Ruanda und Rheinland-Pfalz: eine Freundschaft in der Globalisierung - Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler zur Eröffnung des Ruanda-Tages in Neuwied

Schwerpunktthema: Rede

Neuwied, , 5. September 2009

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult, dahinter stehen weitere Personen

Ich bin heute nach Neuwied gekommen, um eine beispielhafte Entwicklung zu würdigen: Über 25 Jahre währt jetzt die Zusammenarbeit zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda, und mir scheint, so mein Eindruck nach Besuchen in Ruanda und Gesprächen mit Ehrenamtlichen, da ist so etwas wie eine Freundschaft gewachsen.

"Halte Deinen Freund mit beiden Händen" - so lautet ein afrikanisches Sprichwort. Und genau danach haben die Menschen in Ruanda und Rheinland-Pfalz gehandelt - auch als der Genozid vor fünfzehn Jahren alles in Frage stellte. "Was können wir tun?" haben sich damals viele Menschen in Rheinland-Pfalz gefragt. Ihre Antwort war: "Wir halten an der Zusammenarbeit fest", viele haben gesagt: "Jetzt erst recht." Das blieb auch nach einem Regierungswechsel so. Die Menschen wollten nicht, dass verloren geht, was über Jahre hinweg aufgebaut worden war: Wissen übereinander und Vertrauen ineinander. Ich möchte allen Beteiligten dazu gratulieren. Rheinland-Pfalz kann auf das in der Zusammenarbeit mit Ruanda Erreichte stolz sein. Und ich bin stolz auf die Engagierten, weil sie so viel Mitmenschlichkeit beweisen und zudem noch so viel für Deutschlands Ruf in Afrika und in der Welt tun, weil sie anpacken und nicht nur reden.

Während meiner Reise durch Ruanda im letzten Jahr fiel allerorten das Wort "Jumelage" - was sich mit freundschaftlicher "Partnerschaft" übersetzen lässt. Ich gewann den Eindruck, dass die Partnerschaft für viele Ruander längst zu einer festen Größe geworden ist. Sicher auch, weil sie sich an ganz praktischen Projekten festmacht: am Bau von Schulen und Kindergärten, Krankenstationen oder durch Ausbildungsprogramme und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Aber die Partnerschaft zwischen Ruanda und Rheinland-Pfalz zeichnet sich durch noch mehr aus: Sie gibt den Partnern Zeit, sich kennenzulernen und einander besser zu verstehen. Sie fördert die direkte Zusammenarbeit zwischen den Menschen. Und sie schafft Raum für etwas, an dem es noch allzu oft fehlt: den Willen und die Möglichkeit, zuzuhören und voneinander zu lernen. Denn auch wir können von Ruanda, seiner Kultur und seinen Menschen lernen. "Jumelage" bedeutet wörtlich die Zusammenfügung von zwei sich ergänzenden Dingen. Und genau darum geht es: um das Einbringen unterschiedlicher Erfahrungen und Stärken, um den Respekt zwischen unterschiedlichen Kulturen und Traditionen und um die gemeinsame Entwicklung von Ideen. Es geht nicht um eine einseitige Übertragung unserer Vorstellungen auf Afrika.

Uns allen muss heute klar sein: Wir können die Herausforderungen, vor denen unser Planet steht, nur mehr durch gemeinsames Handeln bewältigen, durch Kooperation, nicht Dominanz. Und wir brauchen dazu Afrika. Nicht nur als Rohstofflieferant oder als Hilfeempfänger. Wir brauchen Afrika als echten Partner. Es ist gut, dass die Politik inzwischen erkannt hat, dass unser Afrika-Bild lange zu einseitig war und dass wir in der Zusammenarbeit mit Afrika neue Wege gehen müssen. Deshalb war auch das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Afrikas und der Europäischen Union 2007 in Lissabon so wichtig. Es ist aber jetzt wichtig, dass den vielen Papieren Taten folgen. Europa hat hier eine Aufgabe und Verpflichtung. Und wir brauchen Begegnung und Zusammenarbeit auf allen Ebenen, auch und gerade zwischen Regionen, Kommunen und den Akteuren der Zivilgesellschaft. Wir brauchen das Mitmachen möglichst vieler Menschen in Afrika und Europa, wenn wir diese Partnerschaft wirklich mit Leben erfüllen wollen. Rheinland-Pfalz und Ruanda machen vor, wie das geht.

Dabei zeigt sich übrigens noch ein interessanter Nebeneffekt. Ich habe gehört, dass in Rheinland-Pfalz durch gemeinsames Engagement neue Verbindungen zwischen Bürgerinnen und Bürgern entstanden sind. Man lernt sich kennen und macht etwas zusammen. Und vielleicht rücken auch die verschiedenen Regionen näher zusammen.

Auf jeder Ebene der Zusammenarbeit sollten wir noch genauer hinschauen, was unsere afrikanischen Partner wirklich brauchen und was sie uns wirklich zu sagen haben. Ich finde es richtig, dass Regierungen in Afrika inzwischen selbstbewusst fordern, dass die einzelnen Projekte der vielen Hilfsorganisationen besser koordiniert werden und dass sie sich in die nationalen Entwicklungspläne, in die Wünsche und Ziele der Menschen in Ruanda einfügen. Deshalb ist es wichtig, dass die westlichen Geber eine bessere Abstimmung untereinander beschlossen haben. Das nennt man Pariser Entschluss. Auch hier war Rheinland-Pfalz seiner Zeit voraus: Durch die Gründung eines Koordinationsbüros vor Ort und eines Partnerschaftsvereins in Deutschland hat man schon früh einen festen Rahmen für die vielen Aktivitäten geschaffen. Ich glaube, dass wir auch noch mehr tun können, um die Aktivitäten der Länder und Kommunen mit denen des Bundes besser zu verzahnen. Die Außenpolitik kann aufnehmen, was durch das Engagement der Zivilgesellschaft aufgebaut wurde.

Insgesamt müssen wir alle daran arbeiten, dass unsere Politik gegenüber Entwicklungsländern glaubwürdiger wird. Denn nur wenn sie glaubwürdig ist, schaffen wir Vertrauen zwischen uns. Dazu gehört auch die Frage, was sich bei uns ändern muss, wenn die Globalisierung gerechter gestaltet werden soll. Noch immer gelingt es uns nicht, unsere Agrar-, Handels- und Entwicklungspolitik widerspruchsfrei aufeinander abzustimmen. Doppelstandards schaden unserer Glaubwürdigkeit und damit der Kraft zu gemeinsamem Handeln. Indem sie Fairen Handel fördern oder Erneuerbare Energien einsetzen, können auch die Kommunen deutlich machen, wie entwicklungsfreundliche Ansätze praktisch funktionieren.

Es ist erfreulich, dass immer mehr Menschen erkennen, dass Partnerschaften mit Afrika Zukunftsinvestitionen sind. Auch der Ruanda-Tag ist eine Zukunftsinvestition. In der Partnerschaft mit Ruanda leistet Rheinland-Pfalz erfolgreiche Pionierarbeit für die Vision einer friedlichen und lebenswerten Welt. Dazu möchte ich Ihnen gratulieren. Ich bin heute gerne bei Ihnen.

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