Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der Preisverleihung des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten in Hamburg

Schwerpunktthema: Rede

Hamburg, , 19. Oktober 2005

Bundespräsident Horst Köhler im Gespräch mit Wolf Schmidt

Enthält das Thema des aktuellen Durchgangs des Geschichts­wettbewerbs des Bundespräsidenten einen Schreibfehler? Es lautet: "Sich regen bringt Segen? Arbeit in der Geschichte." Ist das Fragezeichen falsch? Wer zweifelt denn daran, dass es Segen bringt, sich zu regen, sich anzustrengen, tüchtig zu arbeiten?

Aber wie ist das zum Beispiel mit dem Erfinder, der sich tüchtig regt und eine Maschine entwickelt, die so schnell arbeitet wie 10 oder 100 Menschen bei einer bestimmten einförmigen Bewegung? Was bedeutet es dann, was die Ökonomen oder die Techniker als Rationalisierungseffekt beschreiben: nämlich die Wegrationalisierung von Arbeitskräften, von Einkommen? Bringt das auch Segen? Und für wen? Und wann? Wir sehen: Im Handumdrehen wird das Thema schwierig und auch spannend.

Spannende Themen sind das Markenzeichen des Geschichts­wettbewerbs. Manchmal klingen sie eher harmlos und allgemein. Aber die Wettbewerbsbeiträge zeigen jedes Mal, wie viel Interessantes, ja Aufregendes die Schülerinnen und Schüler entdecken und erforschen, wenn sie den Wettbewerbsfragen nachgehen. Sie tun das nicht im Elfenbeinturm, sondern sie gehen hinaus ins wirkliche Leben und untersuchen die Geschichte ihrer Heimatorte, sprechen mit Zeitzeugen, stöbern in Archiven und fragen ihre Eltern und Großeltern. Das ist ja auch ein bisschen das Besondere des Geschichtswettbewerbs: dass man nicht in das abstrakt Theoretische und Philosophische stößt, sondern versucht, in dem Bereich, wo die Teilnehmer zu Hause sind, Geschichte aufzuspüren. Auf diese Weise sind eigentlich immer viel mehr Menschen am Geschichtswettbewerb beteiligt, als Namen auf der Teilnehmerliste stehen. Es ist eine große gemeinsame Suche nach der Vergangenheit und ein großes gemeinsames Gespräch darüber, was sich aus ihr lernen lässt.

In diesem Jahr steht das Thema Arbeit im Mittelpunkt. Es ist weiß Gott ein Dauerbrenner, sogar für den Geschichtswettbewerb, denn schon 1977 lautete sein Thema einmal "Arbeitswelt und Technik im Wandel". Andererseits brennt uns dieser Dauerbrenner heißer denn je auf den Nägeln, denn es gibt in Deutschland zurzeit viel zu wenige wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Die Arbeitslosigkeit ist für mich immer noch das Kernthema unserer Gesellschaft und auch die Kernaufgabe, die wir zu lösen haben. Darum ist heutzutage die Frage besonders wichtig, wie wir uns am besten regen sollten, damit es allen möglichst viel Segen bringt.

Die Wettbewerbsbeiträge geben dafür bestimmt so manchen Fingerzeig. Denn schon ein Blick auf die Vielfalt der Themen, zu denen geforscht wurde, zeigt, dass Arbeit in vielen Zusammenhängen untersucht wurde. Dabei wird auch deutlich, dass wir nicht nur an bezahlte Berufstätigkeit denken dürfen, wenn wir von Arbeit sprechen. Auch die Erziehung von Kindern, auch Vereinstätigkeit und auch die Pflege von Verwandten oder Freunden oder einfach die Zuwendung zum Nachbarn, das Gespräch mit dem Nachbarn, kann wertvolle, segensreiche Arbeit sein, nur eben meistens unbezahlte. Ich glaube, dass diese "unbezahlte Arbeit" - ich möchte das wirklich in Anführungszeichen setzen - ganz wichtige Arbeit ist, dass sie bei uns immer noch zu wenig Anerkennung findet und dass wir uns darüber auch Gedanken machen müssen. Und was gewiss viele Beiträge zeigen: Für die meisten Menschen ist Arbeit mehr als nur Broterwerb. Sie bedeutet Selbstverwirklichung und Lebenssinn. Schon deshalb sollte jede und jeder wieder die Chance haben, einer sinnvollen Arbeit nachzugehen.

Ich bin gespannt darauf, nun gleich mehr über die besten Beiträge zum jüngsten Durchgang des Geschichtswettbewerbs zu erfahren. Ich danke allen, die dieses anspruchsvolle Projekt mit ihrer Arbeit einmal mehr möglich gemacht haben: natürlich der Körber-Stiftung und den beteiligten Lehrerinnen und Lehrern, den Tutoren und allen, die die Arbeit der Schüler positiv ermutigend begleiten. Ich danke Ihnen wirklich herzlich, denn ich weiß aus eigener Erfahrung: Schüler haben unglaublich viele gute Ideen, sie sind unheimlich gut motivierbar, aber: Vieles hängt davon ab, dass die Lehrer den richtigen Ton treffen, den richtigen Zeitpunkt, auch die richtige Anregung, damit die Kreativität der Schüler geweckt werden kann. Deshalb ist es mir wichtig, gerade auch den Lehrerinnen und Lehrern heute hier Anerkennung zu zollen.

Liebe Geschichtsforscher, meine Damen und Herren, meine Frau und ich freuen uns auf die Präsentation der Wettbewerbsbeiträge.