Laudatio von Bundespräsident Horst Köhler auf Bischof Wolfgang Huber

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 3. November 2009

Der Bundespräsident, Frau Köhler, das Ehepaar Huber und weitere Gäste stehen im Halbkreis und unterhalten sich

Das ist heute ein besonderer Tag, auf den ich mich sehr gefreut habe. Meine Frau und ich haben Sie, Bischof Huber, gemeinsam mit Ihrer Familie, mit Freunden und Wegbegleitern eingeladen, um Dank und Anerkennung auszusprechen für Ihr langjähriges Wirken als Bischof von Berlin und Brandenburg und als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Nun könnte jemand einwenden, dass das vielleicht nicht so ganz in Ordnung sei, sondern eine unzulässige Vermischung zum Ausdruck bringe. Kirche und Staat seien doch zu Recht getrennte Bereiche, und wenn ein Bischof in den Ruhestand geht, dann gehe das den Staat und den Bundespräsidenten eigentlich doch nichts an.

Ich bin anderer Ansicht. Staat und Kirche sind getrennt, aber sie sind aufeinander bezogen. Ich habe erst neulich, bei der Zukunftswerkstatt der Evangelischen Kirche in Kassel, zu der Sie mich eingeladen hatten, gesagt: "Es ist gut und unverzichtbar, dass die Kirchen aus ihrer Glaubensgewissheit heraus Fragen stellen und Antworten suchen [...] Unsere Gesellschaft ist angewiesen auf das besondere Profil christlicher Weltdeutung, auf die vom Glauben geprägte Sicht auf die Welt und den Menschen."

Sie, Herr Bischof Huber, verkörpern wie kaum ein anderer die ganz besondere protestantische Art und Weise, die Verantwortung des gläubigen Christen in dieser Welt und in dieser Gesellschaft zu leben. In Ihrer Person und in Ihrer Biographie verbinden sich genau jene Elemente, die die Kirchen der Reformation bestimmen.

Da ist zunächst die Wissenschaft, der Sie sich gewidmet haben, als Professor in Marburg und Heidelberg. Wissenschaft und Aufklärung sind in der evangelischen Theologie und Kirche nicht als Gegner oder Feinde betrachtet worden, sondern als kritische Gesprächspartner. Das ist gute evangelische Tradition, auf die gerade Sie immer wieder verweisen.

Sie haben sich politisch engagiert und standen kurz davor, als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt zu werden. Auch das ist evangelische Tradition: sich nicht mit dem Innenraum der Kirchen begnügen, sondern das Gemeinwohl aller in den Blick nehmen und dafür tatkräftig wirken - aus der Überzeugung des Glaubens heraus und gemäß dem schon alttestamentlichen Auftrag aus Jeremia: "Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn's ihr wohl geht, so geht's euch auch wohl."

Und schließlich haben Sie in der Kirche selbst große Verantwortung übernommen - als Bischof von Berlin und Brandenburg und dann dazu als Ratsvorsitzender der EKD. Es ist sicher keine Übertreibung, wenn man sagt: Sie sind das Gesicht der Evangelischen Kirche in Deutschland geworden. In diese Aufgaben haben Sie alle Ihre Gaben eingebracht - Ihren analytischen Verstand und Ihre Kraft zum nachvollziehbaren und überzeugenden Argumentieren, Ihre politischen und, wo nötig, diplomatischen Fähigkeiten und Ihre theologischen Einsichten und Überzeugungen.

So sind Sie auch über die evangelische Kirche hinaus in Deutschland zu einer intellektuellen und moralischen Instanz geworden, deren Wort großes Gewicht hat. Ihnen hört man zu, auch wenn man zunächst anderer Ansicht ist, Ihren Argumenten öffnet man sich, weil auch Sie immer zunächst genau auf den anderen hören, weil Sie geduldig werben und nicht dekretieren.

Es ist ganz gewiss etwas besonderes, das Gesicht der Evangelischen Kirche gerade in Deutschland zu sein. Das Ursprungsland der Reformation gilt weltweit sozusagen als Heimat des evangelischen Christentums. Hier hat Luther gewirkt, hier liegen Wittenberg, Worms, Erfurt, die großen Erinnerungsorte des protestantischen Christentums.

So hat die Evangelische Kirche in Deutschland auch in der weltweiten Ökumene der evangelischen Kirchen eine besondere Verantwortung für die Gestaltung und für die Weitergabe des christlichen Glaubens. Diese Verantwortung haben Sie immer gespürt und sich ihr gestellt.

In Ihrem Bischofsamt haben Sie erfahren, dass das gesellschaftliche und politische Engagement der Kirche wichtig und unaufgebbar ist, dass es aber leerlaufen und selbstgenügsam werden kann, wenn nicht die spirituelle Dimension immer wieder starkgemacht wird. So sind die gute Predigt, der gute Gottesdienst, die spirituelle Erfahrung in Gebet und Liturgie immer mehr zu Ihren wichtigen Anliegen geworden. Sie wissen und sagen es: Christentum braucht ein Profil - und das kann nur vom Eigentlichen kommen, vom Evangelium, vom Gottesdienst, vom Zeugnis des Glaubens.

Dafür bin ich Ihnen dankbar - und gerade deswegen bin ich auch vor ein paar Wochen nach Kassel zur Zukunftswerkstatt gekommen. Ich weiß, wie viel Ihnen der Erneuerungsprozess der evangelischen Kirche bedeutet. Ich weiß, dass Sie die Lutherdekade, die zum Reformationsjubiläum führen soll, als eine große Chance und als große Herausforderung für eine innere Erneuerung der Kirche sehen. Sie selber haben hier vieles angestoßen und zu vielem ermuntert. Es ist kein Geheimnis und auch kein Wunder, wenn manches nicht allen gefällt, wenn Anstöße gelegentlich eben auch als anstößig empfunden werden. Aber wie ich unsere evangelische Kirche kenne, werden wir in freimütiger Auseinandersetzung über Ziel und Richtung schließlich einen guten Weg finden. Ich hoffe das für uns alle.

Sie wissen: es ist mein ganz besonderer Wunsch, gerade auch im Hinblick auf das Reformationsjubiläum, dass es auch in der katholisch-evangelischen Ökumene weitergeht, dass die vielen guten Ansätze ausgebaut werden, die schon da sind. Auch das hoffe ich für uns alle.

Sehr geehrter Herr Bischof Huber, die evangelische Kirche, hier und in der weltweiten Ökumene, verdankt Ihnen viel. Aber auch unser Land. Diesen Dank will ich mit diesem Essen zum Ausdruck bringen. Unter Christen ist ja eine Tischgemeinschaft noch mehr als ein miteinander sattwerden.