Laudatio auf Friedrich Nowottny anlässlich der Verleihung des Ehrenpreises der Stifter des Deutschen Fernsehpreises im Coloneum in Köln

Schwerpunktthema: Rede

Köln, , 20. Oktober 2006

Bundespräsident Horst Köhler mit Friedrich Nowottny, Frau Köhler und Frau Nowottny

Wie ein Fernsehleben in wenigen Minuten würdigen, noch dazu, wo doch Intendantenjahre beim WDR doppelt zählen? Wie das Verhältnis dieses Journalisten zu den Politikern wahrheitsgetreu schildern - als freundlich und dennoch in der Sache unnachgiebig nämlich - und damit trotzdem Glauben finden? Und schließlich: Wie einem Manne stilistisch halbwegs gerecht werden, der als Meister der beiläufigen Zuspitzung und der ironischen Distanz gilt?

Kurzum: Ich versuche es mit vier Bildern und einem Kurzkommentar.

Bild 1 trägt den Titel: "Am Anfang war Bielefeld, und das Fernsehen weit weg":

Wir schreiben das Jahr 1949. Stellen Sie sich einen Sportplatz in der damaligen Radsporthochburg Bielefeld vor. Der Platz heißt "Königsbrügge" und einer der Radsportvereine "RC Zugvogel". Es geht wohl um das "Blaue Band der Weser".

Ein freier Mitarbeiter der ebenso Freien Presse Bielefeld, der offenbar mit der ihm vor allem aufgetragenen politischen Berichterstattung nicht ganz ausgelastet ist, übernimmt die Streckenreportage an der Radrennbahn. Und siehe da: Die Leute, die ihm zuhören, fühlen sich nicht nur gut informiert, sondern auch noch glänzend unterhalten. Der junge Mitarbeiter wird wenig später Volontär der Freien Presse und steigt schnell zum Leiter des Wirtschaftsressorts auf. Dieser Posten verlangt Detailkenntnis und dennoch guten Überblick, er verlangt sorgfältige Analyse und fundierte Schlüsse, und wer all das in reichem Maße mitbringt und vorführt - der bleibt nicht lange Leiter des Wirtschaftsressorts. Und so ist es ja denn auch Ihnen ergangen, lieber Friedrich Nowottny.

Bild 2: "Bericht aus Bonn - Untertitel: Kompetenz erobert den Bildschirm":

Als Sie mit dem "Bericht aus Bonn" auf Sendung gingen, da war die Fernsehwelt in Deutschland noch schwarz-weiß bzw., was Politisches anging, gelegentlich ziemlich grau in grau. Bei Ihnen dagegen wurde man irgendwie den Eindruck nicht los, man hätte schon Farbfernsehen - weil alles so lebendig wirkte und viel mehr geboten wurde als nur ein paar Graustufen zusätzlich.

Über Jahrzehnte waren Sie fast an jedem Freitag zu Gast in unseren Wohnzimmern. Anfangs hörten wir Sie mehr, als dass wir Sie sahen, so dass wir erst später Ihre unterschiedlichen Brillen bewundern konnten, an denen sich noch heute die Brillenmode im Wandel der Zeiten ablesen ließe.

Und im Wandel der Zeiten haben Sie fast alle Mächtigen und Wichtigen der Bonner Republik befragt - und auch manche von den bloß mächtig Wichtigen -, Sie haben deren Motive erkundet und ihre Handlungen kritisch kommentiert. Der "Bericht aus Bonn" wurde rasch zu einem Vorbild für unaufgeregten, aufgeklärten und aufklärerischen politischen Journalismus. Es war die Art von Angebot, für die es sich in Westdeutschland lohnte, Rundfunkgebühr zu zahlen, und in Ostdeutschland, die Dachantenne zu drehen. Treue Zuschauer hatten Sie jedenfalls in ganz Deutschland.

Sie waren zum Sommerinterview bei Helmut Schmidt am Brahmsee und bei Helmut Kohl am Wolfgangsee. Sie haben viele Staatsbesuche journalistisch begleitet. Und Sie haben auch komplexe politische Sachverhalte so verständlich dargestellt und hinterfragt, dass Sie sich damit bleibende Verdienste um die politische Kultur in unserem Land erworben haben.

Bild 3: "Friedrich Nowottny und das Amt des Bundespräsidenten":

Verehrte Gäste, nun stellen Sie sich bitte für einen Moment den Amtssitz des Bundespräsidenten vor, und jetzt wird ein O-Ton von Friedrich Nowottny eingespielt:

[Friedrich Nowottny:] "Herr Bundespräsident, Anlass für diese Sendung aus Ihrem Hause ist ein ungewöhnlicher Vorgang. Durch eine Reihe von Veröffentlichungen in Wochen- und Tageszeitungen hat sich der Eindruck verfestigt, dass der Bundespräsident durch die politische Landschaft wandert und ungeniert politische, ja parteipolitische Anmerkungen macht, die über das hinauszugehen scheinen, was in den Jahren seit Verkündung des Grundgesetzes für Bundespräsidenten Norm war."

Man könnte meinen, Friedrich Nowottny sei zurück im Ring. Aber nicht ich muss die eben gestellte Frage beantworten. Das hat 1976 Walter Scheel schon getan, damals noch in der Villa Hammerschmidt. Sie sehen, meine Damen und Herren: Es gibt gediegene Kontinuitäten in der bundesdeutschen Politik; und fast jedes politische Thema ist auch schon einmal von Friedrich Nowottny aufbereitet worden - wobei so dezente Anmoderationen wie die eben gehörte heute eher selten geworden sind.

Letztes Bild mit Kurzkommentar:

Ich überschreibe es: "Der Intendant und Gremienmensch".

Sie wurden Intendant, als das Privatfernsehen die Kinderschuhe abstreifte. Wohin der Weg führte, zeigt ein Blick in die eindrucksvolle Runde hier im Saal.

Sie haben sich immer dafür eingesetzt, dass trotz dieser fulminanten Konkurrenz die "Erste Reihe" auch weiterhin für die Zuschauer der ARD reserviert blieb. Ein Abonnement gibt es für diese Plätze freilich nicht mehr, aber was hochklassigen politischen Journalismus angeht, bleibt die ARD-Senderfamilie dem Vorbild verbunden und verpflichtet, das Sie und Persönlichkeiten Ihres Schlages gegeben haben.

Zwei Zitate von Ihnen sind mir besonders nahe: In einem Interview aus dem Jahre 1963 haben Sie gesagt: "Ich bin nun mal Optimist und ich komme immer wieder darauf zurück". Und 1995 in einer Fernsehtalkshow: "Wir können nur mit Qualität überleben".

Sie haben diesen Optimismus und Ihren hohen Qualitätsanspruch bei der journalistischen Arbeit mit verdienter öffentlicher Wirkung gelebt. Sie haben aber der Versuchung stets widerstanden, in den von Ihnen verantworteten Sendungen selbst Politik zu machen.

Bei Ihrem Abschied vom WDR vor einigen Jahren wurden Sie in einem Interview gefragt, was Sie vermissen. Sie haben geantwortet: "Einen Satz wie: 'Das haben Sie eigentlich ganz gut gemacht!' ".

Lieber Friedrich Nowottny: Sie haben - das darf ich doch sagen? - es weit mehr als nur "ganz gut gemacht". Und darum also heute eine hochverdiente Ehrung für eine Lebensleistung, die beileibe nicht abgeschlossen ist, die aber den heutigen Zwischenbeifall weidlich verdient hat.