Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der Nationalen Bestenehrung des DIHK

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 7. Dezember 2009

Bundespräsident Horst Köhler am Rednerpult

Bundespräsidenten haben ein paar Privilegien. Eins davon ist, dass ich öfters mit den Besten unseres Landes zusammentreffen kann; zum Beispiel mit den besten Sportlern, den renommiertesten Wissenschaftlern oder mit den berühmtesten Musikern. Und heute treffe ich Sie: die besten Auszubildenden Deutschlands. Ich freue mich wirklich darüber und habe spontan zugesagt. Und ich gratuliere Ihnen herzlich. Wochen und Monate haben Sie für den Erfolg gelernt, gearbeitet und vielleicht gezittert. Sie haben ihn sich verdient. Jetzt ist es an der Zeit, das Erreichte einen Moment lang zu genießen.

Und bitte teilen Sie Ihren Erfolg mit Ihrer Familie und Ihren Freunden, die Sie nicht nur in der Prüfungszeit unterstützt haben. Teilen Sie ihn mit Ihren Ausbildern in den Betrieben und den Berufsschulen. Wer die Besten ausbildet, der muss selbst auch irgendwo zu den Besten gehören. Auch Ihnen: Herzlichen Glückwunsch! Sie, liebe Eltern und Ausbilder, haben diese jungen Menschen zu Höchstleistungen angespornt. Danke dafür.

Egal ob es um Sport, Musik und Wissenschaft geht oder um Energietechnik, Feinoptik oder das Gastgewerbe - die Besten in ihrem Fach haben meist ein paar Eigenschaften gemeinsam: Sie haben Talent, und sie wissen, was ihre Stärken sind. Sie haben Freude an ihrer Arbeit. Sie strengen sich an, sie haben den Drang, den Dingen auf den Grund zu gehen, ihr Fachgebiet wirklich zu beherrschen, und sie geben auch bei Rückschlägen nicht auf. Ich denke, die meisten von Ihnen haben diese Eigenschaften an sich entdeckt. Darauf können und darauf sollten Sie stolz sein.

Niemand wird als der oder die Beste geboren. Es gehört Arbeit dazu. Und Anstrengung. Sie wissen das. Deswegen sage ich Ihnen schon gleich: Ruhen Sie sich auf Ihren Lorbeeren auch nicht aus. Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, der trägt sie an der falschen Stelle.

Sie haben gute Aussichten, einen erfolgreichen Berufsweg zu beschreiten. Der Schlüssel dazu bleibt die Lust am Lernen. Im Moment mag der ein oder andere von Ihnen davon erstmal genug haben. Und sicher, Sie haben sich viel Wissen und viel Können angeeignet. Manch einem älteren Kollegen mögen Sie sogar etwas an Wissen voraus haben. Nehmen wir zum Beispiel eine Bauzeichnerin: Sie nutzt die neuesten Computerprogramme und kennt alle Eigenschaften von Baustoffen, die es vor zwanzig Jahren noch gar nicht gab.

Aber welche Baustoffe gibt es in zwanzig Jahren? Wissen bleibt nicht stehen. Mit der Entwicklung in Wissenschaft und Technik hat es sich rasant verändert. Als ich in Ihrem Alter war, habe ich meine Seminararbeiten noch auf der Schreibmaschine getippt. Einen Computer hatte ich nicht, Handys gab es überhaupt nicht, und von einem Navigationssystem im Auto haben wir noch nicht einmal geträumt.

Heute ist all das fast selbstverständlich. Was ist wohl für Ihre Kinder in dreißig, vierzig Jahren selbstverständlich? Kenntnisse, die heute richtig und wichtig sind, verlieren immer schneller an Bedeutung. Umso wichtiger ist es, sein Wissen immer wieder aufzufrischen und zu erneuern, immer wieder neugierig zu sein. Lernen ist eine Lebensaufgabe. Und es ist eine Lebensaufgabe, die Freude und Erfüllung bringt.

Für Sie heißt das: Nehmen Sie auch bitte Ihre Weiterbildungschancen wahr. Den Aufruf haben Sie sicher schon öfter gehört. Aber nicht einmal die Hälfte der Berufstätigen bildet sich tatsächlich weiter in Deutschland. Und das reicht nicht. Hier geht es um die Zukunft - Ihre Zukunft als Berufstätige und die Zukunft unseres Landes.

Deswegen wende ich mich auch an Sie, liebe Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Wir brauchen mehr Angebote für Weiterbildung während des Berufslebens - nicht nur für die 30-Jährigen, auch für die 50- und 60-Jährigen. Stattdessen ist in den ersten fünf Jahren dieses Jahrzehnts der Anteil der Unternehmen, die ihren Beschäftigten Weiterbildung anbieten, deutlich gesunken. Die umgekehrte Entwicklung ist aber notwendig. Ich appelliere an Sie, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: Fördern Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin. Diese jungen Auszubildenden haben Ihnen gezeigt, wie gut sie diese Förderung zu nutzen wissen.

Und Sie, liebe Auszubildende, erhalten Sie sich Ihre Neugier. Schauen Sie sich um, was es Neues zu erfahren und zu lernen gibt. Und gucken Sie dabei auch nach rechts und links, was es neben Ihrem Berufsfeld noch Interessantes zu erfahren gibt. Ich würde mich nicht wundern, wenn der ein oder andere von Ihnen in zehn Jahren zu den Besten vielleicht sogar in einem ganz anderen Fach gehört. Überraschen Sie sich selbst. Das macht meistens am meisten Spaß.

Wer zu den Besten gehört, der hat Verantwortung, der ist ein Vorbild für andere. Ich habe gelesen, dass über viele von Ihnen in den Zeitungen berichtet wird. Und ich finde das gut. Überlegen Sie mal, wie ein solcher Bericht auf jemanden wirkt, der gerade mit der Ausbildung beginnt. Er liest, dass jemand aus seiner Stadt es geschafft hat, zu den besten Auszubildenden des Landes zu gehören. Das spornt doch an, es diesem Vorbild gleichzutun.

Und das gilt noch mehr, wenn zum Beispiel die beste Auszubildende im eigenen Betrieb arbeitet. Wenn man die Chance hat, von ihr zu lernen. Denken Sie an Ihre eigenen Vorbilder, an die Menschen, von denen Sie sich beflügeln ließen. Auf die gleiche Weise können Sie jetzt anderen Mut machen. Was meinen Sie, wie stolz die sein werden, von einem der Besten Deutschlands in den Beruf eingewiesen zu werden. Nutzen Sie das, geben Sie etwas von Ihrem Wissen weiter. Sie werden erfahren, dass auch das eine große Bereicherung mit sich bringt.

Und dann, liebe Absolventinnen und Absolventen, lassen Sie sich noch einen persönlichen Rat mit auf den Weg geben: Bleiben Sie gelassen!

Sie alle wären heute nicht hier, wenn Sie in Ihrem Beruf nicht ehrgeizig, motiviert und strebsam wären. Das ist gut und das sollen Sie sich auch unbedingt erhalten, aber entwickeln Sie keinen Tunnelblick. Vergessen Sie nicht die vielen wichtigen Dinge jenseits Ihres Berufes. Nehmen Sie sich Zeit für Familie, für Freunde.

Stellen Sie sich einmal die Frage, wie Sie sich ein erfülltes Leben vorstellen. Was ist Glück - für Sie ganz persönlich? Ein gewisser Wohlstand, ein erfüllender Beruf gehören für die meisten dazu. Und mit Recht. Aber ist damit schon alles gesagt?

Ich finde, nicht nur die Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns gezeigt: Es ist Zeit darüber nachzudenken, ob ein schlichtes "immer mehr" von der gleichen Sorte die Zukunft gewinnen kann. Wir konzentrieren uns allzu leicht darauf, die Dinge zu mehren, die man jetzt kaufen kann. Aber Lebensqualität ist mehr als Konsum. Es gibt gute Gründe, auch andere Merkmale für das Wohlbefinden der Bürger und die Weiterentwicklung der Gesellschaft anzuschauen. Wie steht es um die Gesundheit der Menschen? Wie steht es um ihre Bildung? Wie entwickelt sich unser Klima, unsere Umwelt? Und gerade beim Thema Umwelt wissen wir längst: Unser Planet würde es gar nicht aushalten, wenn die ganze Menschheit schon heute so leben wollte wie wir. Dann bräuchten wir schon jetzt mehr als eine Erde. Wir müssen umdenken, wir alle, Junge und Ältere, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Auszubildende und Ausbilder.

Wir müssen achtsamer mit unserer Umwelt umgehen. Und ich denke, wir müssen achtsamer mit unseren Mitmenschen umgehen. Wir brauchen Bürger, die sich für andere engagieren - aus Nächstenliebe, aus Überzeugung, ohne daraus einen eigenen Vorteil zu ziehen. Eine Gesellschaft, in der sich viele Menschen so für andere einsetzen, ist lebendig, ist lebenswert, ist warm, ist reich. Tragen Sie bitte dazu bei, Deutschland auch in diesem Sinne noch reicher zu machen; in Ihrer Familie, in Ihrem Freundeskreis, in Ihrem Betrieb, aber auch darüber hinaus. Überlegen Sie, wie Sie sich einbringen können in unsere Gemeinschaft, in das Gemeinwesen.
Sie wissen, wo Ihre Stärken sind. Können Sie auch andere Menschen damit stark machen? Wenn Sie Computerspezialistin sind, haben Sie vielleicht einmal Lust, älteren Menschen Computerkurse zu erteilen. Wenn Sie Koch sind, führen Sie doch mal in einer Schule Kochkurse für gesunde Ernährung durch! Wenn Sie eine kaufmännische Ausbildung haben, freut sich Ihr Sportverein sicher über einen so qualifizierten Kassenwart. Wenn Sie Mediendesignerin sind, könnten Sie zum Beispiel den Internetauftritt der Kirchengemeinde verbessern.

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wie Sie sich in der Gemeinschaft einbringen können, nutzen Sie sie! Und wenn Sie es tun, werden Sie feststellen, dass sie etwas zurückbekommen, das Sie selbst bereichert.

Und bei allem, verlieren Sie nie die Freude an dem, was Sie tun. Mark Twain hat einmal gesagt: "Je mehr Vergnügen Du an Deiner Arbeit hast, umso besser wird sie bezahlt." Es lohnt sich, mit Leidenschaft und Überzeugung für etwas zu arbeiten. Ich wünsche Ihnen dabei von Herzen viel Erfolg! Noch einmal herzlichen Glückwunsch. Das ganze Land ist stolz auf Sie!