Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der Feierstunde für die Förderer der Freya von Moltke-Stiftung

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 18. Oktober 2007

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

Die meisten von Ihnen sind hier, weil Ihnen ein Gut in einem kleinen polnischen Dorf am Herzen liegt: Kreisau.

Dort, im Hause von Helmuth James v. Moltke und seiner Frau Freya, trafen sich während des Zweiten Weltkriegs Menschen mit unterschiedlichem politischem und gesellschaftlichem Hintergrund, aber mit gemeinsamen Überzeugungen: Widerstand zu leisten gegenüber dem Unrechtsregime Hitlers und Vorstellungen über die Zeit danach zu entwickeln.

Kreisau wurde nach dem Krieg zu einem Symbol des deutschen Widerstands und der Hoffnung auf ein Europa ohne Ideologien. Und das lag vor allem an einer Person: Freya v. Moltke, die heute leider nicht bei uns sein kann. Schon 1967 schrieb sie ihre Vision für ihren früheren niederschlesischen Wohnort nieder: "Ich denke immer noch, aus Kreisau wird einmal ein Haus für deutsch-polnische Verständigung." Diese Idee hat sie auf den Weg gebracht. Denn dass Kreisau nicht mehr nur Symbol, sondern Ort der Verständigung geworden ist, verdanken wir Freya v. Moltkes klugem und bis heute andauerndem Einsatz, und an dieser Stelle grüßen wir sie herzlich aus Berlin. Zu würdigen ist aber auch das tatkräftige Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger aus Polen, aus Ost- und Westdeutschland und anderen Ländern - und nicht zuletzt der polnischen und deutschen Regierung.

Und Kreisau heute? Jährlich treffen sich dort bis zu 10.000 Menschen aus ganz Europa: alte und junge, berühmte und unbekannte. Sie lernen sich kennen, diskutieren, streiten. Lassen Sie mich noch einmal Freya v. Moltke zitieren: "Wenn nicht jeder vom Anderen zu lernen bereit ist, dann bleiben wir, wo wir waren. Wir müssen gemeinsam lernen!" Über das gemeinsame Lernen und Verantwortung-Übernehmen am Ort des bedeutendsten Widerstandskreises werden uns nachher einige Jugendliche berichten. Ich freue mich darauf.

Wir Deutsche bleiben uns bewusst, dass der von unserem Land ausgegangene Krieg unendliches Leid und Zerstörung über Polen und seine Bewohner gebracht hat. Am heutigen Tage, im hundertsten Geburtsjahr von Helmuth James v. Moltke, sollte in Kreisau eigentlich der Dialog der Parlamentspräsidenten zur deutschen und polnischen Erinnerungskultur stattfinden. Wegen der vorgezogenen Wahlen in Polen musste er leider verschoben werden. Ich hoffe, er kann recht bald nachgeholt werden, denn das Gespräch zwischen Deutschen und Polen über die - im einen wie im anderen Wortsinne - geteilte Vergangenheit ist wichtig für eine gute gemeinsame Zukunft. Dazu gehört auch die Geschichte derer, die Widerstand leisteten gegen die Diktaturen des 20. Jahrhunderts - ich freue mich, dass es dazu im Kreisauer Schloss eine Dauerausstellung gibt.

Ohne den unermüdlichen Einsatz von Ehrenamtlichen könnte in Kreisau vieles nicht geschehen. Und ohne finanzielles Engagement auch nicht. Sie, liebe Gäste, engagieren sich genau deshalb in der "Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau", die als unabhängige Bürgerstiftung möglichst viele Menschen dafür gewinnen will, das Projekt Kreisau unmittelbar durch Spenden oder - noch lieber - nachhaltig durch Zustiftungen und Donationen zu unterstützen.

Der heutige Nachmittag soll ein kleines Dankeschön an Sie, liebe Gäste, sein. Ich hoffe, Ihr Beispiel stiftet noch viele andere an. Kreisau ist Vorbild, historisch wie gegenwärtig. Die Förderung Kreisaus sollte zur Sache möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger werden - ich bin sicher, die Kreisauer hätten es so gewollt.
Vielen Dank und herzlich willkommen in Bellevue.