Tischrede von Bundespräsident Horst Köhler beim Abendesssen, gegeben vom Präsidenten der Bundesrepublik Nigeria, Herrn Umaru Musa Yar'Adua, aus Anlass des 4. Afrika-Forums

Schwerpunktthema: Rede

Abuja/Nigeria, , 8. November 2008

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

Genau vor einem Jahr - im November 2007 - trafen wir in Deutschland zum letzten Afrika-Forum zusammen. Sie, Herr Präsident Yar'Adua, haben uns damals nach Abuja eingeladen. Heute genießen wir Ihre Gastfreundschaft in Abuja. Dafür möchte ich mich bei Ihnen ganz herzlich bedanken.

Die Diskussionen des heutigen Tages haben gezeigt, dass es uns gelungen ist, unter Freunden offen und vertrauensvoll zu sprechen. Ich fühle mich hier in Abuja unter Freunden. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um drei meiner Meinung nach wichtige Themen und deren Bedeutung für unsere Partnerschaft anzusprechen. Es handelt sich um Frieden, Wohlstand und Identität.

Mit dem Ende des Kalten Kriegs konnten zwar viele seiner Stellvertreterkriege erfolgreich beendet werden, - die langjährigen Bürgerkriege in Angola und Mosambik sind gute Beispiele dafür - aber der Traum einer Welt im Frieden ist dennoch nicht in Erfüllung gegangen. Das gilt auch für Afrika. Die jüngsten Nachrichten aus dem Osten des Kongos sind besonders enttäuschend. Aber auch Darfur und Somalia zeigen es immer wieder: Es ist vor allem die afrikanische Zivilbevölkerung, Männer, Frauen und vor allem auch Kinder, die unter der Gewalt leidet. Dies muss ein Ende haben.

Ich habe es immer wieder an die Adresse der Europäer gesagt: Wir müssen Afrikas Anspruch auf eine gleichberechtigte Partnerschaft ernst nehmen. Ich sage es aber auch genauso offen an die Adresse unserer afrikanischen Freunde: Ein selbstbewusstes und gleichberechtigtes Afrika muss sich seiner Verantwortung stellen, Sicherheit und Frieden auf dem eigenen Kontinent zu gewährleisten. Die Afrikanische Union selber hat es sich zum Ziel gesetzt, nicht mehr wegzusehen, wenn es beim Nachbarn brennt. Es gibt leider noch viel zu viele ungelöschte Brände.

Ich weiß, wie schwer es ist, diese Konflikte zu lösen, und wir haben heute auch über die Komplexität der Konflikte gesprochen. Aber es gibt positive Beispiele. Unter uns sitzen viele, die sich in schwierigen Vermittlungsaktionen in Afrika verdient gemacht haben. Unsere nigerianischen Gastgeber leisten im Rahmen der Vereinten Nationen und in ECOWAS und in der AU einen wichtigen Beitrag zu internationalen Friedenseinsätzen. Ebenfalls ist es beispielhaft, dass Nigeria die Lösung eines langen Territorialstreits mit seinem Nachbarn Kamerun um die Bakassi-Halbinsel dem internationalen Gerichtshof anvertraut hat und sich seinem Schiedsspruch unterwirft.

Europa als Partner kann ebenfalls nicht wegsehen, wenn es beim Nachbarn brennt. Dies gilt sowohl für akute Krisen und Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen, als auch für langfristige Friedenssicherung. Afrika ist dabei, dafür seine eigenen Strukturen aufzubauen. Europa sollte dies weiter unterstützen.

Auch beim Thema Wohlstand brauchen wir eine neue Partnerschaft: Afrika ist ein reicher Kontinent, aber ein Großteil des Reichtums kommt noch nicht seiner Bevölkerung zu Gute. Ich sage damit gerade in einem Land wie Nigeria nichts Neues. Und sicher liegt es vor allem an Afrika selber, durch gute und transparente Regierungsführung die Erlöse aus Rohstoffverkäufen zum Wohle der eigenen Bevölkerung einzusetzen.

Europa kann und muss dies von außen unterstützen, und dafür sehe ich Ansatzpunkte. Erstens, wir müssen den afrikanischen Reformern helfen, die sich - manchmal unter Gefahr für das eigene Leben - für Transparenz und Fairness einsetzen. Zweitens, Europa muss selber Fairness und Glaubwürdigkeit, z. B. bei der Herkunft von Rohstoffen, zum Markenzeichen seiner entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Afrika machen. Drittens, wir müssen uns für Welthandelsbedingungen einsetzen, die die besonderen Belange Afrikas berücksichtigen. Dazu gehört zum Beispiel eine internationale Rohstoffstrategie, die allen Rohstoffländern eine faire Chance bietet, am Markt teilzuhaben.

Das letzte, aber gerade langfristig wichtige der drei Themen, für die ich einen Denkanstoß geben möchte, ist die Identität. Jeder von uns hat je nach der Situation verschiedene Identitäten, verschiedene Gesichter. Aber unsere Gemeinwesen benötigen, um zu funktionieren, auch gemeinsame Identitäten. Die vornehmlich in der europäischen Neuzeit entstandene Idee eines homogenen Staatsvolks hat nicht nur in Europa selber zu viel Gewalt geführt - Europäer haben auch als Kolonialherren die afrikanischen Gesellschaften "ethnisiert" und damit den Keim für viele Konflikte gelegt.

Verglichen mit dem Vielvölkerstaat Nigeria und den meisten anderen Staaten Afrikas, sind die europäischen Staaten homogen. Für Afrika sind die Fragen der Identität schon lange von hoher Bedeutung. Aber auch die Gesellschaften in Europa werden immer vielfältiger. Wie kann man das Zusammenleben verschiedener Gruppen und Ethnien friedlich gestalten? Was hält unsere Gemeinwesen überhaupt zusammen? Was ist die Essenz einer gemeinsamen Identität? Die Suche nach Antworten auf diese Fragen wird weltweit immer wichtiger. Und ich denke, trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen können Afrika und Europa vielleicht auch hier voneinander lernen.

Sehr geehrter Herr Präsident Yar'Adua, meine Damen und Herren, unsere Diskussionen um Partnerschaft spielen sich nicht im luftleeren Raum ab. Die Europäische Union und die Afrikanische Union haben sich 2007 zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf eine gemeinsame Strategie verständigt. Es liegt jetzt in den Händen gleichermaßen der Europäer wie der Afrikaner, in den einzelnen Arbeitsgruppen daraus konkrete Zusammenarbeit zum Guten für beide Seiten zu machen. Die deutsch-nigerianische Energiepartnerschaft ist ein Beispiel dafür, was Europa und Afrika tun können, um mit den Rohstoffen Afrikas und der Technologie Europas die Energieversorgung in beiden Kontinenten zu verbessern. Die "Aktion Afrika" der deutschen Bundesregierung belegt, dass Deutschland mehr kulturelle Kontakte mit Afrika anstrebt. Ich habe aus den Diskussionen mitgenommen, dass es insgesamt immer noch viel zu wenige Begegnungen zwischen den Menschen gibt.

Die Jugend spielt dabei eine wichtige Rolle. Im Rahmen unseres Afrika-Forums haben die "Young Leaders" aus Afrika und Deutschland uns vor einem Jahr in Ghana Partnerschaft vorgelebt. Sie haben lange offen und kontrovers diskutiert und auch mir persönlich in Wittenberg viele Fragen gestellt. Und dabei haben sie gemerkt, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Ihre Erklärung "Zwei Generationen - eine Zukunft" macht Mut. Mut, dass wir trotz aller Hürden gemeinsam akzeptierte Werte finden können. Wir müssen die "Young Leaders" nur machen lassen.

Ich bitte Sie nun daher, mit mir das Glas zu erheben und einen Toast auszubringen; auf die Gesundheit von Staatspräsident Yar'Adua und unserer nigerianischen Gastgeber und auf die Partnerschaft zwischen Deutschland und Afrika.