Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler beim Festakt zum hundertjährigen Bestehen des Staatstheaters Cottbus

Schwerpunktthema: Rede

Cottbus, , 1. Oktober 2008

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult vor einem goldverzierten Vorhang

Es waren vor rund einhundert Jahren die Cottbusser Bürger, die ihr eigenes Theater wollten. Diese Idee, diese Tatkraft, dieser Bürgersinn und diese Leidenschaft für Theater haben uns auch heute zusammen gebracht.

Ich freue mich sehr, dass meine Frau und ich bei diesem Festakt dabei sein können. Meine Frau kennt ihr Haus schon: Im Jahre 2004 war sie bei Ihnen und hat nach dem Besuch ein sehr schönes Foto bekommen. Dass muss ich Ihnen kurz beschreiben: Meine Frau sitzt auf dieser Bühne auf einem Stuhl, der für gekrönte Häupter gemacht scheint. Im ganzen Schloss Bellevue in Berlin gibt es keinen solchen prunkvollen Stuhl. Da gilt: Wo Schloss drauf steht, ist Republik drin. Aber auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ist eben alles möglich, im Theater ist man frei. Da darf man auch in republikanischen Zeiten auf einem Thron sitzen.

Das finde ich gut. Und deshalb ist es mir auch ein Anliegen, heute an die Gründungsidee des Theaters Cottbus von vor einhundert Jahren zu erinnern, an Menschen, die der Freiheit der Kunst zugewandt und damit der Freiheit überhaupt zugewandt waren und die dafür etwas getan haben.

Ich freue mich, dass heute auch Nachkommen der Familie von Max Grünebaum unter uns sind, dessen Name mit den Aufbaujahren des Cottbusser Theaters eng verbunden ist. Heute verbinden sich die Namen seiner Enkel mit der Förderung dieses Theaters und seinem künstlerischen Nachwuchs, weil sie aus zurück erhaltenem Vermögen eine Stiftung zur Förderung der Kunst und der Wissenschaft hier in Cottbus gegründet haben. Mein besonderer Willkommensgruß gilt Ihnen, sehr geehrte Frau Hulme.

In Cottbus ist der Geist der Gründerjahre vielfach spürbar. Ich bin gern gekommen und habe mich eben beim Reingehen an dem wunderbar restaurierten Haus erfreut. Und der Blick auf das Programm der Jubiläumsspielzeit macht auch kulturverwöhnte Hauptstädter staunen: Schillers "Räuber" und Büchners "Danton" sind mir aufgefallen, weil ich sie gern wieder sehen würde und auch die Oper "Cosima" von Siegfried Matthus, die ich noch nicht kenne, macht neugierig. Das Programm zeigt auch, was ein Mehrsparten-Haus alles kann, und es ist ein gelungenes Beispiel für Aufbau und Aufbruch in der Theaterlandschaft in Deutschland.

Für den Auftakt vor hundert Jahren hier in Cottbus wählte man ein bedeutendes Stück der Aufklärung: Lessings "Minna von Barnhelm", bis heute eines der meistgespielten Stücke auf deutschsprachigen Bühnen und bereits im 18. Jahrhundert in Paris und London erfolgreich. 1767 gab es um dieses Stück noch Streit mit der Zensur, bevor es uraufgeführt werden konnte. Eine kluge Wahl, damit zu beginnen und ein klares Zeichen für das, was in Cottbus Theater sein sollte.

Erinnern wir uns auch daran, dass es die Cottbusser Bürger waren, die 1945 die Sprengung des Theatergebäudes verhindert haben und in den achtziger Jahren an der Rekonstruktion mitwirkten. Und so wundert es mich auch gar nicht, dass für die Montagsdemonstrationen und die Initiative für den "Runden Tisch" hier in Cottbus dieses Theater Treffpunkt und Ausgangspunkt war.

Für viele Menschen ist und bleibt das Theater ein Ort der Aufklärung, ein Ort der Erklärung, ein Ort für Sehnsüchte und ein Ort der Suche nach Antworten. Und nicht nur für mich ist Theater auch ein Ort der immerwährenden Überraschungen, des neuen Blicks auf die menschlichen Verhältnisse, also: ein Ort der Freiheit in einer Welt des Wandels. Das heißt auch in einer Welt mit großen Spannungen. Denn je enger die Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen Erfahrungen zusammen kommen, desto drängender stellen sich manche Fragen. Nach dem Wohin des Einzelnen, der Gesellschaft, nach dem richtigen Handeln, Fragen nach einem guten Miteinander, nach Grenzen in der Globalisierung, und wieder: nach Freiheit und Gerechtigkeit. Perfekter Stoff fürs Theater!

Unser Land hat im internationalen Vergleich eine Vielzahl guter und sehr guter Theater mit eindrucksvollem künstlerischem Profil und großartigen Schauspielerinnen und Schauspielern. Auch die, die man nicht immer sieht, bei den Regisseuren und den Intendanten angefangen bis hin zu denen, die eine Requisite herstellen, will ich in diesem Zusammenhang nennen. Und so manch ein Bühnenbild hat sich bei mir dauerhaft mit einer Aufführung im Gedächtnis verankert.

Rund 150 Stadt- und Staatstheater sind im Deutschen Bühnenverein organisiert. Hinzu kommen noch einmal etwa 1000 Freie Theater. Diese Zahlen sprechen für eine lebendige Theaterlandschaft in Deutschland und ganz gewiss für viele erfolgreiche Inszenierungen.

Jürgen Flimm, einer der großen deutschen Theatermacher, hat einmal gesagt: "Das Theater braucht seine Legitimation durch den Zuschauer". Aus Rückhalt und Zuspruch kann noch mehr entstehen, zum Beispiel Engagement für die Verbesserung kultureller Rahmenbedingungen. Das Theater ist wichtiger Teil unserer Zivilgesellschaft, ein Bollwerk gegen Extremismus und Barbarei, und deshalb freue ich mich über den regen Zuspruch hier in Cottbus.

Es ist wichtig, dass wir unser reiches kulturelles Erbe, an dem das Theater maßgeblichen Anteil hat, der nächsten Generation mit Überzeugung und Stolz übergeben. Für diesen "Generationenvertrag Kultur" und für die Chance kultureller Teilhabe müssen wir uns alle anstrengen. Ältere sollten dabei auch offen sein für Kultur der Jüngeren, können gar von ihnen lernen, wenn es zum Beispiel um neue Technologien und Medien geht. Ein gutes Miteinander von Jung und Alt, die Freundschaft der Generationen - Kultur kann das Bindeglied und die Inspiration dafür sein.

Dieser Geburtstag hatte vor diesem Festakt eine Ouvertüre. Er hat mit Kindern aus Cottbusser Grundschulen begonnen. Sie waren die ersten Ehrengäste und Gratulanten, und jeder weiß, gerade Kinder feiern besonders gern Geburtstag. So werden auf einfache Weise kleine Grundsteine gelegt für Neugierde, für kreatives Spiel und auch für ein Erleben in Gemeinschaft. Diese Programmgestaltung zeigt auf eine ganz praktische Weise das Anliegen kultureller Bildung und es belegt ein Engagement, das wir unseren Kindern schuldig sind.

Ich gratuliere herzlich zum 100. Geburtstag dieses schönen Theaters und für die nächsten hundert Jahre wünsche ich Ihnen ein allzeit volles Haus, stets beeindruckte Besucher, viel Freude - und viel Unterstützung.

Glück auf!