Rede von Bundespräsident Horst Köhler bei der Eröffnung des 9. Africa Partnership Forums

Schwerpunktthema: Rede

Algier, , 12. November 2007

Gruppenbild der Afrika-Konferenz

Ich freue mich sehr, das 9. Africa Partnership Forum in Algier gemeinsam mit Ihnen, Herr Präsident Bouteflika, eröffnen zu können. Algerien ist ein würdiger Austragungsort für diese große internationale Konferenz: als einer der Mitinitiatoren der Reforminitiative NEPAD, als wichtiges Schwellenland und afrikanischer Teilnehmer im Rahmen der G8, aber ganz besonders auch als Brücke zwischen Europa und Afrika.

Das Africa Partnership Forum findet mittlerweile zum 9. Male statt und ist für mich Ausdruck dafür, dass sich hier eine gute Kultur des partnerschaftlichen Umgangs zwischen Afrika, den G 8-Ländern und den OECD-Staaten entwickelt. Wir erkennen doch zunehmend: Glück, Wohlstand und Teilhabe der Menschen lässt sich in unserer zusammenwachsenden Welt nicht mehr auf Kosten der Anderen erreichen. Sondern nur noch gemeinsam. Globalisierung - das bedeutet: Interdependenz der internationalen Staatengemeinschaft, und das bedeutet für mich, auch die wachsende Chance für gemeinsame Lösungen zum Nutzen aller.

Für mich ist ein offener Dialog zwischen Afrikanern und Europäern ein besonderes Anliegen. Die von mir ergriffene Initiative "Partnerschaft mit Afrika" versucht, Politik, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft an einen Tisch zu bekommen. Wichtig ist mir dabei auch, junge Menschen in den Dialog einzubeziehen. Das ist uns gut gelungen, wie zum Beispiel in Accra zu Beginn des Jahres. Vor wenigen Tagen saßen Afrikaner und Deutsche wieder zusammen. Und wir stellen fest, jedes Mal lernen wir mehr voneinander. Das bedeutet für mich: Sich wechselseitig zuzuhören, ist der vielleicht wichtigste Schritt, um gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen.

Bei den Diskussionen unseres 3. Afrika-Forums vor einer Woche wurde für mich ein Stück neues Afrika sichtbar: Ein selbstbewusstes Afrika, das um seine Kraft und sein Potenzial weiß. Aber eben auch um seine Probleme - wie etwa schlechte Regierungsführung oder die Tatsache, dass die Afrikaner selber die Möglichkeiten des innerafrikanischen Austausches, der Kooperation und der Integration noch viel zu wenig nutzen.

Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme: dafür steht die Afrikanische Union, und dafür steht NEPAD, die "New Partnership for Africa´s Development". Die Mitglieder NEPADs haben sich selbst auf bemerkenswert klare Ziele verpflichtet: Frieden und Sicherheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und "good governance", regionale Kooperation und Integration in die Weltwirtschaft. Und sie haben einen Kontrollmechanismus geschaffen, der die Umsetzung überwachen soll - den African Peer Review Mechanism. Mit dieser afrikanischen Initiative soll ein breit angelegter Prozess politischer und wirtschaftlicher Reformen in Gang gesetzt werden, der für viele Staaten des Kontinents eine dauerhafte Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage bringt. Ich finde es innovativ und gut, dass Afrikaner sich vorgenommen haben, von eigenen Erfolgsgeschichten zu lernen.

Der algerische Peer Review ist gerade im Sommer 2007 abgeschlossen worden. Die Evaluierung stellt Algerien ein weitgehend positives Zeugnis aus und zählt ausführlich Reforminitiativen und Erfolge auf. Gleichzeitig werden jedoch auch Probleme angesprochen, denen Algerien noch unverändert gegenübersteht. Dass Algerien sich als vierter afrikanischer Staat dieser Überprüfung unterzogen und damit eine Vorreiterrolle eingenommen hat, verdient unsere besondere Anerkennung. Vielleicht sollten wir Europäer uns fragen, was wir vom afrikani-schen "Peer Review Mechanism" lernen können.

Ich verstehe NEPAD auch als Angebot Afrikas an die internationale Staatengemeinschaft zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Und ich hoffe sehr, dass dieses Angebot von den Industrieländern und Schwellenländern auch angenommen wird. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben gemeinsam die Millennium Development Goals beschlossen. Jetzt muss auch gemeinsam daran gearbeitet wer-den, dass diese Ziele erreicht werden. Das setzt voraus, dass wechselseitige Zusagen auch eingehalten werden, offen und offensiv. Afrika braucht auch weiter aktive und engagierte Entwicklungspartner in den Industrieländern. Für Deutschland war es selbstverständlich, auch Vertreter Afrikas in den Dialog des G 8-Wirtschaftsgipfels einzubeziehen.

Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte vieler Länder, einschließlich meines eigenen Landes, zeigt: Die Integration in die Weltwirtschaft hilft, Armut zu überwinden. Sie funktioniert am besten, wenn entwicklungspolitische Zusammenarbeit vor allem Hilfe zur Selbsthilfe ist. Deshalb sind faire Handelsbedingungen für Afrika jetzt so wichtig. Sie müssen sich in den Ergebnissen der laufenden Handelsverhandlungen niederschlagen. Dies sollte auch den Abbau von Zöllen der Industrieländer auf verarbeitete Produkte einschließen. Um Arbeit und Einkommen in Afrika zu schaffen, muss sich dort in viel stärkerem Maße als bisher auch ein verarbeitendes Gewerbe entwickeln können. Und wir brauchen eine Politik und nachprüfbare Verfahren, die sicherstellen, dass der Rohstoffreichtum Afrikas vor allem den Völkern dort zugute kommt.

Wir werden die Probleme, mit denen wir alle gemeinsam konfrontiert sind, nur gemeinsam lösen können. Wir leben weltweit in einer Schicksalsgemeinschaft - und wir müssen alles daran setzen, zu einer gemeinsamen Verantwortungs- und Lerngemeinschaft zu werden. Miteinander sprechen, einander zuhören, gemeinsam handeln, darum geht es. So entsteht auch das notwendige Vertrauen, und das brauchen wir, um eine Entwicklungspolitik für den ganzen Planeten zum Erfolg zu führen.

Das Africa Partnership Forum kann dazu einen historisch wichtigen Beitrag leisten.

Ich wünsche Ihnen allen ein Gespräch in Offenheit und Fairness, als Partner - und damit eine erfolgreiche Konferenz.