Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler zur Verleihung des Hauptschulpreises

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 10. Mai 2007

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

Herzlich willkommen in Schloss Bellevue! In diesem Schloss findet manche Ehrung statt - mal sind es Spitzensportler, mal herausragende Wissenschaftler, mal Oscar-Preisträger und oft auch ganz "normale" Menschen, die auf die eine oder andere Weise etwas Besonderes geleistet haben. Heute - bei der Verleihung des Hauptschulpreises - steht Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, mit Euren Lehrern und Euren Schulen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Und darum geht es dem Hauptschulpreis: Um Aufmerksamkeit und Anerkennung für Schulen, die ihre Schülerinnen und Schüler engagiert, kompetent und vorbildlich auf den Hauptschulabschluss und die Berufsausbildung vorbereiten, um Schulen, die sich erfolgreich um die Entwicklung der Schüler und um ihre eigene Weiterentwicklung bemühen, um Schulen, die nicht nur Orte zum Lernen, sondern auch zum Leben sind.

Die Zahl der Bewerbungen um den Hauptschulpreis hat sich in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdoppelt. Das zeigt, dass der Preis Wirkung hat und großes Ansehen genießt. Das zeigt auch, wie groß in unseren Hauptschulen die Bereitschaft ist, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Und es zeigt, wie groß der Einsatz dafür ist, die Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern und ihnen das bestmögliche Rüstzeug auf ihren Weg mitzugeben. Ich denke, das verdient Anerkennung und Unterstützung. Und ich hoffe, dass die Leistungen, die wir heute auszeichnen, anderen ein Vorbild sind. Denn ein zentrales Anliegen des Hauptschulpreises ist es, Vorbilder und positive Beispiele herauszustellen, damit die Saat guter Ideen an möglichst vielen Orten aufgeht.

Von meinen Besuchen in Hauptschulen und aus vielen Gesprächen und Briefen weiß ich um die Probleme, die es natürlich in den Hauptschulen auch gibt. Patentrezepte für die gute Hauptschule hat niemand, aber ein paar wichtige Zutaten sind bekannt - Zutaten übrigens, die für alle Schulen von Bedeutung sind.

Um Schülerinnen und Schüler zum Erfolg zu führen,
- brauchen wir als erstes genug qualifizierte und motivierte Lehrer, die mit ihren Aufgaben nicht allein gelassen werden, sondern die nötige Unterstützung erhalten;
- wir brauchen auch möglichst kleine Klassen, die die gezielte Förderung jedes einzelnen Schülers bis hin zu maßgeschneiderten Lehrplänen ermöglichen, und
- wir brauchen die enge Zusammenarbeit zwischen Schule, Eltern, Vereinen und anderen außerschulischen Partnern.
- Dazu gehören für mich auch gute Kontakte zur Wirtschaft: zu Firmen, die Praktika anbieten, zu Personalchefs, damit sie in den Schulen Bewerbungstrainings anbieten, zu Betrieben, die ausbilden.
- Und nicht zuletzt sind Zeit und Geld nötig, um möglichst alle Schülerinnen und Schüler zum Erfolg zu führen: Wir müssen bereit sein, auf allen Ebenen mehr in unser Bildungssystem zu investieren. Und wir dürfen die Schulen nicht hektisch von einer Reform zur nächsten hetzen.

Aber immer und überall kommt es dabei auf Euch an, liebe Schülerinnen und Schüler: Es liegt auch und insbesondere an Euch, die schulischen und außerschulischen Bildungsangebote richtig zu nutzen. Ich weiß, das ist oft ganz schön anstrengend, aber ich weiß auch: am Ende lohnt es sich.

Wer sich anstrengen soll, braucht ein Ziel. Tun wir genug dafür, um jungen Menschen verlässliche Perspektiven zu geben? Immer noch verlassen viel zu viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Immer noch haben viele Schulabsolventen nur unzureichende Kenntnisse erworben und ihre Fähigkeiten nicht entfaltet, manchmal nicht einmal entdeckt. Und immer noch machen auch engagierte Jugendliche mit guten Zeugnissen die enttäuschende Erfahrung, dass es ihnen nur schwer gelingt, eine Lehrstelle, Arbeit und Anerkennung zu finden.

Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Alle jungen Menschen sollen wissen: sie haben einen Anspruch darauf, dass wir sie fordern und fördern, dass sie die wichtige Erfahrung machen können, gebraucht zu werden. Das ist die Verpflichtung der Erwachsenen. Dieser Anspruch muss eingelöst werden: um jedes Einzelnen willen, aber auch um der Gesellschaft willen, die darauf baut, dass die Menschen etwas leisten wollen und sich einbringen können.

Erfolg in der Schule fällt viel leichter, wenn man auch zuhause, in der eigenen Familie, Rückhalt und Ermutigung findet. Leider gelingt das nicht in allen Familien. Dann sind engagierte Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen umso wichtiger. Engagierte Pädagogen, die keinen Schüler verloren geben, die darauf brennen, den ihnen anvertrauten jungen Menschen etwas beizubringen und die dabei auch unter schwierigen Voraussetzungen Großartiges leisten, sind für mich Helden des Alltags. Ich freue mich ganz besonders, dass wir heute auch einige unter uns haben! Auf Sie, liebe Lehrerinnen und Lehrer hier im Saale, trifft das eben in besonderer Weise zu. Sie sehen sich mit wachsenden Anforderungen konfrontiert. Lob und Anerkennung erhalten Sie für Ihren Einsatz aber noch viel zu selten. Es freut mich daher ganz besonders, dass heute ein engagierter Lehrer für seine Leistungen und zugleich stellvertretend für viele verdiente Kolleginnen und Kollegen mit dem Lehrerpreis geehrt wird. Und ich bin den Unterstützern dieser Initiative sehr dankbar, dass sie das möglich gemacht haben.

Sie kennen wohl alle die drängenden Herausforderungen an vielen Schulen mit Hauptschulabschluss aus Ihrer täglichen Arbeit. Ich freue mich darüber, dass sich die Schulpolitik diesen Herausforderungen stellt und ihnen nach meinem Eindruck wachsende Aufmerksamkeit widmet. Dabei hoffe ich, dass sich diese neue Aufmerksamkeit nicht wieder vorwiegend in Diskussionen um Schulformen und Schulstrukturen niederschlägt. Ausgangspunkt allen Diskutierens sollte vielmehr die Erkenntnis sein: Es geht um die Schülerinnen und Schüler, es geht um Menschen und um das, was für die Bildung und Förderung dieser jungen Menschen dringend nötig ist. Es geht nicht um Parteipolitik, es geht nicht um die Profilierung Einzelner, sondern es geht um den Beitrag, den wir, die Erwachsenen, die Politik, leisten können, um diesen jungen Menschen die bestmögliche Vorbereitung fürs Leben zu geben. Das sollte unsere Richtschnur sein.

Dazu gehören die Fragen: Was kann Schule leisten und wo wird Schule überfordert? Wo gilt es, schon im vorschulischen Bereich anzusetzen, wie zum Beispiel in der Sprachförderung? Was heißt individuelle Förderung im Schulalltag? Wie gelingen die Übergänge zwischen Schulen und zwischen dem Schulabschluss und dem Berufseinstieg? Einiges hat sich in den vergangenen Jahren schon bewegt und darüber freue ich mich. Aber es bleibt noch viel zu tun. Gute Reformen brauchen dabei nicht nur das Engagement der Handelnden und sie brauchen nicht nur Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Sie benötigen vor allem auch die Bereitstellung der dazu erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen.

An den Schulen, die heute geehrt werden, haben Schulleiter und Lehrer gemeinsam mit Schülern, Eltern, Vereinen und Betrieben selbst die Initiative ergriffen. Und wenn Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, Euch um einen Ausbildungsplatz bewerbt, dann solltet Ihr darin auch den Erfolg Eurer Schule beim Hauptschulpreis erwähnen. Nur mit Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, war dieser Erfolg möglich!

Ich wünsche Euch für Eure Zukunft Kraft, Ausdauer, Optimismus, wo nötig die erforderliche Unterstützung und vor allem viel Erfolg: beim Schulabschluss, beim Finden des richtigen Ausbildungsplatzes und bei Eurer weiteren Lebensplanung. Und seid dabei nicht kleinmütig. Es gibt viele Schwierigkeiten, aber wenn man neugierig ist, wenn man anpackt, dann ergeben sich oft ganz neue Chancen und Möglichkeiten, und die muss man finden!
Und uns allen wünsche ich nun eine spannende Preisverleihung.