Bundespräsident Horst Köhler im Interview mit dem Tagesspiegel anlässlich des "International Paralympic Day". Die Fragen stellte Annette Kögel

Schwerpunktthema: Interview

Berlin, , 11. Juli 2009

Der Bundespräsident im Gespräch mit zwei Sportlerinnen in weißen Trikots


Tagesspiegel: Sie haben sich in Ihrem Amt als Bundespräsident schon immer stark gemacht für die Paralympischen Spiele. Auf welche Weise wollen Sie das auch in Zukunft tun?

Horst Köhler:Mein Ideal ist eine Gesellschaft, in der Behinderung niemanden ausschließt. Das Ziel ist ein selbstverständliches Miteinander, und der Sport hilft sehr, diesem Ziel näher zu kommen. Ich freue mich, dass der Behindertensport und besonders unsere Paralympioniken in den vergangenen Jahren deutlich mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung bekommen haben. Was ich tun kann, um diese Entwicklung zu stärken, das will ich auch in Zukunft gern tun.

Tagesspiegel:Sie haben zuletzt immer die Paralympics besucht, Sie waren bei den Sommerspielen in Athen 2004 dabei, bei den Winterspielen in Turin 2006 und dann wieder in Peking 2008. Welche Erinnerungen sind Ihnen unvergesslich? Ich erinnere mich daran, dass Sie begeisterter Sledgehockeyfan sind ...

Horst Köhler:Ja, seit dem Spiel Deutschland gegen Schweden 2006 in Turin. Damals setzte sich die deutsche Mannschaft mit 4:0 gegen die Schweden durch, das Stadion war ein Hexenkessel - ein wirklich großartiges Erlebnis. Überhaupt: Die Paralympics zeichnen sich nicht nur durch sportliche Glanzleistungen aus, sondern vor allem durch die fröhliche und unbeschwerte, ja familiäre Atmosphäre. Davon lasse ich mich immer wieder gern anstecken.

Tagesspiegel: Soweit ich weiß, ist Ihre Tochter blind. In welcher Weise hat das Ihren selbstverständlichen Umgang mit Menschen mit Handicap geprägt? Was würden Sie anderen Menschen raten, die womöglich Berührungsängste haben und nicht wissen, wie sie sich Behinderten gegenüber verhalten sollen?

Horst Köhler:Ich würde ihnen ans Herz legen, die eigene Empfindsamkeit zu entwickeln, zu lernen, sich in den anderen hineinzuversetzen: das macht stark. Es passiert viel zu oft, dass wir uns im Alltag das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung unnötig schwer machen. So wie in der Geschichte von der alten blinden Dame, die von einem hilfsbereiten jungen Mann ungefragt und resolut über die vielbefahrene Straße geführt wird, obwohl sie gar nicht die Straßenseite wechseln wollte. Mein Rat ist: Die Menschen sollten keine Scheu haben, aufeinander zuzugehen und vor allem: Fragen und miteinander sprechen! Dabei wird übrigens schnell klar: Was Ausdauer, Hartnäckigkeit oder Kreativität bei der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen angeht, sind Menschen mit Behinderung ziemlich oft Vorbilder.

Tagesspiegel:Die wirtschaftliche Lage infolge der Finanzkrise droht, das Engagement von Sponsoren auch im Behindertensport zu schwächen. Sie haben sich schon vor Jahren mit einem persönlichen Brief an die Chefs großer Unternehmen für deren Einsatz als Förderer stark gemacht. Was legen Sie Firmenvertretern jetzt ans Herz?

Horst Köhler:Wenn ein Unternehmen in Zeiten der Krise weniger Geld für gesellschaftliche Aufgaben bereitstellt, dann finde ich das schade, und ich werbe dafür, hier nicht als erstes zu sparen. Unternehmerverantwortung endet nicht am Werkstor. Zum Glück begreifen das immer mehr. Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, dass zum Beispiel die Allianz und die Deutsche Telekom ihr Engagement im Behindertensport fortsetzen. Das spricht für langfristiges Denken und findet hoffentlich viele Nachahmer.

Tagesspiegel: Sie haben bei den Spielen in Athen, Turin und Peking immer auch die Schülerredaktion der Paralympics Zeitung des Tagesspiegels besucht und den Schülern Rede und Antwort gestanden. Bei diesem internationalen Projekt erstellen junge Leute aus Deutschland und der Austragungsnation das offizielle Blatt der Spiele in mehreren Sprachen. Was denken Sie, kann dieses Projekt bewegen - und werden wir Sie auch in Vancouver und London wieder bei uns begrüßen können?

Horst Köhler:Wissen Sie was? Als nächstes können Sie mich schon am Samstag beim Paralympic Day am Pariser Platz begrüßen. Da komme ich nämlich hin. Und die Leute von der Schülerredaktion der Paralympics-Zeitung sehe ich als Mitstreiter.