Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 31. Oktober 2007

Bundespräsident Horst Köhler steht neben einer Schülerin und einem grauhaarigen Herrn auf der Bühne und klatscht

Herzlich willkommen zur Preisverleihung! Auch bei diesem Durchgang des Geschichtswettbewerbs haben die Teilnehmer wieder viel Fleiß und Können, viel Engagement und Initiative bewiesen. Über 5000 Kinder und Jugendliche haben am Wettbewerb teilgenommen. Die Besten von ihnen wollen wir heute würdigen. Das ist natürlich besonders für Euch, liebe Preisträger, ein freudiger und aufregender Tag. Aber auch alle Freunde und Förderer des Wettbewerbs sind froh und gespannt auf die kommenden Stunden - ich auch!

Für mich ist der Geschichtswettbewerb immer etwas Besonderes: Zunächst einmal, weil ich - in der bewährten Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung - in gewisser Weise Veranstalter bin. Zum anderen, weil ich davon überzeugt bin, dass zu guter Bildung auch ein geschultes Verständnis von Geschichte gehört. Und genau dieses Verständnis fördert der Geschichtswettbewerb, indem er junge Leute bewegt, aus eigener Initiative Neues zu erkunden. So entdecken sie unter der Oberfläche des ihnen vertrauten heimatlichen Alltags verborgene Geschichten, die oft bis in die Gegenwart reichen. Sie erfahren anschaulich, wie unmittelbar die Geschichte uns umgibt und beeinflusst. Sie erkennen Zusammenhänge, die Geschichte im Kleinen wie im Großen ausmachen.

Nicht nur die Preisträger auf Bundes- und Landesebene sind Gewinner des Geschichtswettbewerbs: Für alle Teilnehmer ist das methodisch anspruchsvolle Training im selbständigen Forschen, das der Wettbewerb bietet, ein Gewinn. Dieses Training schult die Urteilskraft, übt das eigenständige geistige Arbeiten ein und stärkt das Interesse an Geschichte und die Einsicht in sie. Kurz und gut: Die Teilnahme am Wettbewerb bildet.

Das Thema, dem die Spurensuche diesmal galt, liegt mir besonders am Herzen. "Jung und Alt in der Geschichte." Das führt zu der heute drängenden Frage, wie die Generationen jetzt und künftig gut zusammenleben können. Wie aktuell dies ist, das zeigen auch Filme und Bücher, die - mitunter provokant - vom "Aufstand der Alten" oder vom "Methusalem-Komplott" sprechen. Mir ist wichtig, dass wir mit Sachkenntnis nach guten Lösungen suchen.

Und ich finde beeindruckend, wie viele Facetten die jungen Forscher an dem Thema erkannt und erkundet haben. Ein paar Beispiele: Manche haben die Geschichte ihrer Familie betrachtet. Nicht selten stand dabei das Zusammenleben der Generationen unter einem Dach im Mittelpunkt. Andere haben untersucht, wie früher der Alltag von Schulkindern aussah. Wieder andere haben die Geschichte von Familienunternehmen erforscht, so etwa beim Weinbau in Rheinland-Pfalz. Und einige wandten sich dem Freizeitbereich zu, mit Themen wie: Junge und alte Pilger bei Wallfahrten, Erziehung in der Pfadfinderschaft St. Georg, Tradition im Musikverein. Für ihre Recherchen haben sie den Dialog mit den eigenen Großeltern und vielen anderen Zeitzeugen geführt: So fand ein intensives Gespräch der Jüngeren mit den Älteren statt.

Die Geschichte der Generationen-Beziehungen in der Familie und bei der Arbeit, in Schule, Ausbildung und Freizeit ist für uns heute - mit dem Blick auf Gegenwart und Zukunft - von großer Bedeutung. Wir wissen, dass der demographische Wandel unsere Gesellschaft und unser Miteinander verändern wird. Wir wissen aber noch nicht, welche Auswirkungen das in den unterschiedlichen Lebensbereichen mit sich bringt. Wir müssen das Gewesene und Gewachsene besser begreifen, um Veränderungen früh zu erkennen und Antworten auf die Frage zu finden: Wie wollen wir in Zukunft leben?

In vier Wochen findet hier in Schloss Bellevue die 3. Jahreskonferenz des Forums Demographischer Wandel statt. Ich habe das Forum begründet, damit Experten aus vielen Bereichen gemeinsam nach Antworten auf Fragen wie die oben genannten suchen. Bei ihren Überlegungen steht eine Generation besonders im Mittelpunkt: Es ist die Generation, der auch die Teilnehmer am Geschichtswettbewerb angehören - junge Menschen, die um das Jahr 1990 geboren wurden. Sie werden in den nächsten Jahren in die Verantwortung für unsere Gesellschaft "hineinwachsen". Sie wissen: Von ihnen wird viel erwartet. Dazu gehört auch, Fürsorge der älteren Generation gegenüber zu übernehmen, innerhalb der traditionellen Familienbande und darüber hinaus.

Dabei wird es wichtig sein, dass Jüngere und Ältere Gemeinsames unternehmen und Gemeinsamkeiten entdecken, denn davon leben das Interesse aneinander und die Achtung voreinander. Es gibt schon viele gute Beispiele solcher Gemeinsamkeit, zum Beispiel Mehrgenerationenhäuser, Lehrlings-Patenschaften und Leihomas und -opas oder auch den Senior Expert Service, bei dem erfahrene Senioren jüngere Unternehmer ehrenamtlich beraten.

Geschichte hat mit Tradition zu tun. Und es ist gute Tradition, dass die Preisverleihung im Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten in Schloss Bellevue stattfindet. Bei der zurückliegenden Preisverleihung gab es die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel. Schloss Bellevue war wegen Renovierung geschlossen, und so war ich in Hamburg bei der Körber-Stiftung zu Gast. Heute empfange ich mit Euch, mit Ihnen zum ersten Mal die besonders erfolgreichen Teilnehmer und Tutoren wieder im Schloss, das wie neu geworden ist. Seien Sie alle herzlich willkommen!