Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der Konferenz der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Wittenberg

Schwerpunktthema: Rede

Wittenberg, , 16. Februar 2007

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult vor einem Altar und einem Gemälde
Herzlich willkommen in Deutschland, herzlich willkommen hier an der Wiege der lutherischen Reformation. Ich bin gern gekommen, um Sie alle zu begrüßen. Wann erlebt man das schon einmal, dass so viele hohe kirchliche Repräsentanten aus ganz Europa an einem Ort versammelt sind. Das schafft nur die Ökumene.

Wie vielen anderen Gläubigen in unserem Land liegt mir das Gespräch zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen auch persönlich sehr am Herzen. Der Motor der Ökumene scheint allerdings etwas ins Stottern geraten zu sein, wenn schon Kardinal Lehmann, als ein Mann, der sich wirklich um den Austausch mit seinen christlichen Brüdern müht und überhaupt nicht im Verdacht steht, einen Exklusivitätsanspruch seiner Konfession wie einen Schild vor sich herzutragen, wenn schon ein solch kluger Kopf in der Zeitung jüngst schreibt: "Die Ökumene ist ein Geschenk des Geistes. Darum wird die ökumenische Bewegung auch nicht untergehen. Aber Krisen und Rückschläge muss sie gewiss überstehen. Wenn nicht alles täuscht, stehen wir vor einer solchen Bewährungsprobe."

In demselben Zeitungsartikel, der überschrieben war mit "Führende Bischöfe in Deutschland nennen Leitlinien für das Christsein von morgen", haben Sie, Herr Ratsvorsitzender, lieber Bischof Huber, der Sie sonst auch das Gespräch mit den Brüdern und Schwestern der anderen Konfessionen intensiv pflegen, Worte zur Ökumene umgangen. Sie benutzen explizit die Formulierungen "unsere Kirche" und "unsere Kirchenräume" und meinen Ihre, die Evangelische Kirche. Gibt es nicht auch gemeinsame Leitlinien der beiden großen Kirchen für das Christsein von morgen?

Mir scheint, die Ökumene braucht neuen Schwung. Da sind wir alle als Christen gefragt. Und dazu sind Sie, sehr geehrte Damen und Herren, dieser Tage hier in Wittenberg. Ich kann Ihnen sagen - und Sie wissen es auch selber -, dass sich viele in unserem Land Fortschritte in der Zusammenarbeit und in der gegenseitigen Anerkennung der verschiedenen christlichen Kirchen wünschen. Das gemeinsame Abendmahl ist ein großes Thema.

Liebe Theologen im Publikum, ich weiß, Sie haben Ihre Gründe für die Unterschiede. Die Jahrhunderte lang getrennte theologische und glaubenspraktische Entwicklung lässt sich nicht einfach aufheben. Und die Kirchen sind gerade in den vergangenen Jahrzehnten schon viele Schritte aufeinander zugegangen. Ein gutes Beispiel sind die Europäischen Ökumenischen Versammlungen. Dennoch: In den Gemeinden bleibt der Wunsch nach mehr Gemeinschaft, größerer Annäherung. Gerade in einer Zeit, in der sich die Kirchgänger immer stärker in der Minderheit fühlen.

Andererseits ist heute das Interesse an religiösen Themen und Fragen groß. Die Kirchen genießen hohe Aufmerksamkeit und werden auch zu ethischen Problemstellungen befragt. Sie können die Chance nutzen, indem sie die Stimmenvielfalt und Verschiedenheit in den Dienst der zentralen Botschaft ihres Glaubens und ihrer Überzeugungen stellen. Aber sie können die Chance auch verspielen, wenn Verschiedenheit und Streit die Botschaft ihres Glaubens übertönen.

Ich erhoffe mir von den Christen in unserem Land, in dem ungefähr gleich viele Protestanten und Katholiken leben, ich erhoffe mir von den Kirchen hierzulande neuen Antrieb für die Ökumene.

Nun habe ich selbstverständlich einen sehr deutschen Blick auf die Ökumene. Gerade hier in Wittenberg liegt es nahe, darüber nachzusinnen, welche Wege die Evangelische und die Katholische Kirche heute gemeinsam, welche Wege sie jede für sich gehen und warum. Mit einer erweiterten Perspektive aber auf die Christen in der ganzen Welt verlangt auch das Gespräch mit den Orthodoxen Kirchen besondere Aufmerksamkeit.

Das Ziel lässt sich vielleicht am besten mit den Worten des Epheserbriefes beschreiben: "Und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens".

Wir befinden uns hier, in der schönen Stadtkirche von Wittenberg, an dem Ort, an dem einst Martin Luther predigte. Eines seiner zentralen Anliegen - wenn man nicht sogar sagen muss, das zentrale Anliegen - war, dass die Schrift Gehör findet, dass von der Bibel her die Lehre entfaltet wird, dass an ihr sich der Glaube ausrichtet, das Denken und Handeln der Christen. Und wenn ich es richtig sehe, dann liegt Ihnen allen heute dieses Verständnis der Heiligen Schrift nicht fern. Meine Damen und Herren, die Worte aus dem Epheserbrief geben Ihnen einen klaren Auftrag.

Ich wünsche Ihnen Kraft und Mut zur Ökumene. Ich wünsche Ihnen Fingerspitzengefühl für die richtigen Worte im richtigen Moment - und Gelassenheit, wenn das falsche Wort einmal im falschen Moment kommt.

Zum Abschluss darf ich vielleicht aus einem Gebet zitieren. Es hat der Mann geschrieben, der treu an Martin Luthers Seite stand, "der Grieche", "der Lehrmeister der Deutschen", der Mann, von dem Martin Luther gesagt haben soll: Wer ihn nicht als seinen Lehrmeister anerkenne, sei ein dummer und dämlicher Esel und ein Banause. Er wurde genau heute vor 510 Jahren geboren. Er - Philipp Melanchthon - richtete folgende Worte an Gott:

"Erwähle und bewahre dir in diesen Landen eine unvergängliche Kirche! Heilige und vereinige sie mit deinem Heiligen Geist, damit sie in dir eins sind in der Erkenntnis und Anrufung deines Sohnes."

Möge die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung, möge das Treffen hier in Wittenberg mit dazu beitragen.