Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler beim Festakt aus Anlass des 50. Jahrestages der Gründung des Kuratoriums Wallraf-Richartz-Museum und Museum Ludwig

Schwerpunktthema: Rede

Köln, , 24. November 2009

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult, davor sitzt das Publikum an runden Tischen

Die Geschichte der beiden großen Kunstmuseen von Köln lässt sich zugleich als Geschichte ihrer Mäzene erzählen. Das ist bei vielen Museen so. Aber jede der Geschichten ist eben einzigartig und unverwechselbar - so auch die Geschichte vom Wallraf-Richartz-Museum und vom Museum Ludwig. Die wichtigsten Namen und Daten sind schnell genannt: Grundstock für das Wallraf-Richartz-Museum war vor 185 Jahren die Kunstsammlung von Ferdinand Franz Wallraf. Vor knapp 150 Jahren erhielt es dank Johann Heinrich Richartz seinen ersten eigenen Bau und den Doppelnamen, unter dem es bis heute bekannt ist - seit einiger Zeit mit dem Zusatz "Fondation Corboud". Und das Museum Ludwig war - vor 33 Jahren - das großzügige Geschenk von Peter und Irene Ludwig an Köln und an alle Kunstfreunde der Welt.

Ohne diese großen Stifter und Namensgeber wären die Museen nicht entstanden. Aber wenn wir nur ihre Namen nennen, haben wir noch lange nicht die Geschichte der beiden Museen erzählt. Denn im Laufe der Jahrzehnte haben noch viele andere Persönlichkeiten zum Weltruhm und zur weltweiten Anziehungskraft der beiden Häuser beigetragen - mit Schenkungen und Leihgaben, mit weitsichtiger Führung und unermüdlichem Engagement, mit Herzblut und Kunstsinn. Im Grunde also müssten beide Häuser nicht nur Doppel- oder Dreifach-, sondern Vielfachnamen tragen.

Nun haben wir in Deutschland bekanntlich, was die Zulässigkeit von Mehrfachnamen angeht, eine ziemlich strenge Rechtsprechung. Begründet wurde sie - höchstrichterlich - unter anderem mit dem Hinweis, dass die Identifikationskraft von Namen ab einer gewissen Länge nachlässt. Gemeint sind natürlich Familiennamen, aber für Museen gilt die Überlegung auch. Nicht umsonst präsentiert sich das "Wallraf-Richartz-Museum" inzwischen nach außen hin nur noch als "Wallraf - das Museum". Ich plädiere also keinesfalls für eine Namensverlängerung.

Aber loben und ehren wollen wir die vielen anderen Freunde und Förderer der beiden Museen schon. Der 50. Jahrestag der Gründung des "Kuratoriums Wallraf-Richartz-Museum und Museum Ludwig" ist ein schöner Anlass dafür. Über viele Jahrzehnte hinweg haben sich die Mitglieder des Kuratoriums - gemeinsam mit anderen - schützend und fördernd um die Museen bemüht.

Am Anfang stand der Wunsch, das Wallraf-Richartz-Museum - ich zitiere aus der Satzung von 1959 - "zum Symbol der schöpferischen Leistung Europas auszubauen, wie es ein Land von der geschichtlichen Bedeutung und der vielseitigen Aktivität Westdeutschlands nötig hat, um nicht einem einseitigen, vorwiegend materiellen Interessenstreben zu verfallen." Ich danke Ihnen, Herr Bierbaum, dass Sie auch das Bemühen angesprochen haben, mit den Schäden umzugehen, die die Nazis mit ihrer Selektion "Entarteter Kunst" angerichtet hatten.

Man muss sich klarmachen: Die Gründung des Kuratoriums fiel mitten ins Wirtschaftswunder und damit in eine Zeit, in der die meisten schaffen und nach vorne schauen wollten. Gewiss waren auch die Mitglieder des Kuratoriums von der wirtschaftlichen Aufbauarbeit beseelt. Aber mir scheint, sie wollten zugleich auch versuchen, ein Stück guter deutscher Wurzeln sichtbar zu machen. Sie waren sich im Klaren darüber, dass eine Gesellschaft zum Gedeihen mehr braucht als materiellen Erfolg: nämlich kulturelle und geistige Grundlagen. Sie wollten die deutsche Geschichte - auch die der Kunst - wieder mit Europa verbinden. Sie belebten die in Deutschland tief verwurzelten Traditionen des bürgerlichen Museums wieder. Und sie richteten zugleich den Blick in die Zukunft, auf Neues und zu Prüfendes.

All das war damals sehr verdienstvoll - und ist heute so wichtig wie nur je. Wir brauchen Museen als Orte, an denen wir - aus dem Überlieferten - die Grundlagen unseres Zusammenlebens in der Gegenwart und für die Zukunft stärken können. Hier wird das Erbe unserer Kulturnation nicht nur bewahrt und gepflegt, sondern auch weiterentwickelt und in einen größeren Zusammenhang gestellt. Dies gelingt nur, wenn wir Museen vor allem auch als Bildungsorte verstehen, zu denen alle Zugang haben. Wir brauchen das sinnstiftende Angebot einer klug arrangierten Ausstellung - weil uns die Alltagswelt oft schier erdrückt mit einem Überfluss an Dingen und einem Zuviel an ständiger Berieselung. Wir brauchen Orte, an denen man sich "den Staub des Alltags von der Seele" waschen kann - um einen schönen Satz von Pablo Picasso zu paraphrasieren, der ja hier mit seinem Werk bestens vertreten ist. Wir brauchen Sammler, die mit Sinn und Verstand aus dem gottlob bunten Treiben der Kunstproduktion das Beste, das Wegweisende, das Bleibende auszuwählen versuchen. Wir brauchen Männer und Frauen wie Sie, die sich ein Leben ohne Kunst nicht vorstellen können und die diese Liebe und Leidenschaft auch anderen zugänglich machen wollen. Und wir brauchen Institutionen wie die Ihre.

Wir brauchen aber darüber hinaus auch das fruchtbare Zusammenspiel von öffentlicher Hand und privatem Engagement. Zwar wären viele Museen ohne große Mäzene nicht entstanden und ohne Vereine wie den Ihren nicht das geworden, was sie sind. Ohne staatliche Zuwendung aber könnten die wenigsten bestehen - auch daran sollten wir heute Abend erinnern. Nur bürgerschaftliches und staatliches Engagement zusammen können die Zukunft der Museen sichern - und damit einen ganz wichtigen Teil unserer Kulturnation.

Die Aufgaben sind komplementär: Der Staat sollte die Grundversorgung sichern und darüber hinaus die Rahmenbedingungen für Stifter gut gestalten. Denn Kunst zu sammeln, zu bewerten und zu kaufen: das ist auch ein Abenteuer. Es birgt Risiken. Risiken, die Sie als private Sammler und Förderer eingehen können, weil Sie nicht Steuergelder, sondern Ihr eigenes Vermögen einsetzen. Risiken, die der Staat auch gar nicht eingehen muss, wenn er seine Rolle richtig versteht und die Kreativität der Bürgerinnen und Bürger nicht einengt. Echtes Mäzenatentum speist sich ja nicht allein aus Vermögen und Finanzkraft, sondern aus kultureller Offenheit und Neugier. Was sich aber so durch privates Engagement herausbildet und seine Qualität erweist, das wiederum sollte mit staatlicher Hilfe Dauer gewinnen können, weil es das Gemeinwohl vermehrt.

In der Geschichte des Wallraf-Richartz-Museums und des Museums Ludwig ist - wie mir scheint - diese Balance gelungen. Sie, liebe Mitglieder des Kuratoriums, tragen das Ihre dazu bei. Dafür meinen herzlichen Dank. Ich bitte Sie: Bringen Sie Ihr Vermögen - im finanziellen wie im übertragenen Sinne - weiterhin ein, ermutigen Sie andere, es Ihnen nachzutun. Auch wenn die Institution, die Sie unterstützen, nicht Ihren Namen trägt: Sie alle gehören mit zur Familie. Ich bin froh, dass es diese Familie gibt.