Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler anlässlich der Meisterfeier der Handwerkskammer für Schwaben in Augsburg

Schwerpunktthema: Rede

Augsburg, , 12. Oktober 2007

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

Mit dem Wort Meister verbindet jeder etwas. Der eine denkt an die alten Meister im Museum, der nächste möglicherweise an den Fußballmeister. Und wieder ein anderer vielleicht sogar an den Meisterdieb. Eines haben alle Meister gemeinsam: Sie gehören zu den Besten vom Fach.

Das gilt auch für Sie, liebe Jungmeisterinnen und Jungmeister. Sie haben bewiesen, dass Sie Ihre Handwerkskunst beherrschen und dass Sie Freude daran haben. Ihr Meisterbrief bescheinigt das. Ihre Meisterstücke bezeugen es.

Darum zunächst einmal: Ganz herzlichen Glückwunsch dazu! Sie haben es verdient, sich heute einmal richtig feiern zu lassen. In den vergangenen Monaten und Wochen haben Sie für den heutigen Tag hart gearbeitet. Sie haben Ihr handwerkliches Können, das Sie als Lehrlinge erworben und als Gesellen vertieft haben, noch einmal verbessert, gesteigert. Und Sie haben jede Menge gerechnet, gelesen und gelernt, um auch auf die zweite Herausforderung eines Handwerksmeisters, die kaufmännische Seite, vorbereitet zu sein.

Ich weiß wohl, dass eine solche Ausbildung nicht immer einfach ist. Da gibt es immer auch Momente, in denen man frustriert ist: über die Grenzen des eigenen Leistungsvermögens, die Größe der Herausforderung oder vielleicht auch einmal über die Lehrer. Sie haben mit Ausdauer, Fleiß und Leistungswillen durchgehalten. Den Lohn dafür bekommen Sie heute. Und darauf können Sie stolz sein!

Mein Glückwunsch und Dankeschön geht auch an Sie, liebe Familienangehörige und Freunde. Sie haben ja nicht nur in den Prüfungstagen mitgefiebert. Sondern Sie haben sicherlich auch in den Wochen und Monaten davor immer wieder den Rücken gestärkt, Mut gemacht und wahrscheinlich oft auch einmal selber zurückgesteckt, wenn die angehenden Meisterinnen und Meister für die Prüfungen büffeln mussten oder auch ein bisschen gereizt waren. Damit haben auch Sie einen wichtigen Beitrag zum heutigen Erfolg geleistet.

Und schließlich gilt mein Dank den Meisterschulen und ihren Lehrern und den vielen Handwerkern, die in den Kammern die Meisterschüler angeleitet und geprüft haben - und das oft ehrenamtlich und das heißt: zusätzlich zur eigenen Arbeitszeit.

Das Handwerk stellt 30 Prozent aller Ausbildungsplätze in Deutschland: Diese Ausbildungsleistung ist vorbildlich. Die Ausbildungsquote von 10 Prozent ist weit überdurchschnittlich. Sie wird erreicht, weil Handwerksbetriebe auch über den eigenen Bedarf hinaus ausbilden.

Ich hoffe liebe Jungmeisterinnen und Jungmeister, Sie werden diese Tradition des Handwerks fortsetzen. Geben Sie Ihr Wissen und Ihr Können weiter! Geben Sie der nächsten Generation die gleichen Chancen, die andere Ihnen gegeben haben und bilden auch Sie in Zukunft aus!

Werben Sie dazu für Ihre Zunft. Sie alle arbeiten in einem vielfältigen Beruf, der auf wunderbare Weise Tradition erhält und gleichzeitig sehr innovativ Neues schafft. Gehen Sie ruhig in die Schulen oder wer es hören will und erzählen Sie davon. Das Handwerk hat wirklich viele spannende Berufe mit attraktiven, anspruchsvollen Arbeitsplätzen zu bieten.

Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Klimaschutz. Klimaschutz beginnt im Kleinen - an der eigenen Haustüre. Er beginnt mit dem Energiecheck unserer Häuser und der elektronischen Diagnosetechnik an unseren Autos. Solarzellen werden von Handwerkern installiert. Der Klimaschutz reicht vom Einbau Wärme isolierender Fenster bis zur Wartung computergesteuerter Heizungsanlagen. All diese Leistungen und viele ähnliche mehr werden von Handwerksbetrieben erbracht, oft mit modernster Technik und neuesten Verfahren.

Handwerk bietet auch Raum für Kreativität. In vielen Gewerken ist die Trennlinie zur Kunst kaum zu ziehen. Da gibt es den Goldschmied, der eine neue Kette oder einen Ring entwirft und fertigt, den Schreiner, der ein neues Möbelstück erschafft oder den Vergolder, der den Glanz einer alten Kirche neu erstrahlen lässt. Das sind nur wenige Beispiele - aber sie zeigen, Handwerk ist eine Kombination aus fachlichem Können und gestalterischer Kreativität. Auch das ist vielen Schulabgängern, die sich für einen Beruf entscheiden müssen, nicht immer bewusst.

Die individuelle Fertigung von hoher Qualität ist die Stärke des Handwerks. Darin liegt auch weiter ihre Zukunft. Denn Qualität ist die schärfste Konkurrenz der Discountlösungen aller Art. Für die meisten Handwerker ist hohe Qualität eine Selbstverständlichkeit. Wer die Entstehung eines Produkts von Anfang bis Ende in den Händen hält, der identifiziert sich mit seiner Arbeit, will am Ende selbst zufrieden sein. Das ist nicht zuletzt eine Frage der "Handwerkerehre".

Der im Handwerk immer noch zentrale Begriff der Ehrbarkeit umfasst aber mehr als die Qualität der eigenen Arbeit. Er spiegelt die zentralen Gedanken der sozialen Marktwirtschaft wider: Freiheit, Eigeninitiative und Leistung einerseits, aber eben auch gesellschaftliche Verantwortung und Solidarität andererseits.

In keinem anderen Wirtschaftszweig wird das ehrenamtliche Engagement so hoch gehalten wie im Handwerk. Ohne diesen Einsatz, der die Verantwortung und die Leidenschaft der Handwerker für ihren Berufszweig zeigt, könnten die Innungen und Kammern ihre Aufgaben nicht erfüllen. Ohne diesen Einsatz wäre die Ausbildungsleistung im Handwerk nicht möglich. Das bürgerschaftliche Engagement im Handwerk richtet sich aber nicht nur nach innen auf die Pflege und Aufrechterhaltung des eigenen Berufsstandes.

Es wirkt weit darüber hinaus. Ich treffe bei meinen Reisen überall in Deutschland viele Handwerker, die sich vor ihrer Haustür für die Gemeinschaft engagieren. Da schließen sich Handwerker zusammen und renovieren unentgeltlich eine Kindertagesstätte, andere unterstützen den örtlichen Fußballclub oder die Theatergruppe durch Sponsoring und Sachspenden. Alles das ist wichtig und gibt Ihrem Beruf auch weitergehende Erfüllung und Attraktivität.

Viele Handwerker sind ihrer Heimat mit dem Herzen verbunden, wollen sie in ihrer Schönheit bewahren und tragen mit ihrem Können dazu bei, etwa, indem sie ehrenamtlich bei der Restaurierung historischer Gebäude helfen. Ein schönes Beispiel dafür ist hier in Augsburg das Wertachbrucker Tor, eines der ältesten Bauwerke der Stadt, dessen heutiger Glanz dem Engagement der Schreinerinnung zu verdanken ist. Das ist übrigens nur eines von vielen Beispielen bürgerschaftlichen Engagements der Augsburger Handwerker.

Diese Beispiele stehen für Engagement, das in Verantwortungsbewusstsein wurzelt, im Sinn für Gemeinschaft. Ich hoffe, Sie, liebe Jungmeisterinnen und Jungmeister, werden auch diese gute Tradition des Handwerks fortführen.

Eine bestandene Prüfung ist immer ein Anfang mit vielen Möglichkeiten und Perspektiven.

Manch einer von Ihnen hat in den vergangenen Wochen vielleicht so viel Spaß am Lernen gefunden, dass er noch studieren möchte. Ich freue mich, dass diese Möglichkeit für Meister mit Berufserfahrung immer stärker eröffnet wird, denn alle Begabten sollen die Chancen haben, das Beste aus ihren Fähigkeiten zu machen. Und angesichts der demographischen Entwicklung ist es für unser Land nur klug, die Bildungswege so durchlässig zu gestalten, dass alle Potenziale an Begabung und Leistungsbereitschaft zur Entfaltung gebracht werden können.

Viele von Ihnen werden anstreben, sich selbständig zu machen oder die Firma von den Eltern zu übernehmen. Ein großer Schritt, der die Möglichkeit eröffnet, eigene Ideen umzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Ein Schritt, der aber auch neue Herausforderungen und Fragen mit sich bringt: Wie finanziere ich meinen Start? Wo finde ich geeignete Räume? Wie mache ich Kunden auf mich aufmerksam? Es wird nicht immer einfach sein, aber Sie sind dank Ihrer Ausbildung gut darauf vorbereitet. Und so bin ich zuversichtlich, dass Sie diese Herausforderungen meistern werden. Trauen Sie sich was zu. ich bin überzeugt: Das können Sie.

Fragt man Handwerker, was sie am meisten belastet, so klagen sie vor allem anderen über die Bürokratie. Sie nimmt trotz aller politischen Bekundungen nicht wirklich ab. Sicher: manches muss geregelt sein und der Staat muss auch darauf achten, dass Regeln eingehalten werden. Aber Überregulierungen vergeuden Zeit und Geld, und sie demotivieren. Wir brauchen in Deutschland das Gegenteil; wir müssen die Handlungsspielräume der Bürgerinnen und Bürger erweitern und damit die Bereitschaft zu Selbständigkeit und zu Existenzgründungen fördern. Sie sind die Saat für eine starke Unternehmerkultur. Das ist nicht nur Grundlage für eine dynamische und erfolgreiche Wirtschaft. Eine starke Unternehmerkultur, in der sich die Tugenden Mut, Selbstverantwortung, Eigeninitiative und Innovationsfähigkeit bündeln, ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft.

Einige Erfolg versprechende Ansätze, die Bürokratielast zu verringern, gibt es ja schon. Zum Beispiel wurden in manchen Städten - auch in Augsburg - inzwischen Gründeragenturen geschaffen. Dort hat der Existenzgründer einen Ansprechpartner für alle notwendigen Anmeldungen und Genehmigungen. Er muss also nicht mehr vom Finanzamt zum Gewerbeamt und von dort zur Berufsgenossenschaft wandern. Er hat nur noch einen Gang zu gehen. Ich glaube, das ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und deshalb freue ich mich, dass dieser Ansatz bundesweit immer mehr Schule machen soll.

Nun bekommen Sie, liebe Jungmeisterinnen und Jungmeister, Ihre Meisterbriefe. Sie bekommen sie in einer Stadt, die für ihre vielfältige Handwerkskunst berühmt ist. Erst vor kurzem hatten wir in meinem Berliner Amtssitz Schloss Bellevue eine Ausstellung, in der die berühmte Augsburger Goldschmiedekunst zu bewundern war. Augsburg steht auch für so ausgefallene handwerkliche Kunst wie die Marionettenschnitzerei. Wer in Deutschland kennt nicht die Augsburger Puppenkiste? Wer kennt nicht Urmel, Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer?

Nicht jeder von Ihnen wird gleich ganze Welten erschaffen, wie das Oehmichens Puppentheater so oft gelungen ist. Doch Sie alle haben mit dem Erwerb des Meisterbriefs eine wichtige berufliche Stufe genommen, die Ihnen viele Möglichkeiten eröffnet. Ergreifen Sie die Möglichkeiten! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei und alles Gute.