Freundschaft zwischen Jung und Alt - Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Bürgerinnen und Bürger für ihre Verdienste um das Miteinander der Generationen

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 4. November 2008

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

"Für jung und alt" - "Groß und Klein willkommen" - wann immer ich bei der Ankündigung von Veranstaltungen, auf Einladungen oder Plakaten diesen Hinweis sehe, freue ich mich. Wieder ein Anlass für eine Begegnung zwischen den Generationen, wieder ein Ort, an dem Jung und Alt Gemeinsamkeit pflegen! Ob im Theater oder im Sportverein, in der Kirchengemeinde oder im Umweltclub: In Deutschland gibt es Tag für Tag viele Gelegenheiten, bei denen ältere und jüngere Menschen zusammenkommen. Das ist schon an sich eine gute Nachricht. Und noch besser ist es, wenn aus diesen vielen Begegnungen ein Miteinander wird, wenn Alt und Jung bewusst aufeinander zugehen und gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Auf meinen Reisen durch das Land und in meinen Gesprächen mit den Menschen beobachte ich: Dieses Miteinander der Generationen hat Konjunktur in Deutschland - in den Familien sowieso, aber auch weit darüber hinaus. Statt eines oft beschworenen "Konflikts der Generationen" erlebe ich, was auch viele Untersuchungen zeigen: Die Freundschaft zwischen Jung und Alt wächst. Das verdanken wir besonders denjenigen, die mit Projekten, Initiativen und Ideen das Gespräch und die gegenseitige Unterstützung zwischen den Generationen fördern, sich des Themas annehmen. Einige dieser Bürgerinnen und Bürger, die sich verdient gemacht haben um das gute Verhältnis von Jung und Alt, wollen wir heute ehren: Vor allem Ihnen, meine Damen und Herren, gilt mein besonderes Willkommen!

Mit Menschen zusammen kommen, soziale Kontakte knüpfen und pflegen, anderen helfen, etwas für das Gemeinwohl tun - das sind, wie wir aus Umfragen wissen, die wichtigsten Gründe, warum sich Menschen engagieren. Wer sich für andere einsetzt, der will etwas zum Guten verändern und erlebt dann auch: Da kommt etwas zurück. Diese Tatkraft ist es, die unsere heutigen Ehrengäste auszeichnet. Natürlich: Noch weitere Qualitäten sind für ihre vorbildlichen Leistungen unverzichtbar - zum Beispiel Erfahrung, Ausdauer und Organisationstalent. Bürgerschaftliches Engagement ist eine anspruchsvolle und manchmal auch anstrengende Sache. Wir werden gleich mehr von den eindrucksvollen Verdiensten unserer Ehrengäste erfahren.

Und wir werden hören, wie vielfältig ihr Einsatz für das Miteinander von "Jung und Alt" ist. Das reicht von Initiativen für eine bessere Nachbarschaft über Bildungsprojekte für Kinder, Patenschaften für die Berufsausbildung oder Unterstützungsmodelle für junge Familien bis hin zur Hilfe für Menschen, deren Leben zu Ende geht. So unterschiedlich die Formen des Engagements sind und gleich, ob die Initiative von den Älteren oder den Jüngeren ausgeht - überall kommt es auf das Miteinander an, auf die gemeinsamen Erlebnisse und Erfahrungen.

Von den heute zu Ehrenden haben die meisten die Lebensmitte schon überschritten. Das heißt nun nicht, dass es nicht viele junge Menschen gibt, die sich für Ältere einsetzen. Ein Beispiel, bei dem Jüngere auf Ältere zugegangen sind, ist die "Videogruppe SFA". In ihr drehen junge Leute jede Woche einen Film darüber, was in Soltau-Fallingbostel in der Lüneburger Heide und seiner Umgebung so passiert, und den Film zeigen sie in einem Altenheim, jede Woche. Sie führen auch Interviews mit den Senioren, und alles das bewirkt viele Gespräche zwischen Jung und Alt. Einer aus der Videogruppe sagte mir: "Die Arbeit macht viel Spaß, und die alten Leute inspirieren uns richtig." Ich hoffe, die jungen Menschen in diesem und in anderen Projekten bleiben bei ihrem Engagement - dann sehe ich die Beteiligten vielleicht bald an einem Tag wie heute hier in Schloss Bellevue wieder.

Anhaltendes Engagement braucht vor allem eins: Zeit. Sie, liebe Ehrengäste, wissen das. Manche von Ihnen bauen die Zeit für ehrenamtliches Engagement in den Berufs- und Familienalltag ein, viele von Ihnen aber nutzen dafür die Zeit, die Sie gewonnen haben, weil die Kinder aus dem Haus sind oder Sie nicht mehr so eingespannt sind im Beruf. Und auf diese Weise machen Sie etwas aus dem Geschenk eines längeren Lebens, das der demografische Wandel uns beschert. "Wer sich um andere kümmert, hat keine Zeit, alt zu sein" - diesen Satz von Wilhelmine Lübke würden sicher viele von Ihnen unterschreiben.

Sicher: Dass unsere Gesellschaft altert, dass immer mehr Alte, immer weniger Jungen gegenüberstehen, das bringt natürlich auch neue Fragen, Herausforderungen und auch Spannungen mit sich. Aber im Gewinn an Lebenszeit liegt vor allem eine riesige Chance - für den Einzelnen wie für unsere Gesellschaft als Ganzes. Ich bin überzeugt: Den Beitrag, den gerade ältere Menschen für den Zusammenhalt unseres Gemeinwesens zu leisten vermögen und leisten wollen, können wir gar nicht hoch genug einschätzen. Das ist ein Schatz, den müssen wir heben.

Übrigens gibt es auch ganz ungewöhnliche Wege, wie Ältere auf Jüngere zugehen: Vielleicht haben Sie von dem Film Young@Heart gehört, der gerade in unseren Kinos gelaufen ist. Er erzählt die Geschichte eines "Alten-Chors" - spezialisiert auf Rock, Punk und Pop. Eine Geschichte, die mit Humor - manchmal auch schwarzem Humor - erzählt von neuen Erfahrungen im Alter, von Gemeinschaft, von Einsatz und von schierer Lebensfreude - von einer Energie, die ansteckt. Und begeistert rocken die vielen jungen Fans in den Konzertsälen und die Zuschauer in den Kinos mit.

Der Film lässt uns anders auf das Alter sehen. Andere, einfühlsame Blicke auf das Alter hat uns auch der Journalist Sven Kuntze ermöglicht. Selber frisch im unruhigen Ruhestand, ist er zu Jahresbeginn für einige Wochen auf Probe in ein Seniorenheim gezogen. Er hat darüber und über seine Erfahrungen in einem Mehrgenerationenhaus und einer Vier-Generationen-Großfamilie eine Reportage gemacht, als Teil einer ARD-Themenwoche mit dem Titel "Mehr Zeit zu leben".

Herr Kuntze, ich freue mich, dass Sie die Moderation dieses Festaktes übernommen haben. Schönen Dank dafür.

Bevor Herr Kuntze nun die Verdienste unserer Ehrengäste vorträgt, will ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, mündlich sagen, was ich dinglich gleich mit Urkunde und Ordenszeichen zum Ausdruck bringe: Ich danke Ihnen für das Engagement für das Miteinander von Jung und Alt. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mit Ihrem Einsatz unser Land menschlicher machen, ich danke Ihnen für Ihr Beispiel, das Sie anderen geben.

Ich freue mich sehr, Ihnen heute den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland überreichen zu können.

(Zu den Ordensträgern)