Tischrede von Bundespräsident Horst Köhler beim Staatsbankett, gegeben von S. E. dem Präsidenten der Republik Malta, Herrn Dr. Edward Fenech Adami, am 16. November 2007 in Valletta

Schwerpunktthema: Rede

Valletta, , 16. November 2007

Bundespräsident Horst Köhler beim Staatsbankett, gegeben von S. E. dem Präsidenten der Republik Malta, Herrn Dr. Edward Fenech Adami, am 16. November 2007 in Valletta

Meine Frau und ich danken Ihnen für die freundliche Einladung in Ihr Land und den überaus herzlichen Empfang. Wir freuen uns, heute Abend im historischen Großmeisterpalast bei Ihnen zu Gast zu sein.

Das Mittelmeer, das Malta umgibt, ist die Wiege der europäischen Kultur. Nun ist Geographie immer auch eine Frage des Standpunkts. Und auch wenn Deutschland aus mediterraner Sicht schon ziemlich am Rand der antiken Weltkarte liegt, bekennen wir uns dennoch dankbar zu dem römischen und griechischen Erbe, das wir mit den Ländern des Mittelmeerraumes teilen und das ein gutes Stück unserer europäischen Identität ausmacht.

Die Verbindungen zwischen Deutschland und Malta haben eine lange Tradition. Im Mittelalter war Malta Teil des Herrschaftsgebiets von Kaiser Friedrich II. aus dem schwäbischen Geschlecht der Staufer, der in Sizilien residierte und den man wegen seiner aufgeschlossenen Haltung gegenüber dem Islam und wegen seiner Modernität "Das Staunen der Welt (stupor mundi)" nannte. Ein weiterer, für beide Länder wichtiger Herrscher war Karl V., der das maltesische Inselarchipel dem souveränen "Ritter- und Hospitalorden vom Heiligen Johannes zu Jerusalem, genannt von Rhodos, genannt von Malta" zum Lehen gegeben hatte. In der Geschichte des Ordens spielten deutsche Ritter immer wieder eine herausragende Rolle. Der letzte Großmeister des Ordens, Ferdinand von Hompesch, stammte aus Rheydt am Niederrhein. Noch heute ist das Wirken des Ordens in Deutschland durch die ihm verbundenen Organisationen, allen voran der Malteser Hilfsdienst und die Johanniter Hilfe, sehr präsent.

Die Beziehungen zwischen Malta und Deutschland sind eng und freundschaftlich. Deutschland gehört zu den herausragenden Wirtschaftspartnern Ihres Landes. Viele deutsche Unternehmen haben hier investiert; einige bauen ihr Engagement zurzeit in beträchtlichem Umfang aus. Und unter den zahlreichen Touristen, die Malta besuchen, stellen die Deutschen die zweitgrößte Gruppe.

Deutschland hat Malta beim Beitritt zur Europäischen Union nach Kräften unterstützt. Wir sind froh, Sie bei dem großartigen Projekt der Europäischen Einigung als Mitstreiter gewonnen zu haben. Für die Unterstützung, die die deutsche EU-Präsidentschaft in diesem Jahr durch Sie erfahren hat, ist Ihnen mein Land dankbar.

Der Reformvertrag von Lissabon schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Europäische Union sich jetzt wieder verstärkt dem zuwenden kann, was die Bürgerinnen und Bürger von ihr erwarten: die Lösung der praktischen Fragen der Ökonomie, der Ökologie und der Sicherheit. Der künftige Präsident der Europäischen Union und der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik mit einem eigenen diplomatischen Dienst werden der Union ein Gesicht nach außen geben - die vielfach schmerzlich vermisste "europäische Telefonnummer" sollte damit endlich anwählbar werden. Aber Europa muss auch endlich mit einer Stimme sprechen, wenn es in der Welt gehört werden will. Die Bürgerinnen und Bürger wollen, dass Europa mehr ist als nur eine Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft. Sie wollen, dass Europa seine Verantwortung für eine gerechte und damit stabile Weltordnung erkennt und dafür sein volles Gewicht in die Waagschale werfen kann.

Ich begrüße besonders, dass die Bürger mehr Einfluss in der Europäischen Union erhalten: das Europäische Parlament wird im Regelfall an allen Entscheidungen gleichberechtigt mitwirken; die nationalen Parlamente werden in den europäischen Gesetzgebungsprozess eingebunden; Europas Bürger können ihren Willen in einem Europäischen Bürgerbegehren äußern und sich auf die Grundrechte-Charta berufen. Alles das stärkt die Demokratie in Europa und bringt Europa näher an seine Bürger heran.

Für mein Land war es immer wichtig, auch auf die Stimmen der kleineren Mitgliedstaaten zu hören. Auch deren Interessen und Bedürfnisse müssen angemessenen Eingang in die europäischen Entscheidungen finden. Für Deutschland gehören Dezentralität und Subsidiarität zum Lebenselixier der Europäischen Union. Die Länder der EU haben unterschiedliche Traditionen, ihre jeweils eigene Geschichte und ihre besonderen Kulturen. Daraus darf kein Einheitsbrei entstehen und doch müssen wir immer entscheidungsfähig sein und uns darauf verständigen, was wir gemeinsam erreichen wollen.

Malta wird in wenigen Wochen der Euro-Zone und dem Schengen-Raum beitreten. Beide Mitgliedschaften werden Malta weiter in die europäische Integration führen - politisch und wirtschaftlich - und ich freue mich, dass Malta und Deutschland dadurch künftig noch enger miteinander verbunden sein werden.

Auch auf kulturellem Gebiet gab und gibt es immer wieder enge Verbindungen zwischen unseren Ländern. Der deutsche Gelehrte Hieronymus Magister publizierte im Jahr 1608 ein Werk über seinen Malta-Aufenthalt von 1588. Es enthält die erste gedruckte Liste von Wörtern und Redewendungen der maltesischen Sprache und bildet einen wertvollen Fundus für die maltesische Sprachwissenschaft. Eine aktuelle Fortsetzung dieses frühen wissenschaftlichen Kontakts bildet die vor einem Monat gegründete Internationale Vereinigung für Maltesische Linguistik. Deutschland ist stolz, dass die Gründung dieser Organisation in Bremen stattfand und dass ein Bremer Sprachwissenschaftler zu ihrem Vorsitzenden gewählt wurde. Wir freuen uns auch über die Entscheidung der Maltesischen Regierung, zum ersten Mal einen Lehrstuhl für Deutsch an der Universität von Malta einzurichten.

In Europa hat Malta auf Grund seiner geographischen Lage und seiner engen kulturellen und politischen Beziehungen zu den südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers und zu Afrika eine wichtige Brückenfunktion. Das Vertrauen, das Sie sich in der Region erworben haben, hat für alle Europäer eine große Bedeutung. Ihr Land ist daher ganz besonders in der Lage, den euro-mediterranen Dialog mitzuprägen und auf diese Weise zu einem verbesserten Verständnis mit den Ländern in Nordafrika und im Nahen Osten zu kommen. Das kann auch zu einer Stärkung der regionalen Sicherheit und Stabilität beitragen.

Wir stehen im 21. Jahrhundert in vielen Bereichen vor großen Herausforderungen. Wirtschaftliche Entwicklung, Armutsbekämpfung, Sicherheit und Klimaschutz betreffen uns alle und verlangen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Das Zeitalter der Einseitigkeit ist vorbei. Die Globalisierung hat die Nationen der Welt nicht nur zu einer Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch zu einer Schicksalsgemein-schaft gemacht. Wir alle leben mit und in der Interdependenz. Wir sind aufeinander angewiesen. Um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, müssen wir partner-schaftliche Zusammenarbeit und unsere Welt noch mehr als bisher als Lern- und Verantwortungsgemeinschaft begreifen. Zeigen wir der übrigen Welt, dass wir dies in der Europäischen Union schon recht gut verstanden haben und erfolgreich praktizieren.

Auch aus diesem Grunde ist es gut, dass sich Deutschland und Malta in vielen internationalen Gremien gemeinsam für die Stärkung der multilateralen Zusammenarbeit einsetzen. Wir sind genau wie Sie davon überzeugt, dass es einer Stärkung der Vereinten Nationen und ihrer Institutionen bedarf, um die Globalisierung für alle nutzbringend zu gestalten. Für mich heißt das: Nicht der Stärkere bestimmt, sondern die Einsicht, dass es zusammen besser geht.

Ich freue mich über die engen und guten Beziehungen zwischen unseren Ländern und möchte mein Glas erheben auf Ihr persönliches Wohl, auf das Wohl Ihrer Familie, auf die deutsch-maltesische Freundschaft und auf unsere gemeinsame Zukunft in einem einigen Europa.