Tischrede von Bundespräsident Horst Köhler beim Staatsbankett, gegeben von Ihrer Majestät Beatrix, Königin der Niederlande

Schwerpunktthema: Rede

Den Haag, Niederlande, , 8. Oktober 2007

Bundespräsident Horst Köhler, Eva Luise Köhler und Königin Beatrix stehen Kindern mit Blumen gegenüber

Meine Frau und ich danken Ihnen für die freundliche Einladung in Ihr Land und den herzlichen Empfang. Auch gute Freundschaften wollen gepflegt werden. Deshalb freue ich mich über diesen Besuch, über die Begegnung mit Ihnen und Ihren Landsleuten.

Deutschland und die Niederlande, die Menschen und die Geschichte unserer Länder sind seit vielen Jahrhunderten eng miteinander verbunden. Dabei sind wir Deutschen uns auch der düsteren Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte bewusst. Die Opfer dieser schrecklichen Jahre mahnen uns, unserer Verantwortung für eine gemeinsame gute Zukunft gerecht zu werden. Wir wollen als gute Nachbarn unseren Beitrag zu einer Welt leisten, die frei von Hunger, Armut und Krieg ist; einer Welt, in der die Menschenrechte geachtet werden und in der Freiheit und Demokratie herrschen.

Heute können wir stolz sein auf die hohe Qualität der deutsch-niederländischen Beziehungen. Diese ist nicht zuletzt Ihrem persönlichen Engagement, Majestät, zu danken. Mit Ihrem Verständnis und Ihrem Interesse für unser Land haben Sie den Beziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland immer wieder neue, wichtige Impulse gegeben. Schon 1982 führte Sie einer Ihrer ersten Staatsbesuche nach Deutschland. Und 1991 waren Sie der erste Staatsgast, der unser Land nach der Wiedervereinigung besuchte. Wir haben uns über diese besondere Geste sehr gefreut.

Die vielen Begegnungen der Bürger aus unseren beiden Ländern haben in den vergangenen Jahrzehnten Vertrauen und Freundschaft wachsen lassen. Dazu haben auch hochrangige gegenseitige Besuche und vielfältige Kontakte von Regierungsmitgliedern und Parlamentariern beigetragen. Die deutsch-niederländische Konferenz widmet sich seit mehr als zehn Jahren Themen, die man gewiss als "heiße Eisen" bezeichnen darf. Schon 1998 hat sie sich mit der Kluft zwischen Bürgern und Politik befasst - ein Thema das seither eher noch an Bedeutung gewonnen hat. Mit Befriedigung vermerke ich, dass Deutschland der bedeutendste Handelspartner der Niederlande ist. Das Deutsch-Niederländische Korps und zahlreiche internationale Friedenseinsätze zeugen vom hohen Stand unserer sicherheitspolitischen Zusammenarbeit. In fünf Euregios finden Kommunen, Unternehmen und Bürger maßgeschneiderte Lösungen für die besonderen Bedürfnisse, die sich aus der Grenzlage ergeben. Und Sie, Majestät, haben darauf hingewiesen: Die Verwaltungsstrukturen sind unterschiedlich, aber dies hindert uns nicht daran, zusammenzuarbeiten.

Auch der kulturelle Austausch ist rege. Ich freue mich, dass Deutschland zu den "Prioritätsländern" der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Ihres Landes gehört. Ohne den Beitrag niederländischer Künstler wäre die Kulturszene in Deutschland um vieles ärmer. Lassen Sie mich nur einige Beispiele nennen: Ton Koopman, ein weltweit geschätzter niederländischer Dirigent, ist im laufenden Buxtehude-Jahr Vorsitzender der Internationalen Buxtehudegesellschaft in Lübeck. Hans van Manen ist aus dem deutschen Tanztheater nicht wegzudenken. Architekten wie Rem Koolhaas und Jo Coenen wirken auch bei uns stilbildend. Niederländische Schriftsteller wie Harry Mulisch, Cees Nooteboom, Margriet de Moor, Leon de Winter und viele andere haben bei uns ein treues Publikum und helfen uns Deutschen, das Denken und Fühlen unserer Nachbarn besser kennen zu lernen - aber auch unser eigenes Land durch ihre Augen zu betrachten. Das hilft manchmal auch.

Unsere Länder sind Teil einer globalisierten Welt. Wir profitieren vom weltweiten Handel. Und zugleich tragen wir gemeinsam eine besondere Verantwortung für eine gute und nachhaltige Entwicklung unseres Planeten. Zu den größten Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, gehört der verantwortungsvolle Umgang mit den natürlichen Ressourcen unserer Erde. Gefordert ist eine Politik der Nachhaltigkeit, mit der wir bei uns selbst beginnen müssen, denn für einen Großteil des Ressourcenverbrauchs und der damit zusammenhängenden Umweltprobleme sind wir - die entwickelten Länder - verantwortlich. Und unser Verhalten setzt Maßstäbe - im Positiven wie im Negativen. Wie wollen wir glaubwürdig von den ärmeren Ländern verlangen, dass sie die Umwelt schonen, wenn wir selbst nicht bereit sind, unseren Schadstoffausstoß zu reduzieren und dafür nötigenfalls auch unseren Lebensstil zu verändern?

Klimaschutz, eine moderne Energie- und Ressourcenpolitik sowie Entwicklungspolitik gehören für mich untrennbar zusammen. Ohne diese drei Säulen ist eine nachhaltige Entwicklung unseres Planeten nicht vorstellbar. Das ist eine große Aufgabe. Und sie kann nicht allein von den Staaten oder der Staatengemeinschaft geleistet werden, sondern alle sind gefordert: Die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft und jeder Einzelne von uns.

Ich bin beeindruckt, wie sehr sich die Mitglieder der königlichen Familie in den aktuellen Menschheitsfragen engagieren. Königliche Hoheit, Prinz von Oranien, Sie engagieren sich seit langem weltweit für den behutsamen Umgang und eine gerechte Verteilung einer der wichtigsten Ressourcen, die die Menschheit überhaupt besitzt - nämlich Wasser. Sie tun dies nicht zuletzt als Schirmherr der Initiative "Global Water Partnership". Auch Sie, Königliche Hoheit, Prinzessin der Niederlande, sind als Mitglied der Beratergruppe für das Internationale Jahr des Kleinkredits 2005 bestens mit dem globalen Zusammenhang zwischen Umwelt- und Entwicklungspolitik vertraut.

Der Klimawandel, der Teufelskreis der Armut mit allen seinen Folgeproblemen und die Herausforderungen durch den internationalen Terrorismus sind Beispiele, die zeigen, dass wir vor enormen Herausforderungen stehen, die wir nur gemeinsam bewältigen können. "Die in einem Boot sitzen, sollen sich helfen", lautet das Motto der Tongji-Universität in Shanghai, die ich vor wenigen Monaten besucht habe. Damit ein Boot sein Ziel erreicht, braucht es einen Kompass und einen Kurs. Und wenn an Bord nicht Einigkeit darüber herrscht, in welchem Takt und in welcher Richtung gerudert werden soll, wird unser Boot sich bestenfalls im Kreis drehen oder schlimmstenfalls vielleicht sogar kentern. Wir brauchen deshalb ein gemeinsames Verständnis über unsere Ziele in der globalen Welt und verbindliche Regeln, die uns helfen, diese Ziele zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für entscheidend, dass wir die Vereinten Nationen - den natürlichen und legitimen Rahmen der Völkergemeinschaft - weiter stärken.

Der unter Kofi Annan begonnene Reformprozess der Vereinten Nationen muss fortgesetzt werden. Wir brauchen Kohärenz, das heißt, die Trias der Vereinten Nationen, Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechte, muss immer als Einheit gedacht und vor allem in der konkreten Politik gelebt werden.

Wie wichtig starke Internationale Organisationen sind, habe ich heute Nachmittag bei meinem Besuch beim Internationalen Strafgerichtshof in den Haag erfahren. Niederländer und Deutsche und viele andere Nationen sind sich einig: Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht straflos bleiben. Die Verfolgung der Täter trägt dazu bei, solche Verbrechen in Zukunft zu verhindern und Frieden und Sicherheit in der Welt zu erhalten. Die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs ist - bei allen Problemen, mit denen er noch zu kämpfen hat -, ein ermutigendes Beispiel dafür, dass wir dieser gemeinsamen Verantwortung gerecht werden können.

In der Einschätzung dieser Verantwortung weiß ich mich mit Ihnen einig. Diese Gewissheit - und natürlich auch der überaus warme Empfang in Ihrem Land - bestärken mich in dem Gefühl, unter Freunden zu sein. Das freut und ehrt mich zutiefst und ich danke Ihnen auf das herzlichste!

Ich bitte Sie nun, meine Damen und Herren, mit mir das Glas zu erheben und einen Toast auszubringen: auf die Gesundheit Ihrer Majestät und des Kronprinzenpaares, auf das Wohl des niederländischen Volkes und auf die Freundschaft zwischen den Nachbarn Deutschland und den Niederlanden.