar: Die kurzfristig drängendste Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Banken einander wieder Geld ausleihen und Kredite für die Unternehmen bereitstellen. Mich macht die Bereitschaft vieler mittelständischer Betriebe optimistisch, wegen des demographischen Wandels und trotz der Krise Mitarbeiter zu halten und weiter zu qualifizieren. In der Chemie-Branche haben die Tarifpartner mit Leitlinien für eine moderne Sozialpartnerschaft ein Zeichen gesetzt, und auch vor dem Tarifabschluss in der Metallindustrie ziehe ich meinen Hut. Wenn die Tarifparteien sich jetzt auf eine umfassende, vertrauensvolle Sozialpartnerschaft verständigen, um Arbeitsplätze zu sichern, dann hat das auch eine moralische Qualität, die überzeugt und stabilisiert.

SZ:Das Grundgesetz hat demnächst sein sechzigstes Jubiläum. Was schenken Sie ihm zum Geburtstag?

Horst Köhler:Wenn´s nach mir geht: auch Ruhe. Ich finde, man sollte das Grundgesetz nicht laufend ändern oder ergänzen wollen. Allerdings hoffe ich doch auf eine Föderalismusreform II, die vor allem die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu regelt. Und ich halte es auch für richtig, über den Abstimmungsmodus im Bundesrat nachzudenken. Wolfgang Schäuble hat recht: Enthaltungen sollten dort künftig nicht mehr wie Nein-Stimmen wirken.

SZ:Sie wollen dem Grundgesetz doch selber auch ans Leder: Sie fordern die Direktwahl des Bundespräsidenten.

Horst Köhler:Das haben Sie missverstanden. Das Thema kam auf in einer Diskussion über die Distanz zwischen Bürgern und politischen Entscheidungen. Die gibt es, und ich finde, diese Distanz sollte abgebaut werden. Deshalb bin ich für eine offene Diskussion auch dieser Frage. Und deshalb sollten wir auch über mehr Elemente direkter Demokratie sprechen, übrigens auch innerhalb der Parteien, zum Beispiel bei der Kandidatenaufstellung. Die Bürger sollten bei Wahlen nicht an starre Listen gebunden sein.

SZ:Sie gelten bisweilen als populistischer Präsident, als einer, der sich gegen die Politik profiliert. Kränkt Sie das, macht Sie das zornig?

Horst Köhler:Der Bundespräsident kann kein Neutrum sein. Wenn Menschen jahrelang arbeitslos sind und daran verzweifeln, dann geht es für mich um eine Grundfrage, zu der ich auch Stellung beziehe.

SZ:Wir hätten beim Thema Grundgesetz auf Ihr Plädoyer gegen den Bildungsföderalismus gewartet, der doch eine Qual ist für Schüler, Eltern und Lehrer.

Horst Köhler:Bildung geht jeden von uns an. Ein föderaler Wettbewerb um die besten Bildungsangebote ist hilfreich. Aber wir müssen besser dafür sorgen, dass gemeinsame Bildungsstandards verwirklicht werden, dass finanzschwache Länder nicht hinten runterfallen, und dass Kinder nicht darunter leiden, wenn Eltern in andere Bundesländer umziehen.

SZ:Halten Sie generell das deutsche Schulsystem für durchlässig genug?

Horst Köhler:Nein. Ich finde es beschämend, wie gering die Chancen für Kinder aus Nichtakademiker-Familien auf ein Studium vergleichweise sind. Das ist ein Versagen der ganzen Gesellschaft.

SZ:Ganztagsschulen sind von Ihrer Partei lange aus ideologischen Gründen abgelehnt worden - weil man die Erziehung nicht den Eltern aus den Händen nehmen dürfe.

Horst Köhler:Es gab Versäumnisse auf allen Seiten. Aber die Widerstände lösen sich auf. Was brauchen wir? Jedenfalls keine ewigen Schulstrukturdebatten. Wir brauchen mehr und besser ausgebildete Lehrer, die für ihr pädagogisches Engagement auch mehr öffentliche Anerkennung bekommen. An den Brennpunkten brauchen wir auch mehr Psychologen und Sozialarbeiter in der Schule. Wir müssen unsere Kinder Erfolge erleben lassen, das heißt auch, sie in ihrer Einzigartigkeit entdecken und individuell fördern. Aber wir müssen ihnen auch beibringen, sich anzustrengen. Und für das Studium brauchen wir mehr Stipendien für die, die sich's sonst nicht leisten können.

SZ:Die Bundesbildungsministerin will jeder Schule einen 100.000-Euro-Scheck schicken. Davon sollen Computer gekauft oder Handwerker bestellt werden, die das Dach reparieren oder die Wände mauern.

Horst Köhler:Auch das Auge lernt mit. Bröckelnder Putz im Klassenzimmer, kaputte Toiletten und verschlissene Schulbücher sind eine Botschaft der Erwachsenen an die Kinder. Sie sollten uns eine bessere Botschaft wert sein.

SZ:Herr Bundespräsident, Sie haben für sich entschlossen, dass Sie für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stehen. Es macht Ihnen Spaß, Bundespräsident zu sein?

Horst Köhler:Stimmt. Das Land steht vor großen Herausforderungen. Und ich glaube, dass ich mit meinen Erfahrungen dem Land etwas geben kann. Ich sehe mich in der Pflicht, ich lerne aus Kritik, und ich freue mich darüber, wenn mir die Leute sagen: "Bitte bleiben Sie Bundespräsident."

SZ:Sie haben kurz vor Beginn Ihrer Amtszeit gesagt: "Fröhlicher, optimistischer, voller Ideen und Tatendrang soll Deutschland nach Ende meiner Amtszeit sein". Sie haben nun das Land angeschaut und festgestellt, dass das alles noch nicht eingetreten ist. Sie müssen also praktisch weiter machen.

Horst Köhler:Das Land steht auf einem guten Fundament, die Menschen haben Ideen. Wir haben an Selbstbewusstsein gewonnen, ohne Bescheidenheit aufzugeben. Das ist eine gute Mischung, finde ich. Nehmen Sie die Besonnenheit, mit der die Bürger die schlechten Nachrichten dieser Tage aufnehmen. Das ist ein Zeichen für innere Stabilität.

SZ:Welchen Anteil hat Ihre Frau an der Entscheidung, noch einmal anzutreten?

Horst Köhler:Meine Frau hat mir versprochen, mich auf dem Weg zu begleiten. Das macht mich froh, und ich bin stolz darauf, wie sie ihre Aufgaben wahrnimmt. Ich bewundere sie auch für ihr eigenes Engagement für Menschen mit chronischen seltenen Erkrankungen in der Selbsthilfeorganisation Achse. Es ist einfach schön, sie an meiner Seite zu haben.

SZ:Warum machen Sie keine öffentlichen Auftritte zusammen mit Gesine Schwan, ihrer Konkurrentin um das erste Amt im Staat?

Horst Köhler:Frau Schwan wird als eine der Beauftragten der Bundesregierung wie immer zum Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps ins Schloss Bellevue eingeladen. Wahlkampfveranstaltungen werde ich nicht mit ihr bestreiten, da ich keinen Wahlkampf um mein Amt mache.

SZ:Wegen der Würde des Amtes?

Horst Köhler:Wegen dessen, was ich dem Amt schulde. Da verlange ich von mir Disziplin.

SZ:Vor uns liegt das Superwahljahr 2009. Das Parteiensystem, das Parteiengefüge verändert sich, die Linkspartei etabliert sich. Macht Ihnen das Sorge?

Horst Köhler:Ich habe da Grundvertrauen.

SZ:Roman Herzog, ihr Vorvorgänger im Amt, der auch Präsident des Bundesverfassungsgerichts war, macht sich Gedanken, ob das Grundgesetz eigentlich geschaffen ist für fünf, sechs, sieben Parteien. Sie haben diese Sorgen nicht?

Horst Köhler:Weniger. Wir sollten die Bürger nicht unterschätzen.

SZ:Ist es gut, wenn man eine Partei, die Linken, bei der Regierungsbildung generell ausgrenzt?

Horst Köhler:Auch das wird sich regeln. Zum guten Teil hängt es ja auch von der Partei Die Linke selbst ab.

SZ:Was macht Ihnen also wirklich Sorge?

Horst Köhler:Darüber haben wir eingangs miteinander gesprochen. Aber unsere ruhigeren Stunden sollten wir womöglich auch einmal zum Nachdenken darüber nutzen, wie moderne Demokratien die Komplexität politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prozesse so meistern können, dass sie für die Bürger einleuchtend bleiben. Demokratie braucht Bürger, die von Herzen mitgehen. In Amerika sehen Sie ab und zu Riesenschilder: "Obey the law!" - "Befolge das Gesetz!" Aber wer das Gesetz befolgen soll, der muss es auch verstehen können.

SZ:Als Sie im Jahr 2005 den Bundestag auflösten, haben Sie diese Entscheidung mit einer Rede im Fernsehen begründet, die sehr dramatisch war. Damals gab es noch gar keine Finanz- und Wirtschaftskrise. Haben Sie damals nicht übertrieben?

Horst Köhler:Arbeit für alle, gesunde Staatsfinanzen, die Bewältigung des demographischen Wandels und die Gestaltung der Globalisierung bleiben für mich wichtige Ziele der deutschen Politik. Bin ich mit jeder einzelnen Formulierung von damals bis zur letzten Silbe heute glücklich? Der Mensch lernt dazu. Den Anspruch an Reformen halte ich weiter aufrecht.

SZ:Sie spielen Golf, Herr Präsident. Wo liegt eigentlich Ihr Handicap?

Horst Köhler:Meine Frau und ich sagen immer: 34. Wir waren in diesem Jahr drei Mal Golf spielen. Zu mehr reichte die Zeit nicht. Ich will aber unter 30 kommen.