Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler zur Eröffnung der Werkzeugmaschinenmesse "EMO Hannover 2007"

Schwerpunktthema: Rede

Hannover, , 17. September 2007

Der Bundespräsident an einem Messestand.

Ich freue mich, heute die EMO Hannover zu eröffnen. Denn ich kann dabei in zufriedene Gesichter blicken. Die Gastgeber dürfen sich über einen runden Geburtstag und eine ausgesprochen erfolgreiche Entwicklung der EMO Hannover freuen. Die Aussteller und Besucher dürfen mit zuversichtlichen Erwartungen in die nächsten Tage gehen, denn der Markt für Werkzeugmaschinen floriert.

Schon als die EMO 1977 zum ersten Mal in Hannover stattfand, war sie die umfassendste internationale Leistungsschau für die Metallbearbeitungstechnik. Heute, zum 30. Geburtstag, ist sie eine der größten Messen der Welt und ich beglückwünsche alle, die das möglich gemacht haben; vor allen Dingen unsere Werkzeugmaschinenbauer, die ja hinter diesem Erfolg stehen.

"Made in Germany" genießt auf dem internationalen Markt für Werkzeugmaschinen einen besonders guten Ruf. Und ich freue mich, dass dieser gute Ruf Hersteller aus aller Welt nach Deutschland lockt. Sie wissen, dass man in unserem Land gute Geschäfte machen kann. Deutschland ist schließlich nicht nur der wichtigste Hersteller, sondern - wie ich gelernt habe - auch größter Absatzmarkt von Werkzeugmaschinen in Europa.

Und die Grundlagen für dauerhaft gutes Wirtschaftswachstum in Deutschland sind heute eindeutig besser als noch am Anfang dieses Jahrzehnts. Dazu haben gleichermaßen Anstrengungen in den Unternehmen - und die nenne ich bewusst als erstes -, aber eben auch maßvolle Lohnabschlüsse und auch eine mutige Reformpolitik beigetragen. Die große Mehrzahl der Menschen in Deutschland erfährt jetzt, dass sich Anstrengungen lohnen. Nun kommt es darauf an, diesen erfolgreichen Weg gemeinsamer Anstrengungen in Deutschland fortzusetzen. Vor allem darf die Politik nicht auf halbem Weg stehen bleiben. Wir müssen in Deutschland noch mehr und anhaltend auf Kreativität, Innovationen und Investitionen setzen. Das ist mit Abstand die wichtigste Voraussetzung, um auch dauerhaft Arbeit zu schaffen und die soziale Sicherheit zu stärken.

Und dabei - das ist jedenfalls meine Lebenserfahrung - kommt es entscheidend auf die Menschen an. Ich werbe darum, auch in den Unternehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen. Ihr Kenntnisstand, ihre Motivation, ihr Fleiß und ihre Zuverlässigkeit sind die verlässlichste Ressource für die Wertschöpfung in jedem Unternehmen.

Heute klagen viele Unternehmen, Fachkräfte seien schwer zu finden - Ingenieure zumal. Und manche Stelle sei trotz langer Suche nicht zu besetzen. Fast 50.000 Ingenieure fehlen am Standort Deutschland, hat ein Forschungsinstitut nach einer Unternehmensbefragung errechnet. Auch die Bundesagentur für Arbeit sieht in einzel-nen Bereichen Engpässe. Einen allgemeinen Fachkräftemangel zeigen die Arbeitmarktdaten zwar noch nicht, aber es ist eindeutig schwieriger geworden, Ingenieure im Maschinen- und Fahrzeugbau zu finden, so dass die Stellen überdurchschnittlich lange vakant sind. Das ist einerseits typisch für Aufschwungphasen; jetzt spreche ich als Ökonom. Und ohne Zweifel ist es ein starker Grund zur Freude, dass wir heute fast 670.000 Arbeitslose weniger haben als vor einem Jahr - und 1,1 Millionen weniger als vor zwei Jahren. Wenn ein Mangel an Fachkräften aber dazu führt, dass Aufträge nicht mehr angenommen werden können, dass Nachfrage ins Ausland abwandert, dann hat das Frühwarnsystem in den Unternehmen nicht funktioniert.

Ich weiß, dass Maschinenbau-Unternehmen in Deutschland mit unterschiedlichen und oftmals kreativen Aktionen versuchen, Nachwuchs zu gewinnen - auch hier auf der EMO. Aber gemessen an ihrem Bedarf stellt sich die Frage, ob das Engagement der Branche ausreicht. Ich möchte Sie daher alle ermuntern, mitzuhelfen, einem möglichen Engpass bei Fachkräften zu begegnen. Denn die demographische Entwicklung und der zunehmende Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern wird dazu führen, dass diese Herausforderung bleibt - über den Konjunkturzyklus hinaus. Daher ist vorausschauendes Denken gerade auch in der Personalpolitik der Unternehmen gefragt.

Die Unternehmer der Werkzeugmaschinenbranche - und nicht nur diese - tun daher gut daran, frühzeitig um Auszubildende zu werben. Denn zum Werkzeugmechaniker ausbilden kann man nur diejenigen, die sich dafür auch interessieren. Interesse weckt, wer in sein Unternehmen einlädt, wer Schülerinnen und Schülern - und ihren Lehrern - ganz konkret zeigt, was die technischen Berufe attraktiv macht. Warum nicht demonstrieren, wie Präzisionsmaschinen hergestellt wer-den und was sich alles mit ihnen produzieren lässt? Ohne den Werkzeugmaschinenbau würde auf der Welt kein Auto fahren und kein Flugzeug fliegen. Das müssen wir unseren Kindern erzählen. Warum nicht zeigen, dass Maschinen- und Anlagenbau viel - und immer mehr - mit Umweltschutz zu tun hat? Warum nicht in eine Partnerschaft mit Schulen eintreten. Viele Aktivitäten an dieser Stelle gibt es schon. Und eine möchte ich ganz bewusst hier auch nennen: die "Wissensfabrik", in der sich führende deutsche Industrieunternehmen zusammen getan haben, um Kinder schon im Grundschulalter mit Naturwissenschaft und Technik vertraut zu machen. Ich weiß, dass auch einige Werkzeugmaschinenhersteller an diesem Projekt beteiligt sind und möchte hier ausdrücklich für dieses Engagement danken. Ich wünsche mir, dass in dieser Richtung noch mehr Aktivität entfaltet wird.

Ich bin davon überzeugt, dass es einen doppelten Effekt hat, wenn Unternehmen sich aktiv um Jugendliche bemühen: Zum einen werben sie für das eigene Unternehmen. Zum anderen wecken sie Interesse. Und Jugendliche, die Interesse an einem Beruf entwickelt haben, die ein Ziel haben, lernen auch besser.

Die viel beklagte mangelnde Ausbildungsfähigkeit mancher Jugendlicher ist ein Problem. Und hier sind zu allererst die Elternhäuser und Schulen, die Bildungspolitik in der Pflicht. Aber auch Unternehmen können etwas tun - aus wohlverstandenem Eigeninteresse, denn der begeisterte Schüler von heute könnte der begabte Auszubildende von morgen oder der hoch spezialisierte Ingenieur von übermorgen sein.

Und auch nach der Ausbildung darf das Lernen nicht aufhören. Unternehmen, die auf qualifizierte Mitarbeiter angewiesen sind, sollten Wert auf Weiterbildung legen - auf die Fortbildung der eigenen Mitarbeiter und auf die Qualifizierung neuer Mitarbeiter, die eine Stelle suchen, aber die Anforderungen noch nicht ganz erfüllen. Mir ist angesichts der aktuellen Diskussion deshalb auch unverständlich, dass die deutschen Unternehmen insgesamt nach einer Studie des Statistischen Bundesamtes ihr Engagement für Weiterbildung zurückgefahren haben. Richtig wäre es, diese Anstrengungen zu verstärken - gerade auch bei älteren Arbeitnehmern. Die Beteiligungs-quote Älterer an Weiterbildungsprogrammen liegt in den skandinavischen Ländern bei 33 Prozent, bei uns bei 10 Prozent. Und dass ältere Ingenieure bei uns überdurchschnittlich oft arbeitslos sind, steht im Widerspruch zum beklagten Mangel an Fachkräften. Wir müssen in Deutschland alle - Politik als erstes, aber eben alle - erst noch richtig begreifen, dass das Wissen und die Erfahrung unserer älteren Mitbürger eine große Zukunftsressource ist, die wir heben sollten. Und auch die Loyalität zum Betrieb von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist ein wichtiger Faktor für eine nachhaltig gute Personalpolitik.

Frauen wechseln seltener den Arbeitgeber als ihre männlichen Kollegen. Doch auch hier liegt Potenzial brach. Nur knapp 11 Prozent der beschäftigten Ingenieure sind in Deutschland Frauen. Gerade wurden in einer Studie die Chancen von Männern und Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen untersucht - "als Impuls für Unternehmen" wie es im Titel heißt.

Die Ergebnisse machen nachdenklich. Demnach ist der berufliche Erfolg von Frauen als Ingenieurinnen, Informatikerinnen oder Chemikerinnen geringer als der von Männern. Das heißt, Sie bekommen weniger Einkommen und Verantwortung und sind seltener in Führungspositionen vertreten als ihre männlichen Kollegen. Das lässt sich jedoch nicht auf schlechtere Noten, mangelnde Auslandserfahrung oder geringere Weiterbildung zurückführen und es lässt sich auch nicht darauf zurückführen, dass diese Frauen Kinder haben.

Im Gegenteil! Im Vergleich zu ihren kinderlosen Kolleginnen und Kollegen, so stellte die Studie fest, sind die hochqualifizierten Väter und Mütter erfolgreicher. Wenn die Frauen weiter im Beruf bleiben, sind Kinder also kein Karrierehindernis. Dazu müssen sich aber - für Väter und Mütter - Beruf und Familie besser vereinbaren lassen. Das erfordert Arbeitgeber, die nicht nur von ihren Mitarbeitern Flexibilität fordern, sondern selbst auch bereit sind, sich flexibel zu zeigen bei Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung. Längst liegen ausreichend Untersuchungen vor, die beweisen, dass sich eine solche Personalpolitik auch in der Produktivität und Rentabilität von Unternehmen positiv niederschlägt.

Alle Potenziale zu nutzen, die unser Land zu bieten hat, heißt auch, sich um eine bessere Integration von Immigranten zu kümmern. Das ist eine Aufgabe von uns allen und Unternehmen können auch hier einen wichtigen Beitrag leisten. Arbeit ist ein entscheidender Integrationsfaktor, denn Arbeit bringt nicht nur Einkommen, sondern verhilft auch zu Selbstbewusstsein, zu seelischer Stabilität und sozialen Kontakten.

Es darf uns deshalb nicht ruhen lassen, dass es Jugendliche in Deutschland mit Migrationshintergrund, wie das eigentlich nicht schön heißt, - bei gleichen schulischen Leistungen - deutlich schwerer haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Selbst bei Zuwanderung und eventuell wieder höheren Geburtenraten wird der Bevölkerungsrückgang den Arbeitsmarkt in Deutschland treffen. Umso wichtiger ist es, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, die vorhandenen Arbeitskräfte am Technologiestandort Deutschland besser auszubilden. Das ist eine Aufgabe der Politik. Wir brauchen ein breiteres und ein besseres Bildungsangebot - von Kindesbeinen an. Wir brauchen insbesondere auch die Durchlässigkeit des Bildungssystems für alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten und sozialen Gruppen. Schauen wir über die Grenzen, stellen wir fest, dass es bei unseren europäischen Nachbarn üblich ist, zum Beispiel Kinder schon im Vorschulalter deutlich stärker zu fördern als bei uns. Das schafft eben bessere Startbedingungen und Chancengleichheit. Unsere Ausga-ben für die Grundschulbildung sind im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Und wenn wir im internationalen Wettbewerb mithalten wollen, dann brauchen wir auch mehr Hochschulabsolventen.

Das Interesse an den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern ist in den letzten Jahren in der Tat gesunken, Herr Welcker, ich nehme das auf als Mahnung an die Politik. Aber Sie sehen es mir nach - ich gebe es natürlich auch zurück an die Unternehmen, auch im Werkzeugmaschinenbau, daran mitzuwirken, dass sich dies ändert. Und wir haben Unternehmen, die daran mitwirken. Denn, und das sage ich jetzt wirklich mit großer Freude: Der Werkzeugmaschinenbau hat ja attraktive Geschichten zu erzählen, eine Erfolgsgeschichte der deutschen Wettbewerbsfähigkeit, der deutschen Einfallskraft und Innovationsfähigkeit. Der Werkzeugmaschinen-bau ist eine boomende Branche und eine starke Stütze der deutschen Volkswirtschaft. Lassen Sie sich nicht durcheinander bringen, weil andere quantitativ größer sind. Der Werkzeugmaschinenbau ist eine Perle, ist Güte, Qualität und Substanz, eine Hightech-Branche. Wer in dieser Branche arbeitet, entwickelt und produziert Spitzentechnologie, die weltweit gefragt ist und auf die unser Land dann auch insgesamt stolz sein kann.

Meine Damen und Herren, deshalb sage ich auch hier: Sie sind es gewohnt, rund um den Globus zu verkaufen, Standorte zu haben, Geschäfte zu machen. Mit anderen Worten: Sie selber, die Geschäftsführung, aber auch die Mitarbeiter kommen herum in der Welt. Das ist interessant für junge Menschen, die neugierig sind und über den Tellerrand hinaus blicken wollen. Aber ich glaube, es ist auch interessant für unsere ganze Nation und deshalb möchte ich Sie bitten: Erzählen Sie Ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mehr über Ihre Erfolgsgeschichten draußen in der Welt. Erzählen Sie ruhig auch, wie Sie sich anstrengen mussten, wie Sie gekämpft haben, wie Sie nach Rückschlägen wieder aufgestanden sind und zu neuen Erfolgen gekommen sind. Es macht mich manchmal sehr bedrückt, wie wir teilweise über die Globalisierung in Deutschland reden.

Aber die Werkzeugmaschinenbranche, vor allen Dingen diese global agierenden mittelständischen Unternehmen, oft Familienunternehmen, zeigen doch, dass man großen Nutzen aus der Globalisierung ziehen kann. Und sie zeigen, dass wir etwas anzubieten haben mit unserer industriellen Fertigungskapazität und unserem Know-how, um zu einer wirtschaftlich guten Entwicklung in der Welt beizutragen. Wenn wir heute mit Recht über Armut sprechen und darüber, dass Armut letztlich eine Herausforderung ist für Frieden und Stabilität in der Welt, dann hat das eben auch damit zu tun, dass die Einkommensungleichgewichte noch so groß sind. Eine Politik, die auf Zusammenarbeit setzt in der Welt, schafft auch Arbeit und Einkommen in Deutschland.

Also, meine Damen und Herren, erzählen Sie Ihre Erfolgsgeschichten und erzählen sie diese Erfolgsgeschichten auch mit dem Hinweis auf Mühe und Anstrengung, aber auch mit Hinweis auf das Ergebnis und darauf, wie sich Anstrengung gelohnt hat.

Überall auf der Welt gilt: Ohne Werkzeuge geht es nicht. In Goethes Faust heißt es: "Ein Mann, der recht zu wirken denkt, muss auf das beste Werkzeug achten." Mögen alle Messebesucher ihr bestes Werkzeug finden bei der EMO in diesem Jahr. Hiermit erkläre ich die EMO Hannover 2007 für eröffnet und ich wünsche Ihnen allen für die nächsten Tage gute Gespräche, gute Informationen und weiterhin Bestärkung. Sie können mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Vielen Dank.

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