Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler aus Anlass der Abschlussveranstaltung des Chorfestes Bremen 2008

Schwerpunktthema: Rede

Bremen, , 24. Mai 2008

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

Liebe Sängerinnen und Sänger, ich freue mich sehr darüber, heute hier bei Ihnen in Bremen zu sein!

Ein Konzert wie dieses, ein Mitsingkonzert - das ist eine Veranstaltung ganz nach meinem Geschmack. In meinen jungen Jahren in Süddeutschland war ich selbst ein überzeugtes Mitglied im Männergesangverein Herrenberg-Mönchberg. Da ging es natürlich um das Singen, aber auch um die Geselligkeit. Das konnte ich dann wegen des häufigen Wohnortwechsels und des Zeitbedarfs leider nicht mehr beibehalten. Denn das gemeinsame Konzertsingen - Sie alle wissen das - erfordert auch viele gemeinsame Konzertproben.

Meine Frau dagegen ist weiterhin aktive begeisterte Chorsängerin. Sie sehen also: Mit uns beiden haben Sie in gewisser Weise ein Fachpublikum vor sich! Und wir sind sehr gespannt auf das, was sich uns nun bietet. Es ist ja schon etwas ganz Besonderes, wenn 650 Chorsängerinnen und -sänger aus rund 25 Chören aus ganz Deutschland zusammen ein Konzert geben, für das sie nur ein einziges Mal gemeinsam proben konnten.

Ich finde es schön, dass es das Chorfest gibt. Es zeigt, wie vielfältig die Chorlandschaft in Deutschland ist und lädt mit seinen wechselnden Veranstaltungsorten dazu ein, die kulturelle Vielfalt in unserem Land zu entdecken: Bremen ist eine wichtige Handels- und eine der schönsten Hansestädte Deutschlands, eine Stadt, in der gerade in diesen Tagen nicht nur über Fußball geredet, sondern auch guter Fußball gespielt wird, und eine Stadt mit einer lebendigen Kunst- und Kulturszene. Das Chorfest zeigt schließlich einmal mehr, wie sehr Musik die Menschen zusammenbringt.

Über acht Millionen Menschen sind es, wenn man all diejenigen zusammenzählt, die in Deutschland - ob als Laien oder als Profis - in Chören und Musikvereinen singen oder musizieren: Bei dieser Größenordnung darf man mit einer gewissen Berechtigung von einer Volksbewegung sprechen. Da kann nicht einmal der Fußball mithalten mit seinen sechseinhalb Millionen Aktiven im Deutschen Fußballbund.

Warum ist uns Menschen das Singen und das Musizieren so wichtig? Ich glaube, es liegt am Wesen der Musik selbst. Sie macht Freude: dem, der sie macht, und dem, der sie hört - meistens jedenfalls. Sie spricht den ganzen Menschen an: seine Gefühle und seinen Intellekt. Und sie bringt alle menschlichen Empfindungen zum Ausdruck: Freude und Stolz, Liebe und Glück, Angst und Schmerz, Trauer und Hoffnung.

Das große Interesse am gemeinsamen Singen und Musizieren hat aus meiner Sicht noch einen weiteren wesentlichen Grund. Es ist das Gefühl von Gemeinschaft und von Zusammengehörigkeit, das man dadurch immer wieder erfährt. Man erlebt, dass es gemeinsam gelingt, in einer Weise Musik zu machen, die einem einzelnen so nicht möglich wäre. War es nicht ein erhebendes Gefühl, dieses Konzert gemeinsam mit der Hymne "Freude, schöner Götterfunken" zu beginnen?!

Die zahlreichen Vereine und Vereinigungen in unseren Land, die sich dem Musizieren verschrieben haben, halten das kulturelle Erbe unseres Landes lebendig. Wie viele Lieder, wie viele alte und neuere Melodien wären schon in Vergessenheit geraten, gäbe es die Gesangvereine, gäbe es die Musikvereine nicht? Zugleich sind sie Orte der Begegnung und der Integration: Sie bringen Alt und Jung zusammen, Einheimische und Zugezogene, Handwerker und Akademiker, Menschen mit und ohne Arbeitsplatz. "Wo man singt, da lass dich ruhig nieder" heißt es in einem alten Sprichwort. Und das stimmt: Wo man gemeinsam singt und musiziert, da ist wenig Platz für Aggressionen, Anfeindungen und Neid. Da verfolgt man ein gemeinsames Ziel, und das verbindet.

Wussten Sie eigentlich, dass Sie als aktive Chorsängerinnen und -sänger nicht nur etwas für unser kulturelles Erbe und für unsere Gesellschaft, sondern auch etwas für Ihre eigene Gesundheit tun? Eine Studie hat kürzlich ergeben, dass Chorsänger nach der Chorprobe mehr Abwehrstoffe im Blut haben. Einer Leidenschaft zu frönen und zugleich Gesundheitsvorsorge zu betreiben - das hat doch etwas!

Liebe Chorsängerinnen, liebe Chorsänger! Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude am gemeinsamen Gesang, am gemeinsamen Musizieren. Singen Sie weiter - unser Land braucht Sie, braucht Gesang- und Musikvereine. Ich danke Ihnen!