Tischrede von Bundespräsident Horst Köhler zu Ehren von Karlheinz Böhm

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 21. April 2008

Der Bundespräsident und Karlheinz Böhm begrüßen sich, Frau Köhler und Frau Böhm stehen dahinter

Lieber Karlheinz, liebe Almaz, meine Damen und Herren, herzlich Willkommen in Schloss Bellevue.

Seit dem runden Geburtstag unseres Ehrengastes ist schon etwas über ein Monat vergangen. Dennoch, lieber Karlheinz, lass mich beginnen mit einem "Herzlichen Glückwunsch" zu Deinem Geburtstag, zu Deinem Leben und Deinem Lebenswerk.

Meine Frau und ich freuen uns sehr, dass Sie, liebe Gäste, unserer Einladung folgen konnten. Wir wollen einen großen Menschen ehren.

Lieber Karlheinz, Eva und ich kennen Dich, wie wohl die meisten Deutschen, aus Deinen Filmen und Auftritten im Theater. Doch wahrscheinlich mussten wir uns auch persönlich kennen lernen. Uns verbindet ein Herzensanliegen: das Schicksal der Menschen auf dem afrikanischen Kontinent. Und Eva und ich sind froh, Almaz und Dich auch persönlich in Äthiopien erlebt zu haben: Eure Partnerschaft und Eure Arbeit dort sind ein Hoffnungszeichen für Frieden und Gerechtigkeit auch in Afrika.

Lieber Karlheinz, die Wut über die Ungerechtigkeit der Welt hat Dich nicht gelähmt, sondern im Gegenteil angespornt: "Mut zur Wut" ist Dir zu einem Lebensmotto geworden - genauer: zu einem Antriebsmotor, Dich nicht mit der schreienden Ungerechtigkeit abzufinden, die den meisten Menschen in Afrika seit Jahrhunderten und bis heute widerfährt. Deine Antwort ist "Menschen für Menschen".

Ich erinnere mich noch gut, als wir 2004, bei meiner ersten Afrika-Reise als Bundespräsident, lange zusammen in Äthiopien unter einem Baum gesessen und miteinander über Afrika gesprochen haben. Wir waren und sind uns einig: Wir können in Deutschland nicht von Gerechtigkeit sprechen und gleichzeitig zusehen, wie ganze Völker in anderen Teilen der Welt keine ernsthafte Chance haben, der permanenten Not zu entrinnen. Afrika braucht und verdient unsere Beachtung, unsere Kooperation und unsere Partnerschaft. Nicht nur aus humanitären Erwägungen, sondern weil das auch in unserem eigenen Interesse liegt. In der vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts ist unsere Zukunft - und die unserer Kinder und Enkel - mehr denn je mit der Zukunft unseres Nachbarkontinents verwoben. Deshalb brauchen Afrika und Äthiopien in der Tat kein Mitleid, sondern Hilfe, am besten - wie Du selber sagst - Hilfe zur Selbstentwicklung.

Ich habe damals bei meiner Äthiopien-Reise das Agro Technical Training Center von "Menschen für Menschen" in Harar besucht. Dort lernen junge Äthiopier Autos zu reparieren, zu schweißen oder landwirtschaftliche Geräte zu bedienen. Ich habe mit den jungen Menschen gesprochen, und ich habe in ihren blitzenden Augen Lebensmut, Neugier und Entschlossenheit gesehen. Seitdem weiß ich etwas besser - lieber Karlheinz - was Du auch zurück bekommst für Dein Engagement mit "Menschen für Menschen". Dich leitet tiefste Humanität und Du bist mit Deinem Engagement ein Vorbild für gelebte Menschlichkeit.

So ist es auch nur folgerichtig, dass Du Deine Arbeit vor allem an der Erkenntnis ausrichtest, dass Entwicklung nicht ohne Bildung möglich ist. "Der Mensch ist, was er als Mensch sein soll, erst durch Bildung". Hegels Worte haben universelle Bedeutung: Mit dem neuen Bildungsprogramm "ABC-2015" von "Menschen für Menschen" machst Du sie mit Almaz für die Menschen in Äthiopien konkret. Die Kinder der Welt müssen ihre Zukunft selber buchstabieren können.

Lieber Karlheinz, wahrscheinlich hättest Du, als Du vor 27 Jahren das erste Mal äthiopischen Boden betreten hast, selbst nicht gedacht, wohin Dich das einmal führen würde. Inzwischen bist Du "Ehrenbürger" Äthiopiens geworden - und dort mindestens ebenso zu Hause wie hier.

Liebe Almaz, Deine Familie hat Karlheinz als einen der Ihren aufgenommen. Das und der Ehrentitel "Abbo Karl", mit dem Du, Karlheinz, überall in Äthiopien begrüßt wirst, zeigt, wie tief Du in die Kultur des Landes eingetaucht bist. Eines Landes, das mit seiner Jahrtausende alten Zivilisation als eine der Wiegen der Menschheit gilt.
Du hast dies stets mit Neugierde, Offenheit und Begeisterung getan, vor allem aber mit Respekt. Das scheint mir ganz besonders wichtig im Umgang mit den Kulturen Afrikas.

Respekt vor der Kultur des Anderen heißt aber nicht, alles so hinzunehmen, wie es ist. So wie das Gengut jeder Generation neu gemischt werden muss, erstickt auch jede Kultur ohne den Austausch neuer Ideen an sich selbst. Du, Karlheinz, hast Dich beispielsweise nicht gescheut, mit Aufklärungskampagnen in Äthiopien zwei kulturelle Tabus anzugehen: die Kinderheirat und die Beschneidung von Frauen. Das war bei allem Respekt vor der äthiopischen Kultur ohne Zweifel richtig. Denn Tradition sollte Richtschnur sein - und keine Fessel.

Die Voraussetzung dafür, dass man Dir zuhört, auch wenn Du Unbequemes sagst, war sicher, dass Du die Probleme der Menschen kennst - und über die Jahre ihr Vertrauen gewonnen hast. Die Menschen spüren, dass Du nicht einer von den vielen bist, die nur kurzfristig im Scheinwerferlicht als Wohltäter auftreten.

Im Gegenteil, "Menschen für Menschen" wirkt seit mehr als einem Vierteljahrhundert - mit Konsequenz, Durchhaltefähigkeit und langem Atem. Dass dies so bleibt, wünschen wir alle.

Und Dir, lieber Karlheinz, wünsche ich für Dein neues Lebensjahrzehnt auch persönlich alles Gute. Lassen Sie uns, liebe Gäste, gemeinsam unser Glas erheben: auf das Wohl seiner Organisation "Menschen für Menschen" und all ihrer Mitarbeiter, der hier Anwesenden und der vielen Helfer in Äthiopien, und insbesondere auf das persönliche Wohl unseres Geburtstagskindes und seiner Frau. Wir wünschen Euch beiden noch viele gute gemeinsame Jahre!