Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der Verleihung des "Pro-Tier-Förderpreises für artgerechte Nutztierhaltung" der Allianz für Tiere in der Landwirtschaft

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 22. Januar 2008

Der Bundespräsident am Rednerpult.

Wie ich höre, ist der Jury der Allianz für Tiere die Auswahl der Preisträger in diesem Jahr besonders schwer gefallen, weil es so viele preiswürdige Kandidaten gab. Das freut mich, denn ich nehme es als Zeichen dafür, dass immer mehr Landwirte für sich entdecken, dass Nutztierhaltung und Tierschutz keine Gegensätze sein müssen.

Die überwältigende Mehrheit der Verbraucher wünscht sich einen artgerechten Umgang mit Tieren - das kann man zahlreichen deutschen und europäischen Umfragen entnehmen. Und doch: Wenn wir Kindern erklären, wo Fleisch, Eier und Milch herkommen, bemühen wir meistens weiterhin die Bilder von Kühen, die auf der Weide grasen, von Schweinen, die sich im Schlamm suhlen, und von Hühnern, die auf dem Misthaufen scharren, obwohl solche Bedingungen im Zeitalter der Massentierhaltung eher die Ausnahme sind. Dass wir unseren Kindern hier Romantik statt Realität vermitteln, kann auch ein Hinweis sein, dass viele von uns sich eine andere Landwirtschaft wünschen.

Landwirtschaftliche Betriebe sind heutzutage meist hocheffiziente und äußerst kapitalintensive Betriebe, die in einem zunehmend globalen Wettbewerb stehen. Und das müssen wir auch zur Kenntnis nehmen. Die von der Allianz für Tiere ausgezeichneten Unternehmen zeigen, dass sich eine nachhaltige, für Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen vorteilhafte Wirtschaftsform auch rechnen kann. Vor allem aber zeigen sie, wie viel lebenswerter eine Welt ist, in der andere Geschöpfe nicht allein auf ihren ökonomischen Wert reduziert werden. Schon Franz von Assisi bezeichnete die Barmherzigkeit gegenüber den Tieren auch als ein Zeichen der Menschlichkeit.

Sie alle, liebe Preisträger, leisten in diesem Sinne Vorbildliches - und das in einem doppelten Sinne, denn in diesem Jahr wurden Betriebe ausgezeichnet, die neben einer möglichst artgerechten Tierhaltung auch das Gemeinwohl und damit den Zusammenhalt in unserer menschlichen Gemeinschaft im Blick haben. So geben zwei der heutigen Preisträger Menschen mit Behinderungen Arbeit und ermöglichen ihnen so ganz selbstverständlich Teilhabe in unserer Gesellschaft. Ein weiterer Preisträger eröffnet seiner Region eine neue wirtschaftliche Perspektive, indem er regionale Erzeugung, artgerechte Haltung und ökonomischen Erfolg aufs Beste miteinander verbindet. Und der vierte Preisträger beweist als Vorreiter die Vorzüge innovativer Haltungsverfahren und ist dabei, Hühner zu züchten, die - anders als es heute üblich ist - nicht nur als Eier-, sondern zugleich als Fleischlieferanten geeignet sind. Damit bleibt vielleicht künftig Millionen männlichen Küken im Jahr das Schicksal erspart, gleich nach dem Schlüpfen getötet zu werden.

Es ist gut, dass es solche Beispiele gibt, die zeigen, wie es auch anders geht. Ich hoffe, sie finden Nachahmer und Verbraucher, die dies honorieren. Aber um eine artgerechte Nutztierhaltung durchzusetzen, ist auch die Hilfe der Politik gefordert. Deshalb freue ich mich, dass Bundesminister Seehofer heute dabei ist. Die Europäische Kommission hat hier zur anstehenden Überprüfung der Agrarreform bedenkenswerte Vorschläge gemacht. Denn Landwirtschaft kann nicht allein deshalb aus Steuermitteln unterstützt werden, weil sie Landwirtschaft ist. Sie soll gefördert werden, wenn sie gesellschaftlich wertvolle Leistungen erbringt - beim Tierschutz ebenso wie bei der Produktqualität und bei der Erhaltung von Kulturlandschaften. Hierin liegt für mich eine wesentliche Zukunftsaufgabe der Landwirtschaft, und ich werde meinen Beitrag dazu leisten, das Bewusstsein hierfür in unserer Gesellschaft zu stärken.

Und ich bin ziemlich zuversichtlich. Durch viele Gespräche habe ich gemerkt: Es bewegt sich was in der deutschen Landwirtschaft. Nicht nur, dass es unseren Bauern wirtschaftlich besser geht, sondern auch die Gedanken der artgerechten Tierhaltung und der Nachhaltigkeit scheinen sich durchzusetzen.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, und dass ich heute hier bin und, Herr Bundesminister, nicht den traditionellen Rundgang über die Grüne Woche mache, soll zeigen: Hiermit möchte ich der Allianz für Tiere in der Landwirtschaft und diesem Preis meine besondere Aufmerksamkeit geben und herausstellen: Das ist wichtig und soll eine gute und bessere Chance bekommen.

Darum habe ich auch gerne die Schirmherrschaft über den Pro-Tier-Preis übernommen und freue mich, die Auszeichnungen heute selbst übereichen zu können. Sie, liebe Preisträger, sind Vorreiter einer zukunftsorientierten, menschen-, tier- und umweltfreundlichen Landwirtschaft. Das verdient Dank und Anerkennung. Und die wollen wir Ihnen heute mit dieser kleinen Feier vermitteln. Ich wünsche mir, dass jedes Jahr mehr Betriebe Ihrem guten Beispiel folgen.